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25.12.10 / Wieder aufgestanden / Pommerin erzählt von Flucht und Neuanfang

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-10 vom 25. Dezember 2010

Wieder aufgestanden
Pommerin erzählt von Flucht und Neuanfang

In dem autobiographischen Roman "Das Leben ist ein Chamäleon" erzählt die Deutsch-Französin Waldtraut Helene Treilles von ihrer wohl behüteten Kindheit auf einem pommerschen Gutshof und wie im Dritten Reich und im Zweiten Weltkrieg alles, woran sie bisher geglaubt hatte, als großes Lügengespinst in sich zusammenfiel.

Statt der stoisch aus dem Volksempfänger, auch Göbbelsschnauze genannt, hergebeteten Vorzüge der arischen Rasse und dem verlogenen Gelobhudel des Krieges und des Führers Adolf Hitler, hätte sich bestimmt auch Treilles seinerzeit eine aufklärende Stimme wie WikiLeaks gewünscht.

Jedoch war Deutschland zum damaligen Zeitpunkt weit von etwas Derartigem entfernt. Zweifel am Regime wurden wenn, dann nur unter vorgehaltener Hand geäußert und die Angst davor denunziert zu werden ließ auch diese häufig ganz verstummen.

Waldtraut Treilles spricht in ihrem Roman offen darüber, wie jung und naiv sie damals war, wie perfekt die Gehirnwäsche bei der deutschen Bevölkerung funktionierte, so dass selbst offensichtliche Missstände wie das öffentliche Ausgrenzen von Juden, also auch ehemaligen Bekannten und Freunden, als richtig hingenommen wurde.

Wie die Familie der heute 84-jährigen Autorin all ihren Besitz verlor, wie sie 1944 das Arbeitslager und die Flucht sowie die Nachkriegsjahre einigermaßen schadlos überstand, um schluss-endlich ihr Glück in Frankreich zu finden, ist eine lange, zum Teil sehr traurige, aber auch turbulente und schöne Geschichte.

"Ganz Europa war durch unser Führergenie zu einem riesigen Güterbahnhof geworden, wo Millionen von vollen Waggons auf toten Gleisen standen, die ziellos hin- und herrangierten, ohne zu wissen warum ... Wir zogen also eine alte Militärhose und ein abgetragenes Oberhemd an, schürzten einen braunen Sack und gingen ans Kartoffelpflanzen. Junge G.I.s, die auf ihren umgedrehten Stahlhelmen saßen und Camel um Camel pafften, sahen uns teils belustigt, teils mitleidig zu. Ich führte mechanisch die wohlbekannten Bewegungen aus, während mein Geist ständig zu analysieren versuchte, was geschehen war. Ich sehnte mich nach Pommern und nach meiner schroff beendeten schönen Kindheit. Ich wusste nicht, dass uns Verlorenes auch reich machen kann und dass wir die Heimat in uns tragen, in unserem tiefsten und geheimsten Innern. Damals war ich noch nicht soweit."

"Das Leben ist ein Chamäleon" steckt voller lebendiger Anekdoten, voller Farben, Licht und Schatten. Wie ein Chamäleon hat sich Treilles in ihrem Leben immer wieder an die äußeren Bedingungen angepasst, um mit heiler Haut davon zu kommen. Um dabei jedoch auch noch glücklich zu werden, bedurfte es einer gewissen Aufgeklärtheit und einer ordentlichen Portion Courage.

            Vanessa Ney

Waldtraut Helene Treilles: "Das Leben ist ein Chamäleon - Vom Schloss im Schnee zum Palmenstrand", docupoint Verlag, Magdeburg 2010, broschiert, 346 Seiten, 18 Euro


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