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18.12.10 / Konflikt eines Einwanderungslandes / USA: Schulunterricht nur auf Englisch oder auch auf Spanisch, Russisch und Chinesisch?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Konflikt eines Einwanderungslandes
USA: Schulunterricht nur auf Englisch oder auch auf Spanisch, Russisch und Chinesisch?

Die moderne Völkerwanderung, Immigration genannt, hat in den Industriestaaten ein zunehmendes Schulproblem geschaffen. Wo früher ein exzellenter Unterricht für gute Ausbildung und damit eine aussichtsreiche Zukunft der Schüler sorgte, gibt es jetzt immer häufiger Verzögerungen durch die Vielzahl der Immigranten-Kinder, die die Landessprache nicht fließend beherrschen. Es ist ein zweischneidiges Problem. Auf dem Spiel steht nicht nur das Recht der einheimischen Kinder auf eine bestmögliche Erziehung, sondern das gleiche Recht der Schüler aus neu eingewanderten Familien, die ebenfalls die Zukunft ihrer Wahlheimat ausmachen.

Wie gehen die USA damit um, das Immigrationsland Nummer eins? In den 60er und 70er Jahren, den Jahren der Bürgerrechtsbewegung, gab es bereits Forderungen auf einen zweisprachigen Unterricht für Latino- und asiatische Schüler. 1968 wurden die Schulen des Landes im Gesetz über zweisprachige Bildung („Bilingual Education Act“) gesetzlich angehalten (nicht gezwungen), zweisprachigen Unterricht anzubieten. Doch das geschah nur zögernd. In einem prominenten Rechtsfall (Lau gegen Nichols) erklärte 1974 der Oberste Gerichtshof in Washington, dass „die Gleichbehandlung von Schülern nicht darin zu sehen“ sei, „sie mit den gleichen Schulen, Lehrern, Textbüchern und Lehrstoff zu versehen. Denn Schüler, die kein Englisch verstehen, sind effektiv ausgeschlossen von jeglicher bedeutsamen Ausbildung“. Zwei Jahre später beschloss der Staat Kalifornien offiziell ein zweisprachiges Unterrichtsprogramm an seinen Schulen. Fortan galt Kalifornien als Mus-terbeispiel für diese Methode, die sich überall in den USA durchsetzte – weitgehend für spanischsprachige Schüler. Dies auch für schwierige und in den USA seltenere Sprachen wie Russisch oder Chinesisch anzubieten, ist den Schulen überlassen. Je nach vorhandenen Lehrern. Viele dieser Kinder besuchen auch Privatschulen in ihrer Sprache.

„Bilingual Education“ bedeutet üblicherweise, dass ausländische Schüler in einer Klasse ihre eigenen Schulbücher haben und der Lehrer den Stoff in beiden Sprachen erklärt. Hausaufgaben und Klassenarbeiten können in der jeweiligen Sprache gemacht werden. Zusätzlicher Englisch-Unterricht befähigt die Zugewanderten, so schnell wie möglich in reine Englisch-Klassen zu wechseln. Zugleich lernen die einheimischen Schüler automatisch ebenfalls eine zweite Sprache.

Dies wurde so gehandhabt, bis 1998 konservative Kreise in Kalifornien ein Bürgerbegehren einbrachten, die sogenannte „Proposition 227“, wonach Unterricht an den staatlichen Schulen nur noch auf Englisch abgehalten werden dürfte, mit einjähriger Vorbereitung für anderssprachige Schüler. Diese wurde nach einem gewaltigen Werbefeldzug von 61 Prozent der Bevölkerung angenommen. Es war das Ende des zweisprachigen Unterrichtsmodells. Nach zwölf Jahren ist der erbitterte Streit darüber, was besser sei, noch nicht beendet. Nach Standard-Tests hat sich zwar die Sprach- und Lesefähigkeit der Immigranten-Schüler in reinen Englisch-Klassen verdoppelt. Nach anderen Untersuchungen hat sich aber die Kluft zwischen einheimischen und zugewanderten Schülern in Mathe und in den Naturwissenschaften vergrößert.

„Es funktioniert einfach nicht“, sagt Grace McField, Professorin für mehrsprachige und multikulturelle Erziehung. Ein Vorbereitungsjahr ist offensichtlich zu wenig für die meisten Schüler.

Ron Unz, Präsident der „English for Children“-Organisation, die die Proposition 227 mit lancierte, wischt das beiseite: „Das ganze zweisprachige System war ver-rückt. Jeder ist froh, dass es weg vom Fenster ist … Die müssen Englisch lernen, basta. Sonst werden sie es ganz schön schwer haben.“ Andere Fachleute sehen das Problem jedoch subtiler. Stephen Krashen, Professor an der University of Southern California, hält nichts von Standard-Tests, sondern schlägt eine offizielle Untersuchung vor, die eine Gruppe von Schülern in zweisprachigem Unterricht mit einer sprachlich und kulturell gleichgearteten reinen Englisch-Klasse über einige Zeit hinweg vergleicht. Und Joe Navarro, lange Lehrer in zweisprachigen Klassen und bis heute frustriert über die Abschaffung der Zweisprachigkeit, sieht besorgt auch einen anderen Aspekt: „Früher lernten die Kinder, beide Sprachen zu beherrschen. Jetzt werden sie in ausschließliches Englisch geworfen und damit oftmals auch ihren Familien entfremdet. Weil sie ihre Muttersprache verlernen. Plötzlich können sie sich nicht mehr mit ihrem Großvater unterhalten.“ Liselotte Millauer


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