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25.12.10 / Visionärer Vordenker der Moderne / Im 200. Todesjahr des Malers Philipp Otto Runge sind dem Maler aus Pommern eine Ausstellung und Publikationen gewidmet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Visionärer Vordenker der Moderne
Im 200. Todesjahr des Malers Philipp Otto Runge sind dem Maler aus Pommern eine Ausstellung und Publikationen gewidmet

Es war ihm nur eine kurze Zeit vergönnt, sich dem Liebsten zu widmen, das er besaß, der Kunst. Der Maler Philipp Otto Runge wurde nur 33 Jahre alt. In seinem 200. Todesjahr hat ihm die Hamburger Kunsthalle eine umfassende Retrospektive gewidmet.

"Es hat mir von jeher auf dem Herzen gelegen, mich als Künstler zu ernähren und als solcher zu leben", schrieb er an seinen Vater. "Wie es gekommen ist, dass ich auf die Malerei verfallen bin, davon kann ich nichts anderes sagen als: Sie ist mir nun das Liebste, und ich kenne nichts besseres als sie." Heute gilt Philipp Otto Runge neben Caspar David Friedrich als der Hauptmeister der deutschen Romantik. Die erste große monographische Ausstellung nach über 30 Jahren würdigt alle Schaffensbereiche Runges vom Gemälde über den Schattenriss bis zur Farbenlehre. Dazu gibt der begleitende Katalog unter Einbeziehung der aktuellen Forschung einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk des bedeutendsten Malers der deutschen Romantik.

Die Hamburger Kunsthalle besitzt seit vielen Jahren die größte Runge-Sammlung, darunter "Die Hülsenbeckschen Kinder" aus dem Jahr 1805/06, das Kinderbild schlechthin, "Die Lehrstunde der Nachtigall" aus dem Jahr 1804/05, angeregt durch Klopstocks Ode "Die Lehrstunde", oder "Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten" aus dem Jahr 1805/06, heute ein Symbol für das Aufblühen des christlichen Morgenlandes nach dem Untergang des heidnisch-germanischen Abendlandes. Auch "Der Morgen" aus dem Jahr 1808 ist in der Hamburger Kunsthalle zu sehen, Sinnbild für das Thema Zeit, mit dem Runge sich neun Jahre lang beschäftigte. 1802/03 schuf er eine Zeichnung mit dem Titel "Vier Tageszeiten", 1808 folgte das Ölgemälde "Der Morgen", dem eine zweite, größere Version folgte, die allerdings 1890 zerschnitten wurde und erst 1927 wieder zusammengefügt werden konnte. Mit den ",Zeiten" versuchte Runge die Kräfte der von Gott geschaffenen Natur im Bild darzustellen.

Alfred Lichtwark, dem ersten Direktor der Sammlung, ist es zu verdanken, dass in Hamburg so viele Werke des Künstlers zu bewundern sind. Er schrieb 1893: "Es wird die Aufgabe der Kunsthalle sein, charakteristische Werke des seltenen Geistes zu erwerben, damit in der Sammlung zur Geschichte der Malerei in Hamburg ein Bild seines originellen Wesens gewonnen werden kann." Auf vier Schenkungen, die er bereits vorfand, baute Lichtwark die Sammlung auf und sicherte zu seiner Zeit der Kunsthalle 18 Gemälde Runges. Im Laufe der Jahre wurde die Sammlung vergrößert, auch mit Zeichnungen und Scherenschnitten, eine Kunst, die Runge meisterhaft beherrschte. Etwa 30 Blätter sind in Hamburg zu sehen, dazu rund 35 Gemälde und 150 Zeichnungen. Durch die Gegenüberstellung der Vorstudien und der Gemälde kann der Besucher die Arbeitsweise des Künstlers gut verfolgen.

Schon als Kind hatte der am 23. Juli 1777 im pommerschen Wolgast als Sohn eines Reeders geborene Philipp Otto Runge sich mit der Kunst der Schere beschäftigt und Scherenschnitte gefertigt. Meist waren es Silhouetten oder szenische Darstellungen aus weißem Papier auf blauem Karton. Während die Mutter den Künsten zugeneigt war, sah der strenge Vater den Sohn eher als Kaufmann. Und so war es dem Lehrer und Dichter Gotthard Ludwig Kosegarten zu verdanken, dass der Vater die Bestimmung des Sohnes als Künstler doch noch erkannte. Gleichwohl sollte er zuvor "etwas Anständiges" lernen und wurde zum Bruder Daniel nach Hamburg geschickt, wo er eine Kaufmannslehre absolvieren sollte.

In Hamburg begegnete Runge schließlich dem Dichter Matthias Claudius und auch dem Buchhändler Friedrich Perthes; mit beiden kam es zu einem regen Gedankenaustausch. In Hamburg nahm Runge ab 1797 auch ersten Zeichen- und Malunterricht. Kopenhagen und Dresden waren die nächsten Stationen. Er begegnete dem Dichter Ludwig Tieck, mit dem er Freundschaft schloss, und dem Philosophen Johann Gottlieb Fichte. Auch besuchte er Caspar David Friedrich in Greifswald, der ihm ebenfalls freundschaftlich verbunden war.

1804 heiratete Runge Pauline Bassenge, die ihm vier Kinder gebar. Als Daniels Firma durch den Krieg mit Frankreich in Not geriet, ging Philipp Otto mit seiner Familie zu den Eltern nach Wolgast. Dort entstanden viele seiner großen Werke. Erst im April 1807 kehrte Runge nach Hamburg zurück. Im Sommer des selben Jahres erkrankte er an Schwindsucht. Neben Familienbildern entstanden immer wieder auch Selbstbildnisse, die den Menschen Runge auch heute noch nahebringen. Einen Menschen, von dem ein Zeitgenosse sagte: "Seine Gesichtszüge waren höchst einnehmend und bedeutend. Jeder, der ihn sah, ahnte in ihm eine phantasiereiche Dichternatur..."

Runge war schließlich nicht nur ein Meister mit Pinsel und Farbe, auch das geschriebene Wort beherrschte er auf das Vorzüglichste. So schrieb er Gedichte in pommerschem Platt und hörte aufmerksam zu, wenn die Fischer die Märchen "Von dem Fischer un syner Fru" oder "Von dem Machandel Bohm" erzählten. Er schrieb sie auf - in pommerschem Platt - und schickte sie an die Gebrüder Grimm und an Achim von Arnim für die "Zeitung für Einsiedler". Das Märchen "Vom Fischer un syner Fru" wurde in viele Sprachen übersetzt, doch kaum einer weiß heute noch, dass es der Maler Runge war, der es für die Nachwelt aufschrieb. Außerdem gestaltete er auch zwei Kartenspiele. Das erste zeichnete er 1805, es zeigt die klassischen französischen Motive. Im zweiten Spiel porträtierte Runge die Helden der Befreiungskriege. Auch schuf er die eine oder andere Arbeit als angewandte Kunst, so ein Motiv für einen Vorhang in einem Operntheater, eine Urania als Ofenschirm für Matthias Claudius, einen Mondaufgang als Sofa-bekrönung für Friedrich Perthes. Runge sprach dann von der "Leimrute", mit der er sein Publikum in Dekorationen "fangen" wollte.

Philipp Otto Runge war ein typischer Vertreter der deutschen Romantik. Er lebte und wirkte in einer Zeit des Umbruchs und des Aufbruchs. Seine Werke sind noch heute Zeugnisse eines sehr fruchtbaren Kapitels deutscher Kulturgeschichte.           Silke Osman

Die Ausstellung "Kosmos Runge - Der Morgen der Romantik" in der Hamburger Kunsthalle ist bis

27. März 2011 (13. Mai bis 4. September in der Hypo-Kulturstiftung München) dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr zu sehen, Eintritt 10 / 5 Euro, der Katalog kostet ebenso wie der Tagungsband "Runge und die Geburt der Romantik" (beide aus dem Hirmer Verlag) 39,90 Euro. Zugleich sind zwei Lebensbeschreibungen Runges erschienen: die Romanbiografie von Gerhard Dallmann "Philipp Otto Runge - ... bleib bewundernd stehen" im Husum Verlag (287 Seiten, gebunden, 15,95 Euro) und der Band "Philipp Otto Runge" aus der Reihe "Hamburger Köpfe" vom ehemaligen Kunsthallendirektor Uwe M. Schneede im Ellert und Richter Verlag (208 Seiten, Leinen, 14,90 Euro).


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