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18.12.10 / Mit sparsamem Spiel den Punkt getroffen / Zum 80. Geburtstag von Armin Mueller-Stahl – Der Schauspieler, Schrifsteller und Maler begeistert immer wieder sein Publikum

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Mit sparsamem Spiel den Punkt getroffen
Zum 80. Geburtstag von Armin Mueller-Stahl – Der Schauspieler, Schriftsteller und Maler begeistert immer wieder sein Publikum

Am 23. Dezember strahlt der Fernsehsender Arte Heinrich Breloers Kinofilm „Buddenbrooks – Ein Geschäft von einiger Größe“ in erweiterter Fassung als Zweiteiler aus. Den Konsul Jean Buddenbrook spielt Armin Mueller-Stahl.

Auch andere prominente Namen stehen auf der Besetzungsliste: Iris Berben (als Konsulin Bethsy Buddenbrook), Jessica Schwarz (als Tony) und August Diehl (als Christian Buddenbrook). Der Film um Glanz und Gloria einer Lübecker Kaufmannsfamilie wurde von Heinrich Breloer mit großem Aufwand in Szene gesetzt. In 152 Minuten erzählt er die Geschichte nach, die Thomas Mann (1875–1955) auf 1000 Buchseiten 1901 veröffentlicht hat. 16,2 Millionen Euro hat das Vorhaben verschlungen und wurde so zur bisher aufwendigsten rein deutschen Produktion der Filmgeschichte. Ähnlich wie Manns Roman „Buddenbrooks“ hat sich der Film als Exportschlager erwiesen. Er wurde bisher in rund 80 Ländern gezeigt.

Es ist die vierte Verfilmung der spannungsreichen Familienchronik, für die Thomas Mann 1929 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde. Bereits 1923 wurde ein Stummfilm zu den „Buddenbrooks“ gedreht, es folgten 1959 ein Tonfilm fürs Kino und 1978 eine Adaption für das Fernsehen. Schon damals spielte die deutsche Schauspieler-Elite mit: Liselotte Pulver, Nadja Tiller, Hansjörg Felmy, Lil Dagover, Werner Hinz, Hanns Lothar (1959) sowie Carl Raddatz, Martin Benrath und Ruth Leuwerik (1978).

Diesmal ist es vor allem der Hollywoodstar Armin Mueller-Stahl, der dem Film besonderen Glanz verleiht. Schon 2001 brillierte er in Breloers Doku-Drama „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ in der Rolle des Thomas Mann (zu sehen noch einmal auf Arte am 29. und 30. Dezember). Diese Darstellung wird mitunter als die gelungenste seiner Karriere angesehen.

In ihrer jetzt als Taschenbuch im Berliner Aufbau Verlag erschienenen Biografie (erweiterte und aktualisierte Ausgabe, 12,95 Euro) schreibt Gabriele Michel über Armin Mueller-Stahl: „So wie er in der Malerei möglichst sprechende, komprimierte Ausschnitte zur Darstellung bringt und von der Musik her kommend auf Genauigkeit im Timing und bei der Intonation achtet, so spielt er auch. Sparsam und punktgenau. Er folgt einem inneren Regisseur, dessen oberste Maxime mit Vivaldi gesprochen lautete: Wenn eine Geige genügt, setzte niemals zwei ein.“ Und Michel zitiert den Freund und Kollegen Mueller-Stahls, den Schauspieler Dietmar Mues: „Er zeigt, indem er verbirgt. Durch diese Kunst fesselt er uns. Immer ist da etwas Verborgenes, Undurchsichtiges, etwas Beängstigendes und zugleich Vertrautes … Es ist etwas in seinem Gesicht und Ausdruck. Ohne es zu merken, fällt man in dieses Gesicht hinein und löst sich auf.“

Allein diese Zitate zeigen, dass sich hinter dem Namen Armin Mueller-Stahl gleich mehrere Begabungen verbergen. Er spielt die Geige virtuos, hat auf den Brettern großer deutscher Bühnen gestanden, verkörpert in Filmen und im Fernsehen immer wieder meisterhaft besondere Charaktere, schreibt Bücher und malt.

Geboren am 17. Dezember 1930 im ostpreußischen Tilsit, wuchs Armin Mueller-Stahl in der Geborgenheit einer großen Familie auf. Die Ferien bei den Großeltern im masurischen Jucha sind ihm bis ins hohe Alter unvergesslich geblieben. „Die Wurzeln der vielseitigen Begabung und Produktivität dieses Künstlers“, so liest man in der spannend geschriebenen Biografie von Gabriele Michel, „liegen offenkundig hier. In einer Familie, in der jeder irgendwie Theater spielte, sang, ein Instrument spielte, zeichnete oder schrieb.“ Die Karriere als Schauspieler begann für Mueller-Stahl 1952 am Theater am Schiffbauerdamm in Ost-Berlin. Zuvor hatte er die Musikhochschule besucht sowie Geige und Gitarre studiert. Seine Liebe zur Musik, zu Chansons sollte ihn nie verlassen. 1953 wurde er in das Ensemble der Ost-Berliner Volksbühne aufgenommen. Und bald meldeten sich auch das noch junge Fernsehen und der Film, wo er mit den besten Regisseuren der damaligen DDR zusammenarbeitete („Nackt unter Wölfen“, „Jakob der Lügner“). Als er 1976 die Petition gegen die Ausbürgerung des Sängers Wolf Biermann unterschrieb, wurde er „von oben“ zur Untätigkeit verbannt. Über diese Zeit schrieb er schließlich sein erstes Buch „Verordneter Sonntag“. Nach seiner Übersiedlung in den Westen 1980 fand er sofort Anschluss. Der große Erfolg aber trat ein, als Rainer Werner Fassbinder ihn für die Hauptrolle in „Lola“ engagierte. Für diese Rolle wurde Mueller-Stahl mit dem Bundesfilmpreis ausgezeichnet.

„Die Sehnsucht der Veronika Voss“, „Bittere Ernte“, „Utz“, „Music Box – Die ganze Wahrheit“, „Night on Earth“, „Das Geisterhaus“, „Der Kinoerzähler“, „Der Unhold“, „Illuminati“ sind Titel, in denen Mueller-Stahl in Deutschland und in den USA Erfolge feierte. Für seine Darstellung des Peter Helfgott in „Shine“ wurde er in Australien in der besten Nebenrolle ausgezeichnet und 1997 für den Oscar nominiert. Sein Lebenswerk fand Anerkennung mit der Verleihung der Berlinale-Kamera. Er erhielt den Grimme-Preis und den deutschen Filmpreis für sein Lebenswerk. Neben deutschen Auszeichnungen fand Mueller-Stahl auch Anerkennung im Ausland. So wurde ihm 1998 vom Spertus Institute of Jewish Studies in Chicago die Ehrendoktorwürde verliehen: „Durch den Ihnen eigenen künstlerischen Stil und Ihr besonderes Feingefühl haben Sie deutlich gemacht, dass Kultur nicht nur ein kostbares Vermächtnis der Vergangenheit ist, sondern auch eine wirksame Kraft sein kann, um die Gegenwart zu veredeln und eine reiche Zukunft zu gestalten“, hieß es in der Laudatio.

Als Mueller-Stahl 2003 den Quadriga-Preis erhielt, der alljährlich an vier Persönlichkeiten vergeben wird, die durch ihr Engagement ein Zeichen für Aufbruch, Erneuerung und Pioniergeist gesetzt haben, hielt Sir Peter Ustinov die Laudatio. „Die Charakterdarsteller unter uns sind die besten, weil sie den weitesten Horizont haben müssen und auch andere Begabungen“, so Ustinov. „Und diese Begabungen hat Armin Mueller-Stahl auch eingesetzt. Er kann Thomas Mann nicht deshalb so überzeugend spielen, weil er ihm ähnelt, sondern weil er auch Schriftsteller ist. Dabei ist er nicht nur vielseitig begabt – er ist einer der sehr raren Schauspieler, die als Charakterdarsteller auch große Stars geworden sind.“

Eigentlich wollte er schon seit längerem kürzertreten, nicht mehr so viele Filme drehen, um mehr Zeit zu haben, zu malen oder grafisch zu arbeiten und auch Bücher wie „Unterwegs nach Hause“, „In Gedanken an Marie Louise“, „Hannah“ zu schreiben. Irgendwie findet er trotz der Arbeit am Set die Muße für seine anderen Interessen. So sind seine treffsicheren Skizzen, die er kur­zerhand auf die Seiten der Drehbücher zeichnete, wahre Meisterwerke. Anlässlich des 80. Geburtstages Armin Mueller-Stahls zeigt das Ostholstein-Museum in Eutin vom 5. Dezember 2010 bis 30. Januar 2011 über 80 seiner aktuellen Arbeiten. Es handelt sich dabei ausschließlich um Unikate in Öl, Acryl, Aquarell und Bleistift, die sich Themen wie dem Menschen und seinem Handeln, der Musik, der Landschaft, dem Film und der eigenen Vergangenheit widmen. Diese Arbeiten vermitteln aufgrund ihrer Aktualität, aber auch wegen ihrer persönlichen, biografischen Note ein eindrucksvolles Bild des künstlerischen Schaffens Armin Mueller-Stahls. Allem Erfolg zum Trotz – Armin Mueller-Stahl wird sich kaum auf seinen Lorbeeren ausruhen. „Man muss an die eigenen Produktionen immer wieder zweifelnd herangehen, um nicht stehen zu bleiben“, hat er einmal gesagt. „Im Grunde mag ich nicht mehr bewundert werden oder bewundern müssen, beides war nie mein Lebensziel. Wofür auch? Wenn ich eine gute Arbeit mache, bekomme ich sowieso mehr Lob, als es in anderen Berufen üblich ist.“ An diesem Freitag wird Armin Mueller-Stahl 80 Jahre alt. Und wer ihn kennt, der weiß, dass er sich noch lange nicht zum alten Eisen zählt. „Leben bleibt anstrengend, bis zum Schluss. Es ist wie Rad fahren: Wenn man aufhört zu treten, fällt man um.“ S. Osman


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