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01.01.11 / Erfolgsrezept Anti-Islamismus / Frankreich: Mehr Zustimmung für Marine Le Pen - Kein "Herumreiten" auf fixen Ideen der Rechten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Erfolgsrezept Anti-Islamismus
Frankreich: Mehr Zustimmung für Marine Le Pen - Kein "Herumreiten" auf fixen Ideen der Rechten

Die Tochter von Jean-Marie Le Pen könnte an der Spitze der national-konservativen Nationalen Front (FN) für Nicolas Sarkozy gefährlich werden.

Kurz vor Weihnachten erklärte Marine Le Pen im französischen Fernsehen dem Islamismus den Krieg. Die 42-jährige, dreifache Mutter und Tochter des Gründers der FN, Jean-Marie Le Pen, die wahrscheinlich beim nächsten Parteitag am 15. und 16. Januar in Tours ihrem alten Vater an der Spitze der FN nachfolgen wird, forderte, dass der französische Staat aufhören solle, den Bau von Moscheen mit Steuergeldern zu finanzieren. Sie bezichtigte den sozialistischen Oberbürgermeister von Paris, Bertrand DelanoÄ«, dieses "Frevels". Sie gab sich zwar, wie immer, tolerant: Moscheen dürften die Moslems in Frankreich bauen, aber sie sollten "bescheiden", "nicht auffällig" und "ohne Minarette" sein. Letztere würden "immer höher", unterstrich sie. Sie verteidigte die "Konferenz über die Islamisierung unserer Länder", die die FN am 18. Dezember in Paris veranstaltet hat, woran der gewählte Abgeordnete der Schweizerischen Volkspartei, Oskar Freysinger, als Gast teilnahm. Von ihm, dem Urheber des dortigen Kampfes gegen den Neubau von Minaretten, sagte sie, dass er "im Einklang mit seinem Volk" sei. Sie wagte zuletzt einen weiteren Vorstoß, als sie sich für ein Verbot der Finanzierung von Moscheen durch "ausländische Staaten, die die Religionsfreiheit nicht respektieren, darunter Saudi-Arabien", aussprach.

Zwei Wochen davor hatte sich Marine Le Pen abermals im Fernsehen für ein Verbot des moslemischen Gebetes auf offener Straße stark gemacht. Sie weiß, dass eine Mehrheit ihrer Landsleute diese Praxis der Moslems, in bestimmten Städten wie Marseille zur Gebetsstunde Straßen und Bürgersteige in großer Zahl kniend zu blockieren, als eine Provokation empfindet. Sie bezeichnete diese Aktionen als "illegale Besetzung französischen Gebiets". Ihre linken Gegner beschuldigten sie, die Anwesenheit von Moslems in Frankreich mit der deutschen Wehrmachtbesatzung 1940 bis 1944 zu vergleichen. Doch in den Umfragen bekam Marine 27 Prozent Zustimmung und zwölf bis 14 Prozent der Wähler bekundeten, sie würden ihr bei der Präsidentenwahl 2012 ihre Stimme geben. Nach ihren zahlreichen letzten Fernsehauftritten 2010 stieg die Zahl der FN-Mitglieder von rund 20000 auf zirka 30000 (die genaue Zahl wird nicht bekanntgegeben). Bewerber melden sich auf ihrem Blog marine.lepen.com. 80 Prozent der Franzosen wollen sie zwar nicht als Staatspräsidentin, aber 30 Prozent der Anhänger der Sarkozy-Partei sind jetzt für eine Koalition auf nationaler Ebene und 34 Prozent für lokale Bündnisse mit der FN. Marine Le Pen ist voll medientauglich, eine schlagfertige Kontrahentin am Bildschirm, die neulich die ehemalige Favoritin von Sarkozy, Rachida Dati, an die Wand spielte, aber auch verbindlich und geschickter als ihr Vater, dessen Tritte ins Fettnäpfchen kein Segen für die FN waren. Eine echte Gefahr ist sie geworden für Sarkozy, der 2007 Präsident wurde, weil er die Stimmen der FN aufsaugen konnte. Weder seine gescheiterte Debatte über die nationale Identität noch seine Sicherheitsoffensive konnten jetzt die FN zurückdrängen. Marine Le Pens Meinungsumfragen sind besser als diejenigen ihres Vaters, als er 2002 gegen Chirac kandidierte und im ersten Wahlgang das zweitbeste Ergebnis erhielt.

Wenn sie jetzt gegen den Islamismus in den Kampf zieht und sich zu den Kerndogmen der FN demonstrativ bekennt: Zuwanderungsstopp, nationaler Wirtschaftsvorzug, etappenweise Abtrennung vom Euro, Wiedereinführung der Todesstrafe für bestimmte Verbrecherkategorien, darunter Drogenbosse, Kindermörder, Serienkiller, und Ablehnung der Globalisierung, wogegen sie bisher leider keine klare Remedur hat, so liegt es daran, dass sie den ultrakonservativen Flügel ihrer Partei überzeugen muss, bevor die FN-Delegierten zwischen Professor Bruno Gollnisch und ihr als Parteivorsitzende(r) abstimmen. Aber ihre Chancen, den gebildeten, erzkatholischen Rivalen zu besiegen, der japanische Sprache und Kultur lehrt und mit einer Japanerin verheiratet ist, sind in der letzten Zeit gestiegen. Ihr Vater ist ihre beste Stütze. Ihre beiden politisch engagierten älteren Schwestern Caroline und Yann stehen zu ihr. Ihre Nichte Marion, 20 Jahre, die bereits auf regionaler Ebene Politik macht, ebenfalls, wie insgesamt die junge Generation ihres Lagers.

Auf dem Gut Montretout im Pariser Vorort Saint-Cloud, das ein Industrieller dem Vater Le Pen vermacht hatte, ansässig, bilden die Le Pens einen keltischen Clan. Der Vater stammt aus der Bretagne. Aber vor allem hat Marine Le Pen die Klientel der FN erweitert. Sie kommt den Konservativ-Liberalen ins Gehege, indem sie sich von Parteifreunden distanziert, die Geschiedenen die Kommunion verbieten möchten (Marine Le Pen wurde zweimal geschieden), und erklärt, dass der Kampf gegen die Abtreibung nicht die erste Priorität der Franzosen ist. Sie war als Europaabgeordnete in Strassburg und Brüssel präsent, stimmte meist mit den anderen rechten Parteien ab.

Spektakulär ist ihre Annäherung an die jüdischen Organisationen Frankreichs, deren Angst vor der arabischen Überflutung sie erkannt hat und findet in diesen Kreisen immer mehr Anklang. Schon im Europaparlament war sie Mitglied der Delegation für die Beziehungen zu Israel, wurde aber bisher vom jüdischen Staat abgelehnt. Sie betont, dass sie die schockierende Meinung ihres Vaters zum Holocaust - er nannte die Gaskammern ein "Detail" der Geschichte des Zweiten Weltkrieges - nicht teilt. Diese letzte Wendung jüngsten Datums ist ein Trumpf auf ihrem Weg zu einer "entradikalisierten" und "entdämonisierten" Ultrarechten. Der jüdische Philosoph Bernard Henri Levy spricht jetzt von einer "Extremrechten mit menschlichem Antlitz" und Anhänger von Marine Le Pen von einer "FN soft". Sie hat unter ihrem Vater, dem Patriarchen und Haudegen, aber vor allem in der Schule als Le-Pen-Tochter genug gelitten. Als Anwältin in Paris war sie auch oft verfemt, bis sie 1998 nur noch für die FN als Rechtsbeistand arbeitete. Sie ist seit 1986 in der FN engagiert, sie errang 2007 das Abgeordnetenmandat im Wahlkreis HÄ©nin-Beaumont in der maroden Arbeiterregion Nord-Pas de Calais und bekam so die Weihen ihrer Partei. Sie hat weder den Zweiten Weltkrieg noch den Algerienkrieg erlebt. Sie reitet nicht mehr auf den fixen Ideen der französischen Rechtsaußen herum: Antisemitismus, Revisionismus, Rassismus, europafeindlichen Hypernationalismus und katholischen Fundamentalismus, wenn sie auch die christlichen Werte als Leitkultur Frankreichs bejaht. Jean-P. Picaper

Foto: Viel gemäßigter als ihr Vater: Marine Le Pen meidet geschickt politische Fettnäpfchen.


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