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11.12.10 / Dunkle alte Zeit / Karges Leben am Meer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-10 vom 11. Dezember 2010

Dunkle alte Zeit
Karges Leben am Meer

Noch heute kann ein Tag am Wattenmeer bei Kälte und trübem, ungemütlichen Wetter sehr aufs Gemüt schlagen. Und dabei ist die nächste warme Stube, das nächste gemütliche Café oder Restaurant häufig nicht weit entfernt. Dagmar Fohls historischer Roman „Die Insel der Witwen“ spielt Mitte des 19. Jahrhunderts auf der fiktiven Insel Taldsum, einer Insel mitten im friesischen Wattenmeer.

Das Leben der Bewohner von Taldsum ist jedoch selten gemütlich. Sie leben von der Seefahrt, die Witwen, deren Männer auf See bleiben, fristen mit ihren Kindern ein karges Dasein. Doch als bittere Ironie des Schicksals sind es havarierte Schiffe, deren Wrackteile und Ladung an Land der Insel gespült werden, welche bei den Bewohnern für Feuerholz, Essen und Kleidung sorgen.

Im Mittelpunkt von Dagmar Fohls Erzählung steht die junge Seemannswitwe Keike Tedsen, eine starke Frau, welche verbissen und verbittert versucht, sich und ihre zwei Töchter durchzubringen. „Es wehte ein kräftiger Nordwest. Keike stromerte mit Stine und den Mädchen den Strand entlang. Sie hatten Glück. Es regnete nicht und Nissen und seine Leute waren auch nicht in Sicht. Sie suchten den Meeressaum nach Nützlichem ab. Sie hatten Kiepen und Beutel dabei. Und ihre Messer. Sie waren Tag und Nacht unterwegs, um Strandgut zu sammeln. Ohne Strandgut konnten sie nicht leben … Wenn sie sich erwischen ließen, drohten ihnen hohe Geldstrafen oder Zuchthaus. Oder Prügel. Knudt Nissen prügelte, wenn man in seine Fänge geriet. Der Strandvogt und seine Leute waren immer unterwegs.“

Sehr düster und intensiv sind Dagmar Fohls Beschreibungen. Die Schriftstellerin, die Geschichte und Romanistik studiert hat, beschwört in „Die Insel der Witwen“ eine beklemmende, unbehagliche Stimmung herauf. Auch die Tatsache, dass die mutige Keike eine leidenschaftliche Affäre mit dem verheirateten Andreas Hartmann, dem Hamburger Ingenieur des auf der Insel geplanten Leuchtturmes, hat, bringt kein rechtes Licht in die Düsternis.

Es scheint eine Insel der Verdammten zu sein und so balancieren auch Keike und Andreas immer am dunklen Abgrund ihrer Psyche entlang. Besessen voneinander, von der Leidenschaft füreinander und von der Angst, einander wieder zu verlieren, so beschreibt Dagmar Fohl eindrucksvoll die Gedanken der zwei gemarterten Seelen.

Eine Liebe, die scheinbar genauso wenig dazu bestimmt ist, Freude, Glück und Wärme zu spenden wie das zermürbende harte Leben auf der grauen, diesigen Insel Taldsum, der selbst ein Leuchtturm, und mag dessen Leuchtfeuer auch noch so hoch und hell über die Erde strahlen, kein Licht zu bringen vermag. Vanessa Ney

Dagmar Fohl: „Die Insel der Witwen“, Gmeiner Verlag, Meßkirch 2010, broschiert, 273 Seiten, 12,90 Euro


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