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11.12.10 / Deutschland 21 oder Die verquatschte Republik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Moment mal!
Deutschland 21 oder Die verquatschte Republik
von Klaus Rainer Röhl

Wohin ich auch schaue, ich sehe nur Talkshows. In denen mehr Demokratie gefordert wird. Ist sie am Ende, die direkte Demokratie? In der besten Sendezeit laufen sonntags Talk-shows, deren Inhalt jedermann vorher kennt, sobald er weiß, wer teilnimmt. Wenn zum Beispiel über Stuttgart 21 geredet wird und über Heiner Geißler und die „Schlichtung“, die jeder ehrfurchtsvoll in Anführungszeichen setzt. Klarer Fall. Und alle, die unzufrieden sind mit der Entwicklung in Stuttgart und in Gorleben und auf den vereisten Straßen und bei der ständig verspäteten Bundesbahn, müssen das auch sagen können, und zwar ohne Gewalt – jedenfalls möglichst. Es muss einfach mehr Bürgernähe geben – wer hat das noch gesagt? War das bei Maybrit Illner, bei Beckmann, bei Plasberg oder bei Anne Will? Eigentlich egal, Bürgernähe und Mitsprache und „gelebte“ Demokratie sind gefragt.

Die Talkmeister sind ohnehin beliebig auswechselbar, jeden Abend von Sonntag bis Donnerstag, in dieser Reihenfolge: Anne Will, Beckmann, Maischberger, Plasberg und zum Schluss Maybrit Illner. Und alle sagen am Ende der kostbaren Sendezeit, dass sie leider nun Schluss machen müssten, die Sendezeit sei um und sie müssten nun an Tom Buhrow oder die „heute“-Redaktion abgeben, aber man könne das Thema ja noch im Internet vertiefen. Am Ende der Woche haben alle alles gesagt, was sie schon immer sagen wollten, mindestens einmal Gregor Gysi – oder Sarah Wagenknecht, zweimal Sigmar Gabriel und dreimal Jürgen Trittin und einmal auch der langsam Selbstvertrauen gewinnende FDP-Entwicklungshelfer Dirk Niebel. Und dazu je ein Chaot aus dem Volke, der etwas ganz Besonderes will und sich fest vorgenommen hat, das auch in der Runde vorzutragen, aber schließlich auch nicht so richtig böse zu den anderen sein will, mit denen er ein paar Stunden vorher einen Imbiss eingenommen hat und nun Ellbogen an Ellbogen zusammensitzt, und der die anderen dann doch ausreden lässt, weil er sich sonst wie ein Spielverderber vorkommt (diese Skrupel haben Berufspolitiker nie). Er ärgert sich später, weil er nicht weit damit gekommen ist, sein Geheimrezept gegen den Hunger oder für eine neue Energiequelle, für die er das Rad noch einmal erfunden hat, vorzubringen. Aber schon bald wurde auch er von der Lawine von Allgemeinplätzen vom Reformbedarf und der Erderwärmung bis zur Bürgernähe und dem Mitspracherecht für alle überrollt, und kein Zuschauer weiß am Ende noch genau, wer was am Tag davor gesagt hat und übermorgen sagen wird.

Aber langsam wird allen klar: So geht es nicht weiter mit Deutschland. Jedenfalls nicht an diesem Abend. Wenn wir nicht eine Bürgerbewegung, eine Protestbewegung und dann eine – Schlichtung bekommen. Und weil bald niemand mehr die immer gleichen Gesichter in der nächsten Woche noch einmal sehen will und keiner den ewigen Spruch von der erneuerbaren Energie und der Zukunft für unsere Kinder, die weder die USA, noch Indien und China – auch Brasilien nicht – begriffen haben, noch einmal hören will, sind am Ende alle gelangweilt, auch von der Aufforderung zu möglichst frühzeitigen Sprachkursen für „Migranten-Kinder“. Aber steter Tropfen höhlt den Stein, und langsam setzt sich das Falsche im Richtigen fest. Wenn es nur oft genug in der Talkshow – oder in den Nachrichten gesagt wird. Zum Beispiel eben das Wort „Migranten“, das schon allen locker über die Lippen geht, aber ein fauler Trick ist: Das Falsch- und Verwirrwort für unausgebildete, ungebetene Gäste, Asylanten oder „Geduldete“, hat sich langsam (wie diese) eingebürgert – während wirklich gut ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland dringend gesucht werden. Darüber, wie  die Millionen, die keiner eingeladen hat und als „Geduldete“ eine Art Wohnrecht erworben haben und samt ihrer zahlreichen Verwandtschaft Sozialhilfe und ein neues Gebiss auf Staatskosten erhalten, nun bei uns „integriert“ werden sollen, und dass ihre in kurzen Abständen geborenen Kinder Deutsch lernen müssen, darüber wird seit Thilo Sarrazin und Heinz Buschkowsky zwar viel gesprochen, aber immer nur über das Wie. Nie über das Ob. Ob und wie viel Einwanderung möglich ist, ohne dass alle Deutschen endgültig ihre schon angeknackste Identität verlieren. Darüber wird nie gesprochen. Alle Völker um uns herum und in der Welt haben diese Identität, auch und gerade die Völker mit einem starken Anteil an legalen Zuwanderern aller Farbschattierungen aus den ehemaligen Kolonien wie England und Frankreich haben ein sicheres Gefühl für Zusammengehörigkeit. Und dies entsteht eben nicht nur durch Sprachkurse.

Wenn das Gefühl für Zusammengehörigkeit von den herrschenden Parteien nicht mehr verteidigt wird wie in den Niederlanden, in Belgien, in Dänemark, in Schweden, dann kommt Unmut auf, und es entstehen neue Parteien, die sogleich von unseren Tugendwächtern als „rechtspopulistisch“ verteufelt werden. Eine Hochburg solcher Tugendpolizei ist bekanntlich die linksdrehende „taz“, die seit langem die Entwicklung in Deutschland mit Stirnrunzeln  betrachtet, besonders seit Sarrazins Auftreten. Die „taz“-Redakteure misstrauen den Bürger-Protesten, die in Hamburg per Volksentscheid die  Primarschule gekippt oder in der Schweiz den Neubau von Minaretten verhindert haben. Sie misstrauen allen Protestbewegungen, die nicht von linken Kadern organisiert werden wie die einst aus der DDR gesteuerte Antiatombewegung. Sie befürchten, dass aus Stuttgart 21 einmal ein Deutschland 21 werden könnte. Sie befürchten, was wir hoffen dürfen.

Die „taz“ vom letzten Sonntag titelt denn auch „In der Mitte wächst der Hass“, und auf Seite 3 erklären Wissenschaftler, dass die Fremdenfeindlichkeit dauernd wächst, die Islamfeindlichkeit gleich mit und das, so sagen die „taz“-Soziologen, liegt an den absturzgefährdeten Schichten des Bürgertums. Ein uralter Hut. So wollte man auch den Aufstieg Hitlers erklären. Die These ist überholt. Es wächst der Hass? Eher doch wohl die Vernunft: Noch einmal die Tugend-„taz“: „Bisher war stets Verlass darauf, dass Rechtspopulisten hierzulande höchstens flüchtige Erscheinungen sind. Der konservative Handwerksmeister und der Schulrektor mögen keine windigen Demagogen, mit denen man in Deutschland einschlägige Erfahrungen gemacht hat. So war es. Aber so muss es nicht bleiben. Die historische Imprägnierung gegen den Populismus hat Risse bekommen, die Abwehrkräfte schwinden. In der Parteipolitik gibt es kein Anzeichen, dass Rechte bei Wahlen reüssieren können. Zum Glück. Doch dahinter kommt langsam etwas ins Rutschen.“ Schaun wir mal.

Ab Donnerstag beginnt für alle die Kehrseite der politischen Dauer-Agitation, das, was im alten Rom „Brot und Spiele“ genannt wurde. Hansi Hinterseer und seine aufgetakelten Dirndl-Blondinen und Bergbuben. Wirklich spätrömische Abartigkeit aber erreicht die Blödelschau von Thomas Gottschalk, die letzten Sonnabendabend endlich auch ihn selber traf. Nach dem fast tödlichen Unfall des erbarmungslos in die Arena gejagten Stuntmans, für den Gottschalk die Verantwortung trägt, dürfte diese Art „Brot und Spiele“ sich überlebt haben. Gottschalk ist 60 und freut sich wahrscheinlich, endlich einen überzeugenden Grund für seinen lange fälligen Abgang zu haben – in Zukunft werden wir ihn vielleicht nicht nur als Patenonkel der Gummibärchen, sondern auch der Babies in der Sahelzone und in Haiti erleben – und natürlich – als Gast bei Talkshows.


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