26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.01.11 / Ein »deutsches Oxford« für Berlin / Vor 100 Jahren wurde die heutige Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften gegründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Ein »deutsches Oxford« für Berlin
Vor 100 Jahren wurde die heutige Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften gegründet

Zum 100. Geburtstag der Berliner Alma Mater versammelte sich am 11. Oktober 1910 in der Reichshauptstadt eine hochgemute Festversammlung einschließlich des Kaisers. Mancher hatte gehofft, Wilhelm II. werde ein besonderes Geschenk mitbringen. Er brachte auch eins mit, aber anders, als viele erwartet hatten. Er verkündet nämlich die Gründung einer neuen „Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.“ (KWG). Angesiedelt wurde die Neugründung in dem dörflichen Dahlem im Südosten Berlins. Am 11. Januar 1911 erhielt die Gesellschaft Statut und Satzung.

Die KWG entstand aus dem Bedürfnis, vor dem Hintergrund des sich verschärfenden internationalen Wettbewerbs den hohen Stand der deutschen Wissenschaft in Naturwissenschaften und Technik auszubauen. Es war der berühmte Friedrich Theodor Althoff aus dem preußischen Kultusministerium, der dem Kaiser die „Begründung einer durch hervorragende Wissenschaftsstätten bestimmten Kolonie, eines deutschen Oxford“ nahe brachte. Sein Mitstreiter war der Theologe Adolf von Harnack, der spätere erste Präsident der Gesellschaft.

Die Gründung der KWG war für die Wissenschaftsentwicklung in Deutschland ein einschneidendes Ereignis, nämlich die Trennung von Forschung und Lehre. Bewusst wurden Institute außerhalb der Hochschulen geschaffen, in denen herausragende Wissenschaftler gezielt auf naturwissenschaftlichen und technischen Gebieten forschen konnten. Der größere Teil der Gelder kam aus Wirtschaft und Industrie, die somit ein Mitspracherecht bekamen. Bereits damals gab es also Drittmittelforschung.

In Dahlem wurden noch im Gründungsjahr mit den Kaiser-Wilhelm-Instituten (KWI) für physikalische Chemie und Elektrochemie sowie für experimentelle Therapie die ersten Forschungseinrichtungen aufgebaut. Ein Jahr später folgte das KWI für Kohleforschung in Mühlheim an der Ruhr, 1917 das KWI für Eisenforschung in Aachen, das 1921 nach Düsseldorf verlegt wurde. Insgesamt gab es am Ende des Zweiten Weltkriegs 26 über das ganze Deutsche Reich verteilte Institute, wobei Berlin den Schwerpunkt bildete. Dort haben die meisten Institutsbauten den Krieg überstanden und sind heute Teil der West-Berliner Nachkriegsgründung Freie Universität Berlin. Die FU trägt dem dadurch Rechnung, dass sie in diesem Jubiläumsjahr „Spaziergänge durch das deutsche Oxford“ anbietet.

Wie kaum ein anderer drückte der Physiker Max Planck (1858–1947) der Gesellschaft seinen Stempel auf. Er konnte freilich nicht verhindern, dass nach 1933 zahlreiche berühmte Kollegen wie der Chemiker Fritz Haber wegen ihrer jüdischen Herkunft diskriminiert und aus ihren Stellungen gedrängt wurden und dass die KWG auch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wie bereits im Ersten mehr und mehr in die Rüstung einbezogen wurde. Einer der spektakulären Erfolge, die Entdeckung der Kernspaltung am KWI für Chemie durch Otto Hahn und Lisa Meitner im Herbst 1938, führte dazu, dass unter Deutschlands Gegnern Befürchtungen laut wurden, das NS-Regime könne imstande sein, eine Atombombe zu bauen.

Traurige Berühmtheit erlangte das ebenfalls in Dahlem ansässige KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik. Nach 1933 ordneten sich dessen Leiter Eugen Fischer und Otmar von Verschuer bedingungslos der NS-Rassenlehre unter und suchten durch Menschenversuche in Konzentrationslagern diese wissenschaftlich zu untermauern. Bei derartigen Experimenten brachte der Verschuer-Schüler und Lagerarzt Josef Mengele zahlreiche Häftlinge aus dem Konzentrationslager Auschwitz zu Tode, abgesehen von den 3000 Menschen, die er vergasen ließ.

Max Planck, der bereits im Frühjahr 1933 während seines Antrittsbesuch bei Adolf Hitler einen von dessen berüchtigten Tobsuchtsanfällen erlebt und danach schockiert den Besuch beendet hatte, dachte bereits während des Krieges an die Zeit danach: „Mir ist der brennende Wunsch gewachsen, die Krise durchzustehen und so lange zu leben, bis ich den Wendepunkt, den Anfang zu einem Aufstieg werde miterleben können.“

Gleich nach Kriegsende versucht der bereits 87-Jährige, „seine“ Gesellschaft wiederzubeleben. Trotz der anfänglichen Vorbehalte der westlichen Alliierten, die in der KWG einen Teil von Hitlers Kriegsindustrie sahen, gelang es ihm, die Genehmigung zu erhalten. Diese hat er allerdings nicht mehr erlebt, er starb am 4. Oktober 1947.

Am 26. Februar 1948 erfolgte die Neugründung, erster Präsident wurde Otto Hahn. Allerdings war mit der Neugründung eine Umbenennung verbunden. „Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften“ (MPG) lautete fortan der Name; auf der Namensänderung hatten vor allem die Engländer bestanden.

Zum Leidwesen Berlins kehrte die MPG nicht an ihr altes Domizil zurück, sondern zog nach München. Heute umfasst die MPG knapp 80 Institute und Großforschungseinrichtungen, an denen rund 22000 Menschen arbeiten. Der Jahresetat beträgt rund 1,6 Milliarden Euro. 17 Institute haben ihren Sitz in den neuen Bundesländern, vier im Ausland. Einige geisteswissenschaftliche Einrichtungen sind darunter, die berühmteste vielleicht das MPI für Kunstgeschichte („Bibliotheca Hertziana“) in Rom. Aber der Schwerpunkt liegt nach wie vor auf den Natur- und Technikwissenschaften.

Wurde dem Kaiser seinerzeit die neue Gesellschaft mit dem Argument schmackhaft gemacht, „für Deutschland ist das Behaupten seiner wissenschaftlichen Vormachtstellung eine ebensolche Staatsnotwendigkeit wie die Überlegenheit seiner Armee“, so gilt heute als ausgemacht, dass die Bundesrepublik beim globalen Wettbewerb auch in der Wissenschaft Schritt halten muss.     Dirk Klose


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren