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25.12.10 / Der Staat fördert die Maisplage / Förderung von Biogas-Anlagen treibt seltsame Blüten - Niedersachsen startet Bundesrat-Initative

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Der Staat fördert die Maisplage
Förderung von Biogas-Anlagen treibt seltsame Blüten - Niedersachsen startet Bundesrat-Initative

Verdrängung von Nahrungsmitteln und somit steigende Lebensmittelpreise, Monokulturen und steigende Pachtpreise bei unangebrachten Gewinnen auf der anderen Seite sind die bizarren Folgen der jetzigen Förderung von Biogas-Anlagen.

Hans-Heinrich Sander (FDP) kann vermutlich nicht mehr sagen, bei wie vielen Grundsteinlegungen und Einweihungen von BiogasAnlagen er gewesen ist, seitdem er 2003 das Amt des niedersächsischen Umweltministers übernommen hat. Er weiß aber, dass er sich am 17. Dezember den Zorn all jener, die er bei diesen Veranstaltungen getroffen hat, zugezogen hat. An diesem Tag stellte er nämlich im Bundesrat den Antrag, das Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG) hinsichtlich der Förderung von BiogasAnlagen zu überarbeiten und die Subventionen zu kürzen.

Dass der Antrag gerade aus Niedersachsen kommt, mag überraschen, denn gerade dieses Bundesland hatte die Biogas-Branche begeistert unterstützt. Anträge für den Neubau von Biogas-Anlagen wurden stets begrüßt. Doch nun bekommt Niedersachsen als Vorreiter auch zuerst die negativen Folgen dieses Bau-Booms zu spüren. Von den bundesweit 6000 Anlagen stehen in etwa 1000 in dem zweitgrößten Flächenland. Sie erzeugen alle zusammen etwas über 500 Megawatt, also in etwa so viel wie ein kleines Kohlekraftwerk. Gleichzeitig werden aber inzwischen etwa elf Prozent der niedersächsischen Ackerfläche nur noch für den Anbau von Biogas-Energiepflanzen genutzt. Hierbei handelt es sich überwiegend um Mais, da der Anbau dieser Pflanze am besten gefördert wird und der Wirkungsgrad besonders gut ist. Etwa 90 Prozent der Biogas-Anlagen laufen mit Mais, obwohl auch Nahrungsreste, Gülle, Stallmist und Fette umweltfreundlich hier verwertet werden könnten. Aber die Verwendung von Mais ist für die Anlagenbetreiber einfacher und sauberer und für die Landwirte im Umland ein sicheres Geschäft. Da der Preis pro Kilowattstunde Strom feststeht, ist das Investment in eine Biogas-Anlage ein gutes Geschäft. Umsatzrenditen von 45 Prozent sind bei Betreibern von Biogas-Anlagen durchaus nicht ungewöhnlich. Und Landwirte, die in den letzten Jahren mit den Folgen schwankender Preise bei Milch und Fleisch zu kämpfen hatten, freuen sich über zahlungskräftige Abnehmer von ihrem Mais.

Weniger erfreut sind allerdings die Nahrungsmittelhersteller. So werden im Oldenburger Münsterland allmählich die Kartoffeln knapp, wie der "Spiegel" berichtet. So soll Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bereits einen Brandbrief erhalten haben, in dem beklagt wird, dass die Überförderung von Biogasbetreibern dafür sorgt, dass Landwirte für den Anbau von Mais etwa 200 Euro pro Hektar mehr bekommen als sie es für Roggen oder Weizen bekämen. Das führe zur Verknappung von anderen Lebensmitteln, was wiederum zu höheren Preisen führe und der Notwendigkeit, Nahrungsmittel und Tierfutter verstärkt zu importieren.

"Der Verbraucher zahlt doppelt: einmal bei der Stromrechnung über die EEG-Abgabe und zweitens über höhere Lebensmittelpreise", klagen andere Nahrungsmittelhersteller wie Agrarfrost, Schne-frost und die Emsland Group. Und weil auch die Landwirte in Bayern auf Mais setzen, wird 2011 das Bier teurer. Und in Nordrhein-Westfalen kommt inzwischen auch Landwirtschaftsminister Johannes Remmel ins Grübeln über die Folgen der Mais-Monokultur für die Umwelt. Dies ist besonders interessant, denn Remmel gehört den Grünen an, die derzeit versuchen, das fast fertige Kohlekraftwerk Datteln 4 mit einer Leistung von 1050 Megawatt zu verhindern.

"Wir haben eine Überförderung in dem Bereich und diese Überförderung führt einfach dazu, dass man Mitnahmeeffekte erzielt und das kann man einfach nicht verantworten. Dann müssen wir in Zukunft dafür sorgen, dass nicht Fehlentwicklungen in den Erneuerbaren Energien auftreten, die dann die Akzeptanz für alle Erneuerbaren Energien in Frage stellen", begründet Sander seine Initiative beim Bundesrat und bekommt für diese Argumente sogar Beifall von den Grünen im niedersächsischen Landtag. "Es ist sicher sinnvoll, dranzugehen, an die Fördergrundsätze, da läuft vieles in die falsche Richtung, aber jetzt scheint der Umweltminister nur pauschal kürzen zu wollen und wir wollen es umgestalten, dass es in die ökologische Richtung geht, eben keine Vermaisung mehr zulassen, die Förderung wirklich in Richtung von Abfallprodukten lenken und eine ökologische Fruchtfolge vorzuschreiben", fügen diese noch hinzu.

Selbst vom Landvolk Niedersachsen gibt es Zustimmung, auch wenn bisher viele Landwirte von dem Biogas-Boom profitieren. "Das führt zu Pachtpreissteigerungen, dass andere Betriebe, die keine Biogasanlage haben, dass die dann am Pachtmarkt kaum noch mithalten können. Und es ist wichtig, dass man genau an den Stellen nachjustiert, wo das EEG Fehler hat."

Und auch Umweltschutzverbände wie BUND und Nabu schließen sich dem Begehren des niedersächsischen Ministers an. Wobei sie vor allem die Artenvielfalt und den tropischen Regenwald im Blick haben, denn der müsse schließlich verstärkt abgeholzt werden, um den durch das EEG entstandenen deutschen Bedarf an Energiepflanzen zu bedienen.

Ob die anderen Bundesländer und die Bundesregierung jedoch das Anliegen aus Hannover umsetzen, ist fraglich. Schließlich will man bis 2020 ein Fünftel des Energieverbrauchs aus Erneuerbaren Energien decken. Bereits heute leistet die Energie, die aus Biomasse gewonnen wird, in Deutschland mit einem Anteil von rund 70 Prozent an den Erneuerbaren Energien den größten Beitrag. Sonnenenergie und Windenergie werden aus verschiedenen Gründen inzwischen ausgebremst. Bleibt also eigentlich nur noch die Bioenergie, wenn Berlin an dem Ziel für 2020 festhalten will.       Rebecca Bellano


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