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04.12.10 / Rufrettung durch Zeitzeugen / Konrad Löw belegt, dass die Deutschen nicht antijüdisch eingestellt waren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-10 vom 04. Dezember 2010

Rufrettung durch Zeitzeugen
Konrad Löw belegt, dass die Deutschen nicht antijüdisch eingestellt waren

Konrad Löw, Emeritus der Politikwissenschaft an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und Bayreuth, präsentiert zum Trauma des Holocaust vier Jahre nach seinem Buch „Das Volk ist ein Trost“ mit „Deutsche Schuld 1933-1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen“ eine umfangreichere Dokumentation von Zeitzeugnissen mit Erörterungen der Schuldfrage. Bisher wurde „Das Volk ist ein Trost“ von Fachhistorikern links liegen gelassen. Passte ihnen die Tatsache zu wenig in das von den Siegermächten dekretierte und in Deutschland mit einem „masochistischen Schuldbewusstsein“ (Alfred Grosser) gepflegte Geschichtsbild – war es deshalb zu karriereschädlich, dies anzufassen?

Löw führt an, dass Deutsche größtenteils frei von Antijudaismus waren, obschon Juden – nur knapp ein Prozent der Bevölkerung – zur Weimarer Zeit, beruflich und finanziell hervorstechend erfolgreich waren. Kein Zeitzeuge führt Hitlers Erfolg auf seinen Antijudaismus zurück, der in der Wahlpropaganda kaum vorkam, sondern auf seinen Kampf gegen die Erniedrigung und Verelendung Deutschlands durch Versailles.

Der Autor hat 354 Aufzeichnungen von 300 jüdischen oder mit Juden verheirateten Zeitzeugen und rund 270 Zeitzeugnisse von nichtjüdischen Deutschen, besonders in den Deutschlandberichten der Exil-SPD, von ausländischen Diplomaten und Journalisten sowie von Verantwortlichen des NS-Regimes ausgewertet. Die jüdischen Zeugnisse aus allen Regionen Deutschlands sprechen dafür, dass die allermeisten Deutschen die Judenverfolgung verurteilt haben, wie viele Hundert positiver Einzelaussagen belegen. Negativ ist nur knapp jede zehnte, die aber meist Einzeltaten wie Verhöhnungen durch Jugendliche oder einige tätliche Angriffe durch Pöbel betreffen. Dagegen umfassen die positiven Zeugnisse meist

Zeiträume oder mehrfach Erlebtes: einen jahrelangen normalen

Schulalltag jüdischer Kinder, Bekundungen von Abscheu der Drangsalierung, Sichern von Eigentum durch „Aufbewarier“, von Hilfe durch Verstecken und Versorgen Einzelner oder ganzer Familien; ein Zeuge spricht von 66 Quartieren, ein anderer von 70 Helfern. Aussagekräftig ist auch, dass selbst die, welche Hilfe verweigerten, nur selten denunzierten. Sehr beachtlich ist, dass sogar einige überzeugte Nationalsozialisten, Beamte, Angehörige von SA, SS und Gestapo anständig waren. „Arische“ Freundschaften haben sehr oft gehalten, ebenso über neun Zehntel der Mischehen. Fast alle anderen nicht betroffenen Zeugen, ebenfalls die amtlichen und persönlichen Aussagen aus Sicht des Regimes bis hin zu Goebbels und Hitler bestätigen: Das Volk blieb bis zuletzt größtenteils judenfreundlich.

Löws intensive und umfassende Auseinandersetzung mit dem Schuldkomplex ist sehr verdienstvoll. Ausgehend von der „Würde des Menschen“ beweist er, dass es nach dem Sittengesetz wie nach Völker- und deutschem Recht keine kollektive „deutsche Schuld“ gibt, weil Schuld nur persönlich sein kann und im Einzelfall nachgewiesen sein muss. Das beträfe nach einer Fußnote rund 200000 Deutsche und (ausländische) Helfer, mithin von damals 79 Millionen weniger als ein Viertel Prozent. Löw sieht allerdings „Hunderttausende Deutsche“ an NS-Verbrechen beteiligt. Da oft schon Nichthelfen als Schuld verurteilt wird, stellt Löw klar: „Unterlassene Hilfe wird erst dann zur Schuld, wenn sie möglich und zumutbar war“, mehr zu verlangen, wäre eine moralische Anmaßung. Natürlich kann ein Volk Schuld nicht ererben, auch nicht verschleiert als „immerwährende Verantwortung“, die ständig von interessierter Seite, und sogar, pflichtwidrig, amtlicherseits verkündet wird. Manfred Backerra

Konrad Löw: „Deutsche Schuld 1933-1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen“, Vor-, Nachwort: Klaus von Dohnanyi, Alfred Grosser, Olzog, München 2010, geb., 446 Seiten, 39,90 Euro


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