28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.12.10 / Misslungene Verteidigung / Hat sich eine einst gefeierte linke Pädagogin schwer verplappert?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Misslungene Verteidigung
Hat sich eine einst gefeierte linke Pädagogin schwer verplappert?

Im Licht der neuesten Enthüllungen der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ über die Reformpädagogik bekommen einige öffentliche Aussagen Enja Riegels vom März dieses Jahres einen neuen, irritierenden Klang. Sie selbst sei in den 50er Jahren Opfer eines sexuellen Übegriffs geworden – ein Lateinlehrer habe ihr unter den Rock gegriffen. Der allerdings habe auch „ein Verhältnis mit einer anderen Schülerin gehabt“ und überhaupt: „Solche Vorgänge waren damals gang und gäbe“, behauptete Riegel und berichtete von Lehrern, die Schülerinnen auf Klassenfahrten verführt hätten, und darüber, dass Schülerinnen, die ein Verhältnis zu einem Lehrer hatten, „beneidet worden“ seien. Damals habe es eben „andere Maßstäbe“ gegeben. „Heute wissen wir, dass das Unrecht ist.“

Ob sich diese Einlassungen wirklich alle auf Riegels eigene Schulzeit in den 50er Jahren beziehen? Zeitzeugen würden das wohl bezweifeln, zumal die „68er“, zu deren Speerspitze die Reformpädagogen gehörten, erklärtermaßen die damalige „Prüderie“ überwinden wollten. Und dann noch das: „So erzählt sie [= Enja Riegel]... von einem ehemaligen Kollegen, der ein Verhältnis mit einer 15-Jährigen gehabt habe. ,Angezeigt wurde damals niemand.‘“ Diese beiden Sätze sind bei genauerer Lektüre schockierend, denn Lehrer als „Kollegen“ hatte die gefeierte Reformpädagogin in den 50er Jahren sicher noch nicht. Womöglich ist also auch diese unterbliebene Anzeige schlicht ein eigenes Versäumnis Riegels.

Erstaunlich ist auch, was aus dem in der linken Szene engagierten Fotografen und Kunsterzieher Hajo Weber wurde, der in den 70er und 80er Jahren die Proteste gegen die Atomkraft und die Startbahn West intensiv fotografiert hatte. Er war nach seinem Fehltritt für das hessische Institut für Lehrerfortbildung tätig, was alles andere als eine Degradierung war und kaum ohne Empfehlung seiner bisherigen Schulleiterin vorstellbar ist. An diesem Institut arbeitetete auch Gerold Becker, die Schlüsselfigur des Pädosex-Skandals an der Odenwaldschule.

Der Kontakt zur Odenwaldschule erwies sich als dauerhaft. Gemeinsam mit Becker jedenfalls publizierten Riegel und Weber 1997 ein Buch über die Helene-Lange-Schule, und Weber durfte sich als Fotograf für eine Ausstellung über beide Schulen betätigen. Ehemalige Odenwald-Schüler werfen Riegel zudem vor, sich nicht von Becker distanziert zu haben, als 1999 die massiven Missbrauchsvorwürfe gegen diesen öffentlich wurden. Stattdessen nannte sie ihn noch 2004 in ihrem vielbeachteten Buch über Schulreformen „meinen Freund“, dem sie herzlich danke. Ihrem verstorbenen Kollegen Weber dankte sie ebenfalls, in einem Nachruf, für seinen „unermüdlichen Einsatz für eine gute Schule in einer besseren Welt“.

Zu dieser besseren Welt trägt vermutlich kaum etwas weniger bei als eine linksgestrickte Reformpädagogik. Aber funktionierende Netzwerke in Medien. Politik und Bildungsinstitutionen haben es den betroffenen Institutionen bis in die allerjüngste Zeit ermöglicht, öffentlich dennoch gut dazustehen (siehe Kasten). K.B.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren