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01.01.11 / Unzufrieden mit der Zentrale / Königsbergs Unternehmer und Präsidentenberater übt Kritik an Moskaus Behandlung der Exklave - Sorge vor "Separatismus"

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-10 vom 01. Januar 2011

Unzufrieden mit der Zentrale
Königsbergs Unternehmer und Präsidentenberater übt Kritik an Moskaus Behandlung der Exklave - Sorge vor "Separatismus"

Nach Berechnungen des Moskauer Instituts für Regionalinformation nimmt die Lebensqualität in Königsberg ab. 2006 belegte die Exklave im gesamtrussischen Vergleich den 14. Platz, 2009 war es nur noch der 30. Es kommt noch schlimmer, weil Russland gewisse Veränderungen an seiner Westgrenze unterschätzt hat, was Königsberg jetzt büßen muss. Darauf hat Garij Tschmychow, Königsberger Unternehmer und Moskauer Präsidentenberater, jüngst in der international angesehenen Fachzeitschrift "Russland in der Globalpolitik" aufmerksam gemacht.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das Königsberger Gebiet eine russische Exklave zwischen den souveränen Staaten Litauen und Polen. Mit dem EU-Beitritt der beiden Nachbarn im Jahre 2004 und deren Aufnahme in die Schengenzone 2007 geriet es in eine wachsende Isolation. Ab Juni 2003 sind die Königsberger mit "vereinfachten Transitdokumenten" gereist, die drei Jahre galten, für Bahnen kostenlos waren und für Autos 5 Euro kosteten. Ab 2005 mussten für Reisen Reisepässe und Einladungen vorgelegt werden. Doch zum 1. Juni 2007, dem Datum des polnischen und litauischen Schengenbeitritts, hörten jegliche "Visa-Privilegien" auf: Nur mit Pass und einmaligen Visa, für die jeweils 35 Euro zu berappen sind, oder auf dem Luftweg gelangen Königsberger Russen seitdem nach Russland.

Das empfindet Tschmychow als verfassungswidrig, auch die Königsberger äußern heftige Vorwürfe gegenüber Moskau, von dem sie sich diskriminiert fühlen: EU-Bürger passieren Grenzen über "Sonderkorridore" und ohne große Passformalitäten, aber Königsberger stoßen laufend auf Barrieren, wenn sie ihr Grundrecht auf Freizügigkeit wahrnehmen wollen. Doch Moskau, wohl noch in antiquierten Vorstellungen von Königsberg als militärischem Sperrgebiet befangen, will keine Sonderregelung für die Region. 2002 schwebte Putin, damals Präsident Russlands, eine Regelung wie zu Mauerzeiten zwischen Berlin und Westdeutschland vor - plombierte Warencontainer, durchgehende Züge, Transitstrecken für Busse etc. Seit 2003 fordert Russland völlige Visafreiheit von der EU, zuletzt beim Gipfeltreffen im Juni 2010 in Rostow am Don. Aber darüber ist mit Brüssel nicht zu reden, höchstens über visafreie "Streifen" von 30 Kilometer an den Grenzen. Die erscheinen Tschmychow als unsinnig in dem kleinen Königsberger Gebiet, mit 15100 Quadratkilometern so groß wie Schleswig-Holstein, und als "Unterstützung von litauischem und polnischem Schmuggel".

Unter der jetzigen Lage leiden die Wirtschaft und der Tourismus Königsbergs, die etwas einbringen, obwohl in dieser Region der Russischen Föderation die höchsten Preise für Strom, Öl, Kohle, Bahnfahrten und andere Dienstleistungen zu zahlen sind. Hinzu kommt die Preispolitik Litauens, das 2009 zweimal seine Bahntarife für russische Lieferungen aus litauischen Häfen nach Königsberg erhöhte. So etwas kann, befürchten Moskauer Blätter, den in Königsberg bereits spürbaren "Separatismus" fördern: Wenn Russland und andere uns benachteiligen, dann müssen sie uns bald als souveränes "Jantarnij Kraj" (Bernsteinland) hinnehmen!

Naheliegender aber sind "Privilegien", wie sie Tschmychow fordert: mit Nachbarn vereinbarte Modalitäten über eine Ausgabe von Vorzugs-Visa an Königsberger Russen, ohne derzeitige Auflagen wie Einladungen etc. und mit einjähriger Gültigkeit. Das würde das Königsberger Gebiet zwar zeitweilig aus dem föderalen Verbund Russlands ausgliedern, es aber zu einer "Pilotregion" für russische Reisefreiheit machen. Wolf Oschlies


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