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25.12.10 / Warum Kaiser Karl I. auf Madeira ruht / Otto von Habsburg widersetzt sich einer Überführung der sterblichen Überreste seines Vaters nach Wien

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Warum Kaiser Karl I. auf Madeira ruht
Otto von Habsburg widersetzt sich einer Überführung der sterblichen Überreste seines Vaters nach Wien

Hoch über der pulsierenden Stadt Funchal auf Madeira steht ein stattliches Denkmal, das einen Mann mit einem prächtigen Hermelinmantel zeigt. Touristen, die den steilen Aufstieg gewagt haben (runter geht es in den traditionellen Korbschlitten), zücken ihre Fotoapparate, um die überlebensgroße Bronze abzulichten. Das Denkmal stellt Karl I. (1887-1922) dar, der von 1916 bis 1918 Kaiser von Österreich war und als Karl IV. König von Ungarn und Kroatien sowie als Karl III. König von Böhmen. Über eine scheinbar nicht enden wollende Steintreppe geht es bis hinauf zur Wallfahrtskirche Igreja Nossa Senhora do Monte. Dort ruht der Monarch in einer Seitenkapelle seit 1972 in einem schlichten Metallsarg. Die Familie hatte die Kapelle am 50. Todestag Karls I. auf eigene Kosten anbauen lassen. Ein schmiedeeisernes Gitter trennt den Sarg von den Besuchern. Es sind nicht nur Österreicher, die dem Habsburger dort ihre letzte Ehre erweisen wollen. Viele Einheimische und Touristen aus anderen Ländern statten der Kapelle einen Besuch ab. Und das mag nicht nur aus Sensationslust geschehen, sondern auch, um am Grab des 2004 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochenen Karls I. zu beten.

Es war ein kurzes und bewegtes Leben, auf das der Großneffe Kaiser Franz Josephs I. zurückblicken konnte. Mitten im Ersten Weltkrieg hatte er den Thron bestiegen. Schon damals war das Ende der Monarchie abzusehen. Angesichts des völligen militärischen Zusammenbruchs und der inneren Auflösung der Donaumonarchie verzichtete Karl am 11. November 1918 in der österreichischen Reichshälfte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften und schließlich auch auf die Aus­übung seiner Staatsgeschäfte in Ungarn. Formell dankte er aber nicht ab.

Von der Schweiz aus, wohin Karl mit seiner Frau Zita und den Kindern ins Exil gegangen war, unternahm er zwei Versuche, zumindest in Ungarn die Monarchie wieder herzustellen. So flog er 1921 mit einer Junkers F 13 nach Ödenburg (Sopron). Freischärler, die sich gegen die Abtretung des Burgenlandes an Österreich wandten, und andere kleine Truppenkontingente lieferten sich in Budaörs, einem Vorort von Budapest, am 23. Oktober 1921 ein Scharmützel, bei dem 19 Soldaten ums Leben kamen. Schließlich gab Karl auf. Er wurde in der Abtei Tihany am Plattensee interniert und am 1. November mit seiner Frau Zita an Bord des britischen Donauschiffes "Glowworm" (Glühwürmchen) bis zum Schwarzen Meer und dann auf dem britischen Kreuzer "Cardiff" über Gibraltar auf die portugiesische Insel Madeira gebracht, wo er am 19. Oktober 1921 eintraf. Zita von Bourbon-Parma stammte mütterlicherseits aus dem portugiesischen Königshaus - vielleicht ein Grund für das Exil auf Madeira, das ab 1420 von Portugiesen besiedelt wurde.

Zunächst lebte Karl mit seiner Frau und den später eingetroffenen Kindern standesgemäß im Hotel Victoria, das zum berühmten Reid’s Hotel in Funchal gehört. Um den persönlichen Aufwand zu finanzieren, wurde nach und nach der Schmuck der Kaiserin verkauft. Dann reichte das Geld nicht mehr und Karl musste auf ein Angebot des Funchaleser Bankiers Luis da Rocha Machado eingehen und in dessen Sommerhaus in den Bergen oberhalb von Funchal übersiedeln. Im Februar 1922 zog die Familie in die Quinta Rocha Machado in Monte. Inmitten idyllischer Gärten und unter hohen Bäumen gelegen ist das Herrenhaus im Sommer ganz gewiss eine hervorragende Unterkunft. Doch Madeira, die Insel mitten im Atlantik, ist trotz ihrer Nähe zu Afrika kein Sonnenparadies ohne Ende. Frische Winde vom Atlantik und feuchte Nebel bestimmen gerade in den Bergen das Klima. Die für den Sommer konzipierte Villa war keine ideale Unterkunft. So berichtete die Kammerzofe der Familie in einem Brief nach Österreich über die katastrophalen Zustände: "Hier heroben haben wir nur drei warme Tage gehabt. Die übrige Zeit hat es geregnet, gab es Nebel und war immer feucht. Es gibt kein elektrisches Licht, Wasser nur im ersten Stock und unten in der Küche. Die Villa wäre recht hübsch, aber es gibt einfach nicht genug Platz, obwohl es nur das absolute Mindestmaß an Personal gibt. Oft schauen wir neidisch nach Funchal hinunter, wo die Sonne immer scheint. Das Haus ist so feucht, dass alles nach Moder riecht. Der Nebel aber durchzieht alles."

Am 9. März zog Karl sich eine Erkältung zu, doch erst am 21. März wurde ein Arzt zu Rate gezogen, um Geld zu sparen. Der stellte eine schwere Lungenentzündung fest. Am 1. April 1922 starb Karl mit knapp 35 Jahren. An seiner Beisetzung am 5. April nahmen etwa 30000 Menschen teil. Sein Leichnam wurde in der Kirche Nossa Senhora in Monte bei Funchal begraben. Sein Herz wird in der um die Mitte des 20. Jahrhunderts neu angelegten Familiengruft der Habsburger unter der Loretokapelle des Klosters Muri im Kanton Aargau (Schweiz) aufbewahrt.

Seit der Beisetzung der ehemaligen Kaiserin Zita 1989 in der Wiener Kapuzinergruft wartet dort ein Platz auf den Sarg des letzten Habsburger-Kaisers. Seine Familie, vor allem sein Sohn Otto von Habsburg, stimmte einer Überführung nach Wien aber nicht zu, da er dieses Vorhaben als Affront gegenüber der Bevölkerung von Madeira ansieht. Seit der Seligsprechung Karls I. hat seine Begräbnisstätte in Monte bei Funchal für die dortige Bevölkerung noch an Bedeutung gewonnen.

Das Herrenhaus, das heute Quinta Jardins do Imperador genannt wird, verfiel im Laufe der Zeit. Auch heute noch ist es in keinem vertrauenerweckenden Zustand, wenngleich seine Fassade in hellem Gelb durch die mächtigen Bäume schimmert. Des Kaisers Garten aber lädt ein zu wundervollen Spaziergängen inmitten prachtvoll angelegter Blumenbeete.          Silke Osman


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