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11.12.10 / Das Ende aller Diskretion / Wikileaks und die Folgen – Neue »sicherheitsrelevante« Liste

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Das Ende aller Diskretion
Wikileaks und die Folgen – Neue »sicherheitsrelevante« Liste

Wer steckt hinter Wiki­leaks? China? Oder Al-Kaida? Oder gar beide? Die Vorstellung, die fernöstlichen staatsmonopolkapitalistischen Kommunisten könnten sich des islamistischen Terrorismus als „bewaffneter Arm“ bedienen, ist furchterregend, aber keineswegs völlig abartig.

Schon die Veröffentlichung der 250000 Dokumente aus dem US-Außenministerium hatte den Verdacht nahegelegt, dass die Internet-Enthüllungsplattform vorrangig die schwächelnde Führungsmacht der westlichen Welt im Visier hat. So war (worauf in dieser Zeitung bereits hingewiesen wurde) aufgefallen, dass chinesische Diplomaten offenbar die weltweit einzigen sind, über die nichts Ehrenrühriges oder zumindest Banal-Lächerliches zu berichten ist.

Die Ankündigung, als nächstes den internen Schriftverkehr einer amerikanischen Großbank ins Netz zu stellen, stärkt den Verdacht, dass hier unter dem Deck­mantel der „Transparenz“ knallharte Machtpolitik betrieben wird. Und auf der selben Linie bewegt sich auch die Liste, die nun – unangekündigt – auf den noch verbliebenen Wikileaks-Servern für erneute Unruhe sorgt: eine umfangreiche Auflistung „sicherheitsrelevanter“ Einrichtungen der Industrie und der Verkehrsinfrastruktur. Zum Teil sind sie direkt – etwa über Kapitalbeteiligungen – mit amerikanischen Interessen verknüpft, zum Teil tangieren sie zumindest indirekt die globalen politischen, finanziellen und militärischen Interessen der USA.

Auch eine Reihe deutscher Firmen und Einrichtungen findent sich auf dieser Liste. Dabei handelt es sich keineswegs nur um den Bereich der Rüstungsindustrie. Deutsche Pharma- und Chemiekonzerne gelten in Washington ebenso als „sicherheitsrelevant“ wie mittelständische Tüftler, die sich auf dem Weltmarkt spezielle Nischen erarbeitet haben.

Für Al-Kaida, Taliban und andere der US-dominierten westlichen Welt nicht wohlgesonnene Netzwerke dürfte ein Großteil dieser neuen Veröffentlichung nicht neu sein. Zumindest aber können sie ihre eigenen Listen lohnenswerter Anschlagsziele abgleichen und aktualisieren – alles frei Haus geliefert von Wikileaks.

Aus deutscher Sicht könnte nicht nur die Auflistung einheimi­scher Einrichtungen „sicherheitsrelevant“ werden, sondern möglicherweise auch der Bericht des US-Botschafters über ein „Erpressungsangebot“, mit dem die Bundesregierung angeblich Israel zu einer Umkehr in seiner Siedlungspolitik bewegen wollte.

Wie diese „Enthüllung“ im Nahen Osten aufgenommen wird, lässt sich noch nicht abschätzen. Ansonsten aber kann Berlin mit den amerikanischen Botschafter-Berichten entspannt umgehen: Sie enthalten überwiegend aus Pressequellen zusammengestückelte Banalitäten, die eher peinlich denn politisch brisant sind. Die eigentliche Gefahr liegt darin, dass Wikileak einen bedenklichen Trend des privaten und gesellschaftlichen Lebens auf die internationale Politik überträgt: die systematische Aufhebung aller Diskretions- und Schamgrenzen. Hans-Jürgen Mahlitz


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