19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.12.10 / Ein Vorkämpfer für Freiheit in Verantwortung / Zum 90. Geburtstag des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag, Alfred Dregger

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-10 vom 04. Dezember 2010

Ein Vorkämpfer für Freiheit in Verantwortung
Zum 90. Geburtstag des ehemaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag, Alfred Dregger

Für die einen war er eine der letzten großen Gallionsfiguren des deutschen Konservativismus, für die anderen der Anführer der Stahlhelmfraktion. Einig waren sie sich – und sind es immer noch – in diesem einen Punkt: Alfred Dregger polarisierte, und zwar in einem positiven Sinne. Er zwang jeden, der mit ihm zu tun hatte, Stellung zu beziehen und die eigene Position zu überdenken.

Mit der Stahlhelm-Titulierung lagen seine Kritiker, auch wenn sie das eigentlich ganz anders gemeint hatten, gar nicht so sehr daneben. In der Tat hatte im Leben des Alfred Dregger, vor 90 Jahren, am 10. Dezember 1920, geboren in Münster, der Stahlhelm irgendwie immer eine Rolle gespielt. Als 19-Jähriger war der Offizierssohn 1939 direkt von der Schulbank zur Wehrmacht eingezogen worden. Den Stahlhelm trug er bis zum Kriegsende, zuletzt als Hauptmann und Bataillonskommandeur.

Seine Erlebnisse und Erfahrungen an der Front prägten ihn ebenso wie der schmerzliche Tod des geliebten Bruders, der vom Einsatz an der Ostfront nicht zurückkehrte. Zeitlebens war ihm blinde Heldenverehrung oder gar Kriegsverherrlichung fremd – obwohl bösartige Kritiker ihm genau dies zu unterstellen trachteten. Vehement wehrte er sich aber dagegen, deutsche Soldaten pauschal als Kriegsverbrecher abzustempeln. So zählte er zu den schärfsten Kritikern jener unsäglichen Wanderausstellung, mit der Jan Philipp Reemtsma und Hannes Heer die Wehrmacht als kriminelle Organisation in den Dreck zogen. Deutliche Worte fand er auch, als das Bundesverfassungsgericht die Pauschaldiffamierung „Soldaten sind Mörder“ für zulässig befand.

Ins Visier der Gralshüter politischer Korrektheit geriet Dregger auch, weil er sich stets weigerte, einem einseitigen Geschichtsbild aus Siegersicht das Wort zu reden. Mit „Revisionismus“ oder gar „Revanchismus“ hatte das nichts zu tun: Dregger versuchte nie, zu leugnen, was an dunklen Flecken in unserer Geschichte nicht zu bestreiten ist. Wohl aber engagierte er sich dafür, im Geschichtsbuch der Deutschen nicht nur die schlechten, sondern auch die guten Seiten wahrzunehmen. Über 1200 Jahre deutsche Geschichte zu reduzieren auf zwölf düstere Jahre – das lehnte er entschieden und unmissverständlich ab.

Was Alfred Dregger in seinem langem politischen Leben am stärksten umtrieb, bringt der Titel seiner wichtigsten Buchveröffentlichung auf den Punkt: „Freiheit in unserer Zeit“. Er entwirft darin ein auf preußischer Tradition im Sinne Immanuel Kants basierendes Bild einer Freiheit, die an Verantwortung gebunden ist. Solche Freiheit sieht er nur in einer wehrhaften Demokratie realisierbar. Er fordert einen starken Staat. Das ist für ihn ein Staat, dessen größte Stärke darin liegt, die persönliche Freiheit des Individuums wirkungsvoll zu schützen. Nach innen wie nach außen: Die Abwehr kommunistisch-diktatorischer Machtansprüche, notfalls auch mit militärischen Mitteln, hatte in diesem Weltbild hohe Priorität.

So war Dregger ein Verfechter der Einbindung Deutschlands in die sicherheitspolitischen Strukturen der Nato und wünschte sich eine Europäische Sicherheitsunion als starken Pfeiler im atlantischen Bündnis. Zugleich räumte er nationalen Interessen den angemessenen Rang ein. Weil nach seiner Einschätzung „Deutschland atomar nicht verteidigt, wohl aber zerstört werden kann“, setzte er sich für ausgewogene nukleare Abrüstung ein, forderte beispielsweise nicht nur den Abbau sowjetischer SS-20-Mittelstreckenraketen mit Mehrfachsprengköpfen, sondern auch den Verzicht des französischen Verbündeten auf seine atomaren Kurzstreckenwaffen „Hadés“ und „Pluton“.

Nach den Kriegsjahren und dem mit der Promotion abgeschlossenen Jurastudium war Dregger schon frühzeitig in der CDU politisch aktiv geworden. 1956 wurde er zum Oberbürgermeister von Fulda gewählt. Bis 1970 prägte er die Geschicke der Bischofsstadt.

Die hessische CDU kürte ihn 1967 zum Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten. Viermal trat er bei Landtagswahlen an, steigerte den Stimmenanteil der CDU von unter 27 auf über 47 Prozent, verfehlte die Regierungsmehrheit aber knapp. 1972 ging er in die Bundespolitik, gehörte 26 Jahre lang dem Bundestag an. 1982 folgte er dem zum Kanzler gewählten Helmut Kohl im Amt des Fraktionsvorsitzenden, das er 1991 an Wolfgang Schäuble weitergab.

Die letzten Lebensjahre Alfred Dreggers waren bestimmt von schwerer Krankheit. Seinen Fuldaer Wahlkreis musste er an Martin Hohmann abgeben, der es immerhin schaffte, bei der Bundestagswahl 2002 das beste Erststimmenergebnis aller CDU-Abgeordneten zu erzielen. Was Hohmann nicht davor bewahrte, wenig später von Angela Merkel als angeblicher „Rechtspopulist“ abgekanzelt und aus Partei und Fraktion entsorgt zu werden. Diesen Tiefpunkt christdemokratischer Anbiederung an den Zeitgeist mitzuerleben blieb Dregger erspart: Er starb am 29. Juni 2002 in Fulda. Hans-Jürgen Mahlitz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren