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08.01.11 / Wenn Welten aufeinander prallen / Bekenntnisorientierter Islamunterricht in Hessen vor dem Aus – Jedes Bundesland hat eigene Regeln

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Wenn Welten aufeinander prallen
Bekenntnisorientierter Islamunterricht in Hessen vor dem Aus – Jedes Bundesland hat eigene Regeln

Während auf deutscher Seite beim Thema Islamunterricht vor allem die organisatorische Umsetzung im Blickpunkt steht, sind sich die vielen muslimischen Verbände auch über die inhaltliche Ausrichtung eines solchen Unterrichts uneins.

Offiziell haben sie zwar alle dasselbe Ziel, doch der „Runde Tisch“ an den die schwarz-gelbe Landesregierung von Hessen bereits vor gut zwei Jahren gebeten hatte, um über das zukünftige Angebot eines bekenntnisorientierten muslimischen Religionsunterricht zu beschließen, hat bisher zu keinerlei Beschlüssen geführt. Der hessische Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) sieht die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts somit vor dem Aus. Zwar wolle er noch mal bei den islamischen Verbänden nachfragen, doch wenn bis Februar kein Antrag und keine Interessensbekundung vorläge, würde es in Hessen eben ab spätestens 2013 die Einführung von Islamkunde geben, was einer religionskundlichen Unterweisung in islamischer Religion entspräche.

Es gibt in Hessen etwa 60000 islamische Schüler und dass es keine Interessensbekundung gebe, an den Schulen in Hessen einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht anzubieten, mit dem muslimische den christlichen Schülern in Sachen Religionsunterricht gleichgestellt würden, ist so falsch. Nur sind jene muslimische Verbände aus Sicht der hessischen Landesregierung entweder keine geeigneten Gesprächspartner oder sie erfüllen schlicht nicht die Kriterien, die das Land und auch das Grundgesetz festlegen, sprich, sie stellen keine Religionsgemeinschaft im verfassungsrechtlichen Sinne dar.

Zu den Ausgeschlossenen zählt die Islamische Religionsgemeinschaft Hessen (IRH), deren Einsatz zwar von den Grünen in Hessen unterstützt wird, doch die Hahn gar nicht erst an den „Runden Tisch“ geladen hatte, da neben dem Landesverwaltungsgerichtshof auch das Landesverfassungsgericht einige unseriöse Züge bei der IRH beziehungsweise ihren Vertretern ausgemacht hatte. Der 2009 gegründete Landesverband der „Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion“, kurz Ditib, wiederum konnte offenbar nicht überzeugend belegen, dass sie hinreichend unabhängig ist von dem staatlichen Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei in Ankara, dem die Ditib unterstellt ist. Außerdem vertritt die Ditib Landesgruppe Hessen mit ihrem Vorsitzenden, dem 51-jährigen Ingenieur Fuat Kurt, nur einen Teil der Muslime in Hessen. Überhaupt werden nach verschiedenen offiziellen Schätzungen nur etwa 25 Prozent der Muslime von verschiedenen Verbänden repräsentiert und diese vertreten zudem häufig noch sehr unterschiedliche Auffassungen vom Islam und zum Thema Trennung von Kirche und Staat. Häufig trennt sie jedoch gar nicht so sehr das Theologische, sondern ihre unterschiedlichen politischen und nationalen Hintergründe.

In den zehn Punkten, in denen das Land Hessen seine Forderungen an einen künftigen Träger für bekenntnisorientierten Islamunterricht formuliert hat, werden die Treue zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Unabhängigkeit von anderen Staaten, Deutsch als Unterrichtssprache und Unterordnung unter die staatliche Schulaufsicht als Voraussetzungen genannt. Auch soll es eine organisatorische Vereinsstruktur geben und eindeutige Regelungen über die Mitgliedschaft. Doch offenbar scheint kein Gesprächspartner diese Anforderungen allein zu erfüllen. Zwar verlangen das Grundgesetz, ein Beschluss der Kultusministerkonferenz von 1984 und Politiker, Verbände, ja selbst die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck die Einführung eines bekenntnisorientierten Islamunterrichts, doch zumindest in Hessen zeichnet sich dieser vorerst nicht ab. Überhaupt handhabt jedes der 16 Bundesländer das Thema anders. In Niedersachsen bieten bereits zahlreiche Schulen islamischen Religionsunterricht an, in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg gibt es verschiedene Projekte. Organisatorisch aber auch inhaltlich scheint es kaum Abstimmungen zu geben. Wobei zudem eher die organisatorischen als die inhaltlichen Fragen im Vordergrund stehen. Aber wie genau sieht beispielsweise so ein Lehrplan aus? Wie sieht die Ausbildung der Lehrkräfte aus? Da es „den“ Islam nicht gibt, kommt es auch immer wieder zu Widerstand bei den muslimischen Eltern, da sie befürchten, dass ihr Nachwuchs in der Schule etwas über „den Islam der anderen“ lernt.

Trotzdem sind zahlreiche Befürworter des Islamunterrichts überzeugt, dass dieser der Integration diene und die Koranschulen in Hinterhofmoscheen überflüssig machen würde. „Ist denn wegen des Angebots von Islamunterricht an den Schulen eine Koranschule bereits geschlossen worden“, fragt Hans-Jürgen Irmer auf PAZ-Anfrage bewusst provokant zurück. Der CDU-Bildungspolitiker und Landtagsabgeordnete sieht die ganze Debatte äußerst skeptisch. In seiner Monatszeitung „Wetzlar Kurier“ setzt er sich kritisch mit dem Islam auseinander und hat sich damit schon viele Feinde vor allem in linken Kreisen gemacht.

Mürvet Öztürk, Landtagsabgeordnete für die Grünen in Hessen, gibt gegenüber der PAZ zu bedenken, dass die Probleme um den Islamunterricht nicht neu seien. Sie schlägt vor, übergangsweise einen um Religionswissenschaftler erweiterten „Runden Tisch“ als Ansprechpartner anzusehen. Lehrmaterial gebe es bereits, schließlich würde man in anderen Bundesländern schon mit anerkannten Schulbüchern arbeiten. Allerdings räumt auch Öztürk ein, dass Einigungen zwischen den muslimischen Verbänden schwer zu erzielen seien. So würde ein Milli-Görüs-Mitglied kaum in eine Ditib-Moschee gehen und umgekehrt.

Anfragen der PAZ bei der Ditib Hessen und bei der IRH blieben leider unbeantwortet, so dass auf ihre Argumente nicht eingegangen werden kann.        Rebecca Bellano

Foto: In Hannover: Saja Alwa, Lehrerin für islamischen Religionsunterricht, erzählt die Geschichte des Propheten Noah. Ziel des Unterrichts ist es, religiöse Inhalte kindgerecht zu vermitteln und dabei die unterschiedlichen islamischen Strömungen sowie die anderen Weltreligionen zu berücksichtigen.


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