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01.01.11 / Ein Opfer der Geschichtsvergessenheit / Ausstellung im Deutschen Historischen Museum erinnert an Leben und Werk von Reinhold Begas

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Ein Opfer der Geschichtsvergessenheit
Ausstellung im Deutschen Historischen Museum erinnert an Leben und Werk von Reinhold Begas

Neben Anton von Werner und Adolph von Menzel hat der Bildhauer Reinhold Begas das Erscheinungsbild seiner Epoche bestimmt. Eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum widmet sich dem Schaffen des Bildhauers.

Besucht man in früher Jugend fremde Städte, dann prägen sich einem Dinge ein, von denen man im Erwachsenenalter nicht immer beeindruckt ist. Bei zwei Städten aber und ihren Sehenswürdigkeiten ist es nicht so. Die "Pont Alexandre III." über die Seine in Paris mit ihren prachtvollen Kandelabern und der Neptunbrunnen in Berlin mit seinen mächtigen Bronzefiguren faszinieren noch heute. Beide Prachtwerke entstanden etwa um dieselbe Zeit - zum Ende des 19. Jahrhunderts. Die Brücke wurde von Jean RÄ©sal (1854- 1919), einem Bauingenieur aus Besan-ħon, zur Weltausstellung 1900 errichtet, der Brunnen stammt von Reinhold Begas (1831- 1911), geboren als Spross einer belgischen Hugenottenfamilie.

"Begas? Wer ist Begas?" fragt Hans Ottomeyer, Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum, im Vorwort zum Katalog der gleichnamigen Ausstellung "Begas - Monumente für das Kaiserreich", die sein Haus derzeit präsentiert, und beantwortet seine Frage sogleich:. "Mit Sicherheit einer der berühmtesten Künstler seiner Epoche, welcher der Geschichtsvergessenheit anheim fiel. Wie kein anderer gestaltete er die Bildwelt des Kaiserreichs unter Wilhelm I. und II., schuf die Bildnisse, Bildwerke und Monumente seiner Epoche, ging aber mit ihr unter im Ansturm der Ka-tastrophen des 20. Jahrhunderts, den Weltkriegen und der Zerschlagung der Welt von gestern."

Der Katalog, der zugleich ein Werkverzeichnis mit fast 200 Einträgen enthält, das Jutta von Simson zusammengestellt hat, dürfteüber die Dauer der Ausstellung hinaus bleibenden Wert behalten. "Begas wird fortan kein ,bekannter Unbekannter‘ mehr sein, sondern der für unser Bewusstsein und unsere Wahrnehmung wiedergewonnene bedeutende Bildhauer, der er war", betont Hans Ottomeyer.

Erstmals nach seinem Tod vor 100 Jahren widmet sich eine monographische Ausstellung dem Ausnahmebildhauer des 19. Jahrhunderts. Wie kaum ein anderer hat er das Bild Berlins in seiner Zeit geprägt. Die hohe künstlerische Qualität seiner Schöpfungen wird den von Schlüter, Canova, Thorvaldsen, Schadow und Rauch gleichgestellt. Bis heute zeugt unter anderem sein Neptunbrunnen, der ursprünglich vor dem Berliner Stadtschloss stand, heute aber zwischen Marienkirche und Rotem Rathaus zu finden ist, von seiner Kunst. Auch die Denkmäler für Schiller am Gendarmenmarkt, Alexander von Humboldt vor der Universität Humboldt und Bismarck am Großen Stern haben den Bildersturm, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg gegen Reinhold Begas und sein Werk richtete, überstanden.

Reinhold Begas ist einer der wenigen Künstler, denen tatsächlich bereits an der Wiege gesungen wurde, dass sie einst den Weg der Kunst einschlagen würden. Sein Vater war der anerkannte Maler Carl Joseph Begas (1794- 1854), Taufpaten waren die Bildhauer Ludwig Wichmann, Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch. Reinholds Brüder Oscar, Adalbert und Carl d.J. wurden ebenso Maler und Grafiker wie sein Sohn Werner. Bereits mit sieben Jahren begann Reinhold, Tiere in Wachs und Ton zu modellieren, die er in der ländlichen Umgebung des Hauses "Am Karlsbad" sah. Mit zwölf Jahren nahm er Zeichenunterricht bei seinem Vater, später besuchte er dessen Kompositionsklasse an der Akademie bis mindestens 1853. Ab 1846 besuchte er die Berliner Akademie, wo er Unterricht bei seinen Paten Wichmann, Schadow und Rauch erhielt.

Schon früh wird auch das Königshaus auf den Künstler aufmerksam. 1854 bestellt Friedrich Wilhelm IV. die Ausführung eines Christuskopfes in Marmor bei Begas. Es schlossen sich Aufträge der nachfolgenden Herrscher auf dem Preußenthron für monumentale Werke an.

Nicht immer war die Kritik begeistert. Begas musste sich zwischen Urteil und Vorurteil behaupten. Der Star der damaligen Bildhauerkunst wurde gefeiert und gescholten. Auch sein Privatleben blieb davon nicht unbehelligt. 1863 hatte er die 17 Jahre jüngere Margarethe Philipp (1848- 1901) kennengelernt und die damals erst 15-Jährige ein Jahr später geheiratet.

Theodor Fontane berichtete 1878 von einer großen Abendgesellschaft, "wo ich der schönen Grete Begas ihren nach Ylan-Ylan oder einem ähnlichen orientalischen Extrakt duftenden Handschuh küssen durfte". "Ich möchte nicht", so Fontane weiter, "dass die schöne Grete meine Frau wäre (worin ich ganz und gar die Empfindung ihres Mannes treffen soll), aber in allem übrigen amüsiert mich dergleichen." - "Mokant und mit menzelschem Gesellschaftsblick erfasst Fontane die Sachlage; er ironisiert das Rollenspiel, was tatsächlich als ein Spiel mit bourgeoisen Rollen zu begreifen ist, und respektiert doch zugleich aus heiterer Distanz diese gründerzeitlichen Auswüchse einer sinnlichen Bohemien-Kultur", kommentiert Bernhard Maaz im Katalog die Sätze Fontanes. Menzel selbst verlor kein charakterisierendes Wort über Begas, obwohl die beiden sich kannten. "Das Schweigen des ihm fachlich nahestehenden und scharfsinnigen Menzel zählt so zu den Stimmen über Begas, wie die Pausen zur Musik gehören" (Maaz).

Alle politischen Denkmäler Begas’ wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört oder wie die Skulpturen der Siegesallee vergraben. Nach seinem Tod war es 1912 zur Versteigerung seines gesamten Nachlasses gekommen, der in alle Winde verstreut wurde. Die Ausstellung bietet nun erstmals einen Überblick über das reiche Å’uvre des Bildhauers.        Silke Osman

Die Ausstellung "Begas - Monu-mente für das Kaiserreich" im Deutschen Historischen Museum (Ausstellungshalle von I. M. Pei, Hinter dem Zeughaus) ist bis zum 6. März täglich von 10 bis 18 Uhr zu geöffnet, Eintritt 6 Euro. Der Katalog (416 Seiten) aus dem Sandstein Verlag kostet im Museum 34 Euro.

Foto: Neptunbrunnen von Reinhold Begas: Er stand ursprünglich vor dem Berliner Stadtschloss.


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