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25.12.10 / Ein Elefant für den Kaiser / Interessanter Roman über ein besonderes Hochzeitsgeschenk des Jahres 1552

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Ein Elefant für den Kaiser
Interessanter Roman über ein besonderes Hochzeitsgeschenk des Jahres 1552

Postum erschien in diesem Jahr José Samaragos vorletzter Roman "Die Reise des Elefanten" in deutscher Übersetzung. Der im Juni 2010 im Alter von 87 Jahren gestorbene portugiesische Literatur-Nobelpreisträger hat darin eine wahre Begebenheit aus der Frühzeit des portugiesischen Kolonialreiches zu einer heiter-melancholischen Parabel auf das menschliche Leben verarbeitet. Auf den Stoff war er zufällig gestoßen, als er im Salzburger Restaurant "Der Elefant" zu Abend aß. Ihm fielen die Holzschnitzereien an den Wänden auf, da er den Torre de Belem erkannte, ein Wahrzeichen der Stadt Lissabon. Er erfuhr, dass es sich um die szenische Darstellung einer seinerzeit Aufsehen erregenden Reise eines indischen Elefanten von Lissabon nach Wien in den Jahren 1551/1552 handele. Das Tier war zwei Jahre zuvor aus der portugiesischen Besitzung Goa nach Lissabon verschifft worden. Ausersehen als Hochzeitsgeschenk des portugiesischen Königs Johann III. an seine Vetter, den österreichischen Erzherzog und späteren habsburgischen Kaiser Maximilian II., wurde der Elefant von einer Eskorte zunächst nach Valladolid gebracht, wo Maximilian und seine Gemahlin Maria residierten. Weiter ging es in Begleitung des Erzherzogspaars und einer militärischen Schutz-Garde bis zum Seehafen Vila de Rosas unweit der französischen Grenze, wo die Einschiffung nach Genua stattfand. Nach einer winterlichen Alpenüberquerung kam das lebende Geschenk endlich an seinem Bestimmungsort an.

Gutmütig muss der Dickhäuter gewesen sein, denn es kursierte in der österreichischen Hauptstadt die Erzählung, er habe ein kleines Kind, das ihm in einer Gasse aus der Menschenmenge vor die Füße gekullert war, vorsichtig mit seinem Rüssel aufgehoben und seiner erschrockenen Mutter gereicht. Diese Episode mag den Autor dazu bewogen haben, den Elefanten Salomon vulgo Soliman und seinen Mahut Subhro, genannt Fritz, in seiner fan-

tastischen Erzählung als aufrechte, vielleicht sogar unschuldige Wesen in einer Welt auftreten zu lassen, die von Taktikern, Egoisten und kalten Kriegern dominiert wird. Fritz als Beobachter aus einem anderen Kulturkreis kann nur abgestoßen sein.   

Bis an sein Lebensende hat der weltberühmte Schriftsteller als bekennender Atheist und Kommunist gegen Adel und Militär, einzelne Politiker und Regierungen angeschrieben. Im vorliegenden Werk richtet sich seine Kritik offenbar gegen den Umgang der Mächtigen mit Minderheiten wie Migranten, ganz direkt aber immer wieder gegen die Kirche, ihre Glaubenssätze und Vertreter. In Indien ein Symboltier für Macht und das Glück, wird Salomon auf seiner mehrere tausend Kilometer langen Reise erniedrigt und schließlich sogar als Instrument der Gegenreformation benutzt. Als der vorgeblich vom Heiligen Geist inspirierte Dick-häuter vor der Kathedrale von Padua auf die Knie fällt, ist das Volk wie erwartet beeindruckt durch diese Inszenierung, hinter der ein Pater steckt, der gegen das aufkommende Ketzertum ankämpft.

Soweit bekannt, hat sich der Autor an den Ablauf der Reise gehalten. Abwechselnd lässt er die handelnden Personen und einen allwissenden Erzähler zu Wort kommen, wobei die herkömmlichen Regeln bezüglich der Satzzeichen außer Kraft gesetzt sind. Aus beständig wechselnder Perspektive werden die Ereignisse mal im Sinne lexikalischer Erläuterung kommentiert, mal mit hintersinnigem Humor, sarkastisch oder auch anachronistisch reflektiert, wobei dem Erzähler sogar bekannt ist, was Elefanten und Wölfen gerade durch den Kopf geht.

Die überaus freie Anwendung unterschiedlicher Stilmittel hat ihren eigenen Reiz, sofern der Leser ohne Bedauern von dem Gedanken Abschied genommen hat, sich auf einen historischen Roman einlassen zu wollen. Das traurige Ende der zum Mythos gewordenen Geschichte ist überliefert. Ein Jahr nach seiner Ankunft in Wien, Ende 1553, starb der Elefant aus unbekannter Ursache. Ihm hätte das Niederknien nichts genützt, bemerkte der Autor hintersinnig am Schluss seiner zum Nachdenken anregenden, aber dennoch vergnüglichen Erzählung. Empfehlenswert!       Dagmar Jestrzemski

José Samarago: "Die Reise des Elefanten", Hoffmann und Campe, Hamburg 2010, gebunden, 236 Seiten, 19,95 Euro 


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