© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Ein Geschenk für Hans-Peter

Der Himmel war grau verhangen und ein kühler Wind fegte aus Nordost durch die Straßen der Stadt. Bunte Lichterketten schmückten die sonst so tristen Fassaden der Häuser. Menschen drängelten sich durch die Straßen. Kaum einer nahm Rücksicht auf den anderen. Jeder hatte nur ein Ziel: Den nächsten Laden zu erreichen, um schnell noch ein Geschenk zu ergattern. Ganz plötzlich war es Weihnachten geworden, man hatte die Zeit einfach vertrödelt. Im Oktober, als noch Blätter an den Bäumen hingen, war es nun wirklich zu früh gewesen, an Weihnachten zu denken. Auch wenn die Auslagen in den Geschäften schon vom nahenden Fest kündeten. Weih-nachtsmänner aus Schokolade hatte es ja bereits im September gegeben, sogar Lebkuchen waren damals schon in den Mund so manchen Leckermäulchens ge-wandert.

Die Frau blieb vor einem Schaufenster stehen, sah sich die Auslagen an. Viel Glitzer und nichts dahinter, dachte sie. Da war nun wirklich nichts dabei für ihren Hans-Peter. Er hatte so geheimnisvoll getan, dabei wollten sie sich doch gar nichts mehr schenken. So war sie dann doch noch losgezogen. Ein Geschenk für Hans-Peter, du meine Güte, das war schwierig. Er hatte doch alles. Die Frau ging von Schaufenster zu Schaufenster. - Und sah ein riesiges Angebot, das sie fast erschlug: Lederjacken, edle Aktentaschen, Seidenkrawatten, verführerische Düfte, CDs, DVDs, Bücher. Ja, ein Buch, das wäre was. Die Frau hielt inne. In einem der Schaufenster hatte sie einen Titel entdeckt, von dem Hans-Peter vor kurzem gesprochen hatte. Ein Bildband - viel zu teuer, hatte er gemurmelt - mit alten Fotografien aus ihrer Jugendzeit.

Als die Frau den Buchladen schließlich verließ, trug sie ein Päckchen unter dem Arm. Sie schmunzelte. Es würde ein schönes Fest werden. Sie würden sich gemeinsam die alten Fotos ansehen und lächelnd fragen: "Weißt du noch?"         SiS