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18.12.10 / Knallharte Machtpolitik / Die Grünen versuchen, die Hartz-IV-Reform zu blockieren – »Schwarz-Grün« erscheint illusorisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Knallharte Machtpolitik
Die Grünen versuchen, die Hartz-IV-Reform zu blockieren – »Schwarz-Grün« erscheint illusorisch

Zum Wochenbeginn zeichnete sich eine Niederlage der Regierung Merkel im Bundesrat ab: Die saarländischen Grünen wollten bei der Abstimmung am Freitag die Hartz-Reform blockieren. Eilig wird an Nachbesserungen gewerkelt, offen bleibt die Grundsatzfrage der schwarz-grünen Zusammenarbeit.

Lange war die Bundesregierung zuversichtlich: Trotz durchwachsener Kommentare in den Medien und heftiger Kritik der Opposition an der eher mageren Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze um nur fünf Euro im Monat, verbunden mit einem „Bildungspaket“ für Kinder, schien die Mehrheit im Bundesrat für das Gesetz zu stehen.

Man war bereits ein bisschen stolz auf sich, in einer nicht gerade populären Sache „gestanden“ und weder der Verlockungen der Meinungsumfragen noch den Mehrdeutigkeiten eines Verfassungsgerichtsurteils nachgegeben zu haben: Wenn die Haushaltslage eine kräftige Erhöhung nicht hergibt, muss es bei einer geringen Anpassung bleiben – zumal die Wirtschaftsexperten sowieso vor weiterer Aufblähung des im internationalen Vergleich unverändert üppigen deutschen Sozialstaates warnen.

Doch nichts wurde daraus. Überraschend kurzfristig, nur vier Tage vor der Abstimmung im Bundesrat, kam aus Saarbrücken das „Aus“. Die Grünen an der Saar waren (Stand Dienstag Abend) nicht bereit, das schwarz-gelbe Gesetz mitzutragen.

Nun ist der Zeitdruck groß: Schon zum 1. Januar hätte das Gesetz in Kraft treten sollen, ja müssen wegen der Vorgabe aus Karlsruhe. Dass die Grünen an der Saar so kurzfristig zum Strich durch die Rechung der Regierung Merkel angesetzt haben, gilt bei Union und FDP als ziemlich heimtückisch.

Ganz überraschend kommt die Androhung der Blockade allerdings doch wieder nicht. Die Saar-Grünen hatten sich auf ein „Ja“ noch nicht festgelegt, und generell – das Hamburger Beispiel hat es gezeigt – sucht die Öko-Partei momentan die offene Auseinandersetzung mit der Union. Die Umfragen sind für sie blendend. Kein Wunder, dass die Grünen nun versuchen, wie in Hamburg vorgezogene Wahlen zu erzwingen und so „aus Stimmungen Stimmen zu machen“ oder aber die Bundesregierung in ähnlicher Weise herauszufordern, wie in Stuttgart den dortigen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Man muss jedenfalls kein Insider der Grünen sein, um annehmen zu können, dass die Herausforderung des vergleichsweise winzigen saarländischen Landesverbandes der Grünen unter dem überregional kaum bekannten Hubert Ulrich nicht ohne enge Abstimmung mit der Bundespartei geschehen sein dürfte.

Die Bundesregierung ist allerdings entschlossen, sich nicht vorführen oder erpressen zu lassen. Falls die Grünen am Freitag im Bundesrat „blank ziehen“ sollten, könnte bereits 72 Stunden später, am Montag, der Vermittlungsauschuss tagen, hat die CDU erklärt. FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger bietet der Opposition halb kulant, halb drohend ein „Blitz-Vermittlungsverfahren“ binnen Tagen an, damit das Gesetz wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert am 1. Januar in Kraft treten kann. Dazu würde man den Bundesrat zu einer Sondersitzung am 27. Dezember einberufen, damit er erneut über den Gesetzesvorschlag abstimmen könnte.

Die erkennbare Hoffnung der Grünen, mit einer Blockadepolitik à la Lafontaine nicht nur ein wichtiges schwarz-gelbes Projekt zu torpedieren, sondern sogar noch sagen zu können, die Regierung Merkel arbeite mit verfassungswidrigen Sozialgesetzen, ist politisch reizvoll, aber auch nicht ohne Risiko. Der Erpresser tut gut daran, nicht wie ein Bankräuber mit schwarzer Maske im Gesicht aufzutreten.

Und so gaben sich die Grünen von der Saar selbst zu Wochenbeginn noch immer verhandlungsbereit. „An dem Reformpaket muss es deutliche Nachbesserungen geben, sonst bleibt es bei unserem Nein“, sagte Ulrich. Er sei gesprächsbereit, sofern Berlin Angebote „im Interesse des Saarlandes“ mache.

Also immerhin regionale Interessenvertretung statt reiner Parteiegoismus’? Aber nicht doch! Es gehe den Grünen „zunächst einmal um die Reform selbst“, schob Ulrich nach. Entscheidend sei, „was sich da durchverhandeln lässt“. Die Regierungsfraktionen in Berlin vernahmen es mit Staunen und erklärten, es gebe keine Verhandlungen mit den Grünen im Saarland, da diese gar keine konkreten Forderungen gestellt hätten.

In dieser Lage hat für die Regierungsseite oberste Priorität, durch demonstrative Kulanz dafür zu sorgen, dass im Falle eines grünen „Nein“ im Bundesrat der Schwarze Peter bei den anderen liegt: Eine Blockade, die den Blockierer mehr schädigt als den Blockierten, ist politisch sinnlos und deswegen auch weniger wahrscheinlich. Vorsichtshalber lässt Ursula von der Leyen schon einmal prüfen, welche Teile des Gesetzes auch ohne Zustimmung des Bundesrates in Kraft treten könnten. Dazu gehören offenbar das geplante Schulessen und die Nachhilfe für Kinder aus einkommensschwachen Familien. Der höhere Regelsatz wiederum könnte zur Not auch rückwirkend ausbezahlt werden, womit die Verfassungsmäßigkeit gewahrt bliebe. Auch die geplante Förderung der Mitgliedschaft in Sportvereinen könnte eventuell später eingeführt werden.

Klar ist jedenfalls: Bei den Manövern von Grünen und Regierungspartei geht es nicht um die Armen im Land, sondern darum, wer hinterher als sozial oder unsozial, als Blockierer oder Gestalter, als Verfassungsbrecher oder als Verhinderer eines Verfassungsbruchs dasteht.

Die Grünen betreiben dabei knallharte Machtpolitik. Der Fehdehandschuh, den Angela Merkel ihnen in der Bundestagsdebatte – auch angesichts von Stuttgart 21 und der Wahl im Südwesten – hingeworfen hat, haben die Grünen in Hamburg und Saarbrücken (gewiss sorgfältig koordiniert mit Berlin) längst aufgenommen und giftig reagiert. Vielleicht hatte Angela Merkel ja Recht, als sie schwarz-grüne Bündnisse als „Illusionen und Hirngespinste“ abgetan hat. Konrad Badenheuer


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