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18.12.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel / Eine Schande! / Wie Deutschland seine Wärter vergrätzt, wann wir endlich solidarisch sein können, und ob Westerwelle die Böschung hochkommt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-10 vom 18. Dezember 2010

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Eine Schande! / Wie Deutschland seine Wärter vergrätzt, wann wir endlich solidarisch sein können, und ob Westerwelle die Böschung hochkommt

Die Deutschen werden in der EU immer unbeliebter, zischen uns Diplomaten und Korrespondenten zu. Der langjährige EU-Kommissar Günter Verheugen berichtet, in Brüssel halte man uns für „eigensüchtig“. Die Überraschung: Der SPD-Politiker sieht das ganz genau so. Dass Jean-Claude Juncker uns zu Anti-Europäern erklärt hat, war also keine verrutschte Einzelmeinung.

Warum hacken die nur alle so auf uns ein? Haben wir nicht immer das meiste bezahlt, immer hübsch nachgegeben, wenn andere auf die Pauke gehauen haben? Und artig auch noch den Kellner gespielt, wenn ein „Partner“ seine nationalen Vorteile vom europäischen Buffet ziehen wollten? Und ob wir das haben! Wie ungerecht die alle sind.

Das meinen zumindest wir, die beschimpften Teutonen. Die Wahrheit ist: Wir Deutsche haben das ganze System nicht verstanden. Daher rührt der Ärger. Günter Verheugen klärt uns auf: Die europäische Einheit gebe es allein wegen Deutschland, besser gesagt: gegen Deutschland. Das „Projekt“ sei nämlich nur notwendig geworden, damit wir nicht wieder zu einer Gefahr würden. Als EU-Erweiterungskommissar war Verheugen einer der loderndsten Anhänger einer Aufnahme der Türkei. Vermutlich auch wegen der deutschen Bedrohung, aus der sich Ankara nur mit Brüssels Hilfe und unserem Geld befreien könnte.

Wie, warum und womit wir unsere Nachbarn „gefährden“, erläutert er bedauerlicherweise nicht. Weiß vielleicht Wikileaks was von geheimen Wunderwaffen? Oder sind die so geheim, dass nicht mal Westerwelles Büroleiter dahinterkam?

Verheugen lässt uns mit unseren düsteren Ahnungen im Regen stehen. Er ist aber kein Unmensch. Um uns die Zeit zu vertreiben, führt er ein intellektuelles Kunststück der erlesenen Sorte auf: Nachdem er die Europäische Union zu Deutschlands Gefängnishof erklärt hat, fordert er nämlich von uns Inhaftierten, wir sollten unseren Wärtern auch noch zutiefst dankbar sein und „ein Stück der Solidarität zurück­geben, die wir über Jahrzehnte erfahren haben“.

So, so: Der ewige Hauptnettozahler soll „ein Stück der Solidarität zurückgeben“, die ihm die freundlichen Nettoempfänger „über Jahrzehnte“ gnädig gewährt haben. Dieser Satz muss ganz langsam den Gaumen runter, um sein volles Aroma zu entfalten – bevor es einem unweigerlich wieder hochkommt.

Verheugen hat uns wirklich weitergeholfen zum Verständnis der Verbitterung unserer EU-Freunde: Wenn die früher was von den Deutschen wollten, dann trafen sie auf die Sorte Verheugen. Wenn der sich mal nicht gleich zu Boden warf, mussten sie nur das Lied der „deutschen Schuld“ anstimmen, da war der Scheck unterschrieben, noch bevor sie ihren gekonnten Gesichtsausdruck Marke „Mahnendes Opfer“ aufsetzen konnten. Deshalb herrschte nach den „harten Verhandlungen“ auch immer so eine „entspannte Atmosphäre“. Und deshalb wimmelte es selbst nach den (scheinbar) „heftigsten Meinungsverschiedenheiten“ überall bloß von „Gewinnern“.

Das hat sich offenbar geändert: Plötzlich kann es unter Umständen Wochen dauern, bis die Deutschen die Kasse ihres Volkes dem solidarischen Zugriff öffnen. Eine Schande: Das ist man in Europa nicht gewöhnt. So hatte man nicht gewettet. Und darauf will man sich verständlicherweise auch nicht einlassen.

Was reitet die deutschen Politiker nur? Wie können sie die europäische Idee so schmählich verraten? Der Grund ist so einfach wie grausam: Zum eigenen Erschrecken sehen die Deutschen in ihrem einst prallen Scheckheft langsam die Pappe durchscheinen. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist Deutschland seit Einführung des Euro in der europäischen Rangliste von Platz drei auf Platz zehn abgerutscht. Die Berliner Politiker würden Verheugens Rat gern folgen und für unsere Schutzhafthaft, Verzeihung, für die Solidarität der Partner weiter jeden erdenklichen Betrag hinblättern. Doch sie haben Angst.

Wovor? Vor uns! Den dauergefährlichen Deutschen! Die Ursache unserer Gefährlichkeit liegt, wie könnte es anders sein, in der Geschichte. Als dieses Land vor gut 60 Jahren die ersten Schritte zur Wiedererlangung seiner Souveränität machte, gab es weder die EU noch Politiker wie Günter Verheugen. Daher verfiel man auf die verhängnisvolle Idee, den neuen Staat ziemlich demokratisch zu verfassen. Folge: Heute haben wir das Wahlrecht und können damit Unfug treiben. Es ist nämlich nicht ausgemacht, dass die Deutschen ihren Politikern die Plünderung des Landes verzeihen. Sie sind manchmal furchterregend uneinsichtig.

Davon eingeschüchtert zögert Berlin die Zahlungen hinaus. So können Merkel und Schäuble hinterher damit prahlen, wie emsig sie für die Interessen der deutschen Steuerzahler gekämpft haben. Hätte Günter Verheugen schon 1949 etwas zu sagen gehabt, er wäre dieses verantwortungslose Experiment „Demokratie“ nie eingegangen. Immerhin tut Brüssel heute alles, um den Geist per Entmachtung der nationalen Parlamente wieder in die Flasche zu bekommen.

Ja, es ist ein Wettlauf mit der Zeit: Ist die Demokratie schon enthauptet genug, damit wir in Europa endlich volle Pulle „solidarisch“ sein können? Oder ist da noch zu viel Macht bei den Völkern, zumal beim gefährlichsten von allen? Man wird sehen.

Zumindest hat uns Verheugen die Augen geöffnet: Er hat laut gesagt, was selbst die verstocktesten EU-Skeptiker zuletzt nur noch in schalldichten Hinterzimmern zu nuscheln wagten. Für die ist die EU nichts als eine Sowjetunion mit buntem Zuckerguss. Die Farbe soll bald verschwinden, wenn’s nach Brüssel geht. Zuerst von den Zigarettenschachteln. Alle gleich weiß mit schwarzer Aufschrift und Warnhinweisen, damit sie uns nicht mehr „zum Kauf verführen“. Das Beispiel sollte Schule machen. Auf irgendeine Weise ist ja alles ungesund, was uns im Supermarkt geboten wird. Wenn die Eurokraten dann durch sind mit ihren Maßnahmen zum „einheitlichen Verbraucherschutz“, dann werden so manche Deutsche Tränen der Nostalgie vergießen in der Erinnerung an die kunterbunte Warenwelt ihrer Kindheit in der HO-Kaufhalle.

Ja, die DDR – ihr Ende kam schnell. Es begann damit, dass man der Führung kein Wort mehr glaubte und die Leute anfingen, zu Tausenden wegzulaufen. Als die Führung zaghaft Reformen ankündigte, war es zu spät.

Wolfgang Kubicki hat sich die historischen Szenen in alten ARD-„Brennpunkten“ angeguckt und überall FDP gesehen. Die Parteibasis löse sich auf, die Führung schotte sich ab und die Reform, ein neues Parteiprogramm, solle erst 2012 kommen. „Dann kann kaum noch jemand das Programm vertreten“, so der Nord-Liberale, weil „unsere Anhänger wahrscheinlich weg sind.“

Das war sehr kränkend. Eine bislang unbekannte Frau Homburger, die behauptet, in der FDP einen Posten zu bekleiden, nennt Kubicki „unqualifiziert“. Guido Westerwelle hat sich auch geäußert. Mitten im dunkelsten Wald, wo von nirgends ein Lichtlein herkommt für die Liberalen, verspricht der FDP-Chef, dass es nächstes Jahr wieder aufwärts geht. Ganz bestimmt. Und warum? Westerwelle: „Weil die Bürgerinnen und Bürger im Land ...“ – an der Stelle habe ich umgeschaltet. Da guck ich mir doch lieber die Werbepause auf RTL 2 an.

Vielleicht ist es das: Wenn Minister Westerwelle zu einem Satz anhebt, kennt man ihn schon, bevor er gesprochen wurde. Wo andere sich schon mal eine halbwegs neue Idee, eine beinahe spannende Forderung leisten, da bleibt der Chefliberale stur auf Pfaden, die dermaßen tief ausgetreten sind, dass er bald darin zu versinken droht. Verstört blickt Westerwelle nun in die leeren Gesichter seiner faden Parteikollegen in Berlin und fragt sich, wie man mit denen die Böschung hochkommt. Armer Guido.


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