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18.12.10 / Verglühter Stern / Biographie über die grüne Aktivistin Petra Kelly – Moralischer Rigorismus

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Verglühter Stern
Biographie über die grüne Aktivistin Petra Kelly – Moralischer Rigorismus

In den 1970er Jahren stieg sie in die Avantgarde der Umweltschutz- und Friedensbewegung auf, gehörte 1979 zu den Gründungsmitgliedern der Partei „Die Grünen“ und erhielt 1982 den alternativen Nobelpreis: Petra Kelly (1947–1992), die für viele aufgrund ihres unermüdlichen Engagements für Frieden und Gerechtigkeit zum Vorbild wurde. In der Bundesrepublik Deutschland kanalisierte und artikulierte sie die Sorgen der Bevölkerung um den Weltfrieden angesichts der atomaren Bedrohung zur Zeit des Nato-Doppelbeschlusses sowie aufgrund der zivilen Nutzung der Kernkraft. Darüber hinaus forderte sie die Einhaltung der Menschenrechte auch auf internationaler Ebene ein. Die 1978 geborene Politikwissenschaftlerin Saskia Richter hat mit ihrem Buch „Die Aktivistin – Das Leben der Petra Kelly“ eine Biographie über diese außergewöhnliche und umstrittene Frau vorgelegt, die mit ihrer Vision von einer Welt ohne Herrschaft und Gewalt eine große Strahlkraft entwickelte. Die Autorin nennt als Begründung für die Themenwahl der ihrem Buch zugrunde liegenden Dissertation unter anderem, dass es bis dahin keine mit emotionaler Distanz geschriebene Biographie Kellys gegeben habe.

Petra Kelly wurde 1947 im bayrisch-schwäbischen Günzburg geboren. Mit ihrer Familie zog sie 1960 in die USA, wo sie später während ihres Studiums an Protestdemonstrationen gegen den Vietnamkrieg teilnahm und im Wahlkampf für Robert F. Kennedy und Hubert H. Humphrey warb. 1972 bis 1982 war sie für die Europäische Kommission in Brüssel tätig, 1983 zog sie erstmals in den Bundestag ein. Immer mehr hatte sie damals außer mit gesundheitlichen auch mit psychischen Problemen zu kämpfen. Über den Tod ihrer Halbschwester Grace, die mit zehn Jahren an Krebs starb, kam sie nicht hinweg. 1987 wurde Petra Kelly in der „Neuen Zürcher Zeitung“ als idealistische Einzelkämpferin bezeichnet. Was war geschehen? Innerhalb ihrer Partei traten Mitte der 80er Jahre Flügelkämpfe auf, wobei Kelly auf Distanz ging, nachdem die Grünen in Hessen erstmals Regierungsverantwortung übernommen hatten und mit Joschka Fischer den Umweltminister stellten. Ihre Starrolle hatte sie parteiintern aber schon vorher eingebüßt, da ihr die Fähigkeit zur Parteiarbeit abging. Bei der Bundestagwahl 1990 wurde sie von den Grünen nicht mehr als Kandidatin aufgestellt. Ihr Leben endete gewaltsam zu einem Zeitpunkt, als sie sich in einer tiefen Krise befand: Am 1. Oktober 1992 wurde Petra Kelly von ihrem 22 Jahre älteren Lebensgefährten Gert Bastian, Bundeswehrgeneral a. D., frühmorgens im Schlaf erschossen. Anschließend richtete sich der Täter selbst. Man fand die Toten erst drei Wochen später. Über das Tatmotiv herrscht nach wie vor Ungewissheit.

Auf die Mutmaßungen über mögliche Motive des sogenannten „Doppelselbstmords“ – auf diesen Begriff legte sich die Staatsanwaltschaft merkwürdigerweise fest – geht die Autorin nur am Rande ein. Es gibt dazu keine neuen Erkenntnisse. Bereits 1993 hatte sich Alice Schwarzer mit ihrer Fallstudie „Eine tödliche Liebe – Petra Kelly und Gert Bastian“ gegen die, wie sie es nannte, Verlogenheit im Umgang mit der Tat gewandt. Schwarzer glaubte an eine Beziehungstat. Alternativ wurde seinerzeit auch die Möglichkeit der Beteiligung Dritter in Betracht gezogen, doch fanden sich keine stichhaltigen Hinweise.

Hinsichtlich der Überarbeitung des wissenschaftlichen Textes mit dem Ziel, ein Sachbuch für ein größeres Publikum herauszugeben, hätte man sich im Detail oftmals mehr Aufmerksamkeit gewünscht. Doch überzeugt die Autorin mit ihrem Ansatz, den Aufstieg und das Scheitern Petra Kellys in engem Bezug zur gesellschaftspolitischen Entwicklung der 70er und 80er Jahre zu untersuchen. Mit ihrem Namen ist die Spaltung der grünen Partei in einen fundamentalistischen und einen realpolitischen Flügel verbunden. Richter beschreibt Petra Kelly als eine charismatische Persönlichkeit, die sich bis zur Erschöpfung verausgabte, dann aber mit ihrem moralischen Rigorismus das Erreichte verspielte, da sich im Prinzip Gleichgesinnte von ihr distanzierten. Dagmar Jestrzemski

Saskia Richter: „Die Aktivistin – Das Leben der Petra Kelly“, DVA, München 2010, gebunden, 523 Seiten, 24,99 Euro


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