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25.12.10 / Die Kaisergruft in Wien / Die letzte Ruhestätte der Habsburger: Ein Stück christlich-abendländischer Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Die Kaisergruft in Wien
Die letzte Ruhestätte der Habsburger: Ein Stück christlich-abendländischer Geschichte

Vor Jahren kursierten makabre Berichte über die Kaisergruft unter der Wiener Kapuzinerkirche, von den Wienern meist Kapuzinergruft oder Habsburgergruft genannt: Die Sarkophage seien von Zinnpest befallen, die Leichen drohten unten durchzufallen, und während Österreich vom Habsburger-Erbe profitiere, werde für dessen Erhaltung nichts getan.

Tatsächlich gab es Missstände, aber manches wurde übertrieben oder falsch dargestellt. So wurde die Zinnpest, die temperaturbedingte Umwandlung von metallischem "Beta-Zinn" in pulvriges "Alpha-Zinn", mit der chemischen Zinnkorrosion verwechselt, die durch äußere Einflüsse oder Verunreinigungen im Material selbst ausgelöst wird. Schäden gab es auch, weil sich Zierrat ablöste oder von Besuchern abgebrochen wurde. Tatsache ist leider auch, dass Weltwirtschaftskrise sowie Kriegs- und erste Nachkriegszeit einigen Nachholbedarf hinterließen. In den letzten Jahrzehnten wurde aber sehr viel getan, um die Kapuzinergruft, die zum Weltkulturerbe zählt und Jahrhunderte christlich-abendländischer Geschichte dokumentiert, nachhaltig zu sanieren und zu erhalten.

Die Gruft geht zurück auf eine testamentarische Verfügung von Kaiserin Anna, der Gemahlin von Kaiser Matthias. Beide sind in der 1633 fertiggestellten und durch ein Gitter abgetrennten "Gründergruft" beigesetzt. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Anlage mehrmals erweitert, so dass sie verschiedene Stilepochen widerspiegelt, von Barock über Biedermeier und Jugendstil bis hin zur Moderne. Denn der jüngste Zubau unter dem Innenhof des Kapuzi­nerklosters erfolgte erst 1960 bis 1962. Er ermöglichte eine bessere chronologische Anordnung und die Entlastung jenes Teils, der wie ein überfülltes Sargdepot ausgesehen hatte.

Zentraler Blickfang ist die Maria-Theresien-Gruft mit dem gemeinsamen Prunksarkophag von Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen und der habsburgischen Erbtochter Maria-Theresia, die zwar Erzherzogin von Österreich sowie Königin von Ungarn und Böhmen, aber "eigentlich" nur Kaisergattin war. Eindrucksvoller Kontrast dazu ist der schlichte Sarkophag von deren Sohn Joseph II., der ein zuweilen übereifriger Reformator war und den Wienern "wiederverwendbare" Särge zumutete. Ein weiterer Anziehungspunkt ist die Franz-Josephs-Gruft mit den sterblichen Überresten Kaiser Franz-Josephs, seiner besonders von den Ungarn bis heute hochverehrten Gemahlin Elisabeth ("Sissy") und des Kronprinzen Rudolph.

Insgesamt haben heute 146 Personen ihre letzte Ruhestätte in der Gruft, mit Ausnahme der Erzieherin von Maria Theresia durchweg geborene oder angeheiratete Mitglieder des Erzhauses. Die Kindersärge verdeutlichen, dass die Kindersterblichkeit einst in allen Ständen hoch war. Die einbalsamierten Körper befinden sich in Holzsärgen, die in Zinn- oder in Kupfersarkophagen liegen. Der Brauch einer separaten Bestattung der Eingeweide in der Herzogsgruft des Doms zu St. Stephan und der Herzen in der Herzgruft der Hofpfarrkirche St. Augustin wurde im 19. Jahrhundert aufgegeben.

In der Kapuzinergruft sind aber bei weitem nicht alle Habsburger, ja nicht einmal alle gekrönten Häupter beigesetzt. Um nur die bekanntesten zu nennen: Rudolf I., der zwar König war, aber nicht zum Kaiser gekrönt wurde, ruht in der Krypta des Doms zu Speyer. Kaiser Friedrich III. liegt im Wiener Stephansdom. Sein Sohn Maximilian I., "der letzte Ritter", ist nicht, wie von ihm geplant, in der Innsbrucker Hofkirche bestattet, sondern an seinem Geburtsort Wiener Neustadt, wohin er sich zurückzog, nachdem ihn die Tiroler vertrieben hatten. Sein Enkel Karl V. sowie die spanischen Habsburger ruhen im Klosterpalast El Escorial. Und der 1922 im Exil auf Madeira verstorbene Kaiser Karl ist dort auch bestattet. Der Herzog von Reichstadt, der Sohn von Napoleon I. und Marie Louise, der Tochter von Kaiser Franz II., wurde auf Befehl Adolf Hitlers 1940 aus der Kapuzinergruft zu seinem Vater in den Pariser Invalidendom überführt.

In der von Franz Joseph errichteten Gruft-Kapelle sind Kaiser Karls 1989 verstorbene Gemahlin Zita von Bourbon-Parma und deren Sohn Carl Ludwig beigesetzt. Es ist unschwer zu erraten, dass die zwei noch leeren Podeste daneben für Otto von Habsburg und dessen Gattin Regina von Sachsen-Meiningen vorgesehen sind, die vorläufig in der Familiengruft der Veste Heldburg liegt. Dass auch Kaiser Karl nach Wien überführt wird, ist aber aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Nicht zuletzt, weil sich Madeira keine Touristenattraktion nehmen lassen würde - die seit der Seligsprechung Karls 2004 auch spirituelle Bedeutung hat.

Die Eintrittsgelder der Besucher decken heute zwar den laufenden Betrieb der Kapuzinergruft, nicht aber größere Maßnahmen. So wurde die 2003 eingebaute Klimaanlage, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in einem für das Zinn notwendigen Bereich hält, etwa zur Hälfte vom Kapuzinerorden selbst finanziert, der Rest kam von der Stadt Wien, dem Bundesdenkmalamt und einem privaten Erhaltungsverein. Ein Restaurator ist im Werkstattraum laufend damit befasst, je nach Dringlichkeit einzelne Sarkophage auszubessern und zu reinigen.  Richard G. Kerschhofer


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