25.04.2024

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08.01.11 / Die ostpreußische Familie / Leser Helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Die ostpreußische Familie
Leser Helfen Lesern
von Ruth Geede

Da haben wir nun ein neues Jahr – und ich bin wieder dabei, nachdem man mich kurz vor Weihnachten aus dem Verkehr gezogen hatte. Einige Leserinnen und Leser haben das schon geahnt, weil in der Weihnachtsnummer nur eine abgemagerte Familie erschien mit dem Vermerk: „aus gesundheitlichen Gründen …“ Die bestanden darin, dass ich statt am Schreibtisch zu sitzen auf dem OP-Tisch lag. Nun habe ich wieder die Tische gewechselt und bemühe mich, die Altjahrespost zu beantworten oder an unsern Leserkreis weiterzureichen. Doch zuerst muss ich mich bedanken für die vielen guten Wünsche zu Weihnachten und zum Jahreswechsel, und wenn ich nicht jede Zuschrift persönlich beantworten kann, werden das die Absender schon verstehen. Aber gerade jetzt tun sie mir gut, sehr gut sogar.

Beginnen muss ich mit einer Rückschau, denn es kamen viele Zuschriften zu den Fragen und Wünschen, die wir in der letzten Zeit veröffentlichten. Auch wenn sie nur zu den „bunten Nuschtkes“ gehörten wie die Erinnerungen von Frau Roloff aus Rostock an den Heiligen Martin und die damit verbundenen Bräuche aus ihrer Kindheit. Ihr besonderer Wunsch betraf ein Buch über Sankt Martin, und der war schneller erfüllt als sie und ich erhofft hatten. Frau Ingrid Nowakiewitsch aus Haiger-Allendorf fand – kurz nachdem sie den Wunsch von Frau Roloff gelesen hatte – auf einem Bücherflohmarkt ein Kinderbuch über den Heiligen Martin. Sie erstand es sofort und sandte es als Weihnachtsgeschenk an Frau Roloff, die sich natürlich sehr gefreut hat. Wie Frau Nowakiewitsch darüber, dass das Buch trotz unrichtiger Adressenangabe bei Frau Roloff so schnell ankam – die Hausnummer am Rostocker Südring lautete nicht 716 sondern 71b – doch der Briefträger hatte richtig geschaltet.

Zum Thema „Martini“ fiel Frau Ilse Conrad-Kowalski aus Lübeck ein, dass ihre Mutter immer vom 11. November als „Ziehtag“ gesprochen hatte, und bestätigte damit meine Ausführungen zu dem Gesindewechsel auf den ostpreußischen Höfen. Nicht in Erinnerung war mir allerdings, dass früher die Herbstzeugnisse die Benotung der Leistungen „von Ostern bis Martini“ enthielten. „Das war auch in meinen Zeugnissen so eingedruckt!“ bestätigt Frau Conrad-Kowalski, die diese Notizen ihren ausführlichen Informationen über das von einer Leserin gesuchte Lied „O Tannenbaum, o Tannenbaum, du trägst einen grünen Zweig …“ beilegte. Da hat sich unsere immer eifrige Mitdenkerin aber Mühe gegeben, denn sie hat viele Quellen bemüht, die bestätigen, dass es sich um ein sehr altes Volkslied handelt, das schon Ende des 16. Jahrhunderts gesungen wurde. 1615 taucht es in einem Quodlibet von Melchios auf, einige Jahrzehnte später bezeugt Friedrich von Logau in seinen Sinnsprüchen die Popularität des Liedes, das im Odenwald ebenso gesungen wurde wie in Schlesien. Dass es in vielen Liederbüchern als „aus Westfalen“ angegeben wird, liegt wohl daran, dass die heute gebräuchliche Melodie aus der Gegend von Paderborn stammt und es mit dieser 1812 erstmals gedruckt wurde. Nun stammt aber auch die wunderschöne plattdeutsche Fassung aus Westfalen, und sie könnte die ursprüngliche sein, wenn man die Reime betrachtet, die in der niederdeutschen Version viel besser aufeinander abgestimmt sind als in der hochdeutschen Fassung. Leider kann ich nicht heute und hier noch näher auf die Geschichte dieses Volksliedes eingehen, das ja kein Weih-nachtslied ist, werde es aber sicher noch einmal tun, denn es sind sehr viele Zuschriften aus unserem Leserkreis gekommen.

So auch von Frau Ingrid Gebhard aus Springe, die in einem Liederbuch sogar Ludwig Uhland als Dichter des Liedes entdeckte – ihre Skepsis war berechtigt. Frau Gebhard stammt aus Berlin, aber sie interessiert sich für alles – aber wirklich alles! –, was Ostpreußen betrifft und ist deshalb eifrige Leserin unserer Zeitung. Da sie auch die Grenzmark Westpreußen-Posen gut kennt, konnte sie dem Ehepaar, das den Ort „Bombst“ suchte, die richtige Erklärung geben. Vielen Dank auch für Ihre guten Wünsche, liebe Frau Gebhard, ich kann sie ja gebrauchen!

Das Tannenbaum-Lied hat bei Frau Ruth Schönleber geb. Glandien aus Kernen Kindheitserinnerungen erweckt. Sie fand in ihrem Liederbuch den Vermerk: „Aus dem Paderbornschen Liederbuch 1812. Ältere Textfassungen seit 1615 belegt“ – also eine Bestätigung der obigen Angaben. Und dabei gingen ihre Gedanken zurück an ihre Kinderweihnacht in Königsberg und an ein Weih-nachtsspiel, das sie nie vergessen hat. Es hieß „Prinzessin Klunkermus“ und wurde Weihnachten 1943 im Südpark in Königsberg-Ponarth aufgeführt. Es handelte von einer Prinzessin, die durchaus kein Klunkermus essen wollte. (Das dürfte bei so Manchem ähnliche Erinnerungen erwecken, denn dieses typisch ostpreußische Gericht, das es in manchen Familien fast täglich gab, war nicht jedes Kinds Sache. Ich habe es aber immer sehr gerne gegessen und fischte mir mit Vorliebe die dicksten Mehlklunker aus der Milchsuppe). In dem Stück kamen auch ein Bär und eine Hofschranze vor. Frau Schönleber erinnert sich deshalb so genau an diese Personen, weil ihr Cousin später im dänischen Lager immer wieder eine Textstelle aus dem Stück vortrug. (Bär: „O je, der Kerl stinkt widerlich.“ Hofschranze: „O weh, o weh, jetzt frisst er mich. Mein letztes Stündlein sicherlich …“) Bei der Königsberger Aufführung war Ruth Glandien 13, ihr Vetter 15 Jahre alt, daher also die guten Erinnerungen. Vielleicht erinnern sich ja auch andere ehemalige Ponarther Kinder an die Aufführung? Ihre Frage: Besitzt noch jemand den Text von „Prinzesssin Klunkermus“ oder kann Näheres über das Stück sagen? (Ruth Schönleber, Birkenstr. 5 in 71394 Kernen i. R. Telefon: 07151/44008)

Die Frage von Frau Laugalies, wo an der Königsberger Schlossmauer die Kanttafel hing, ist ja bereits hinreichend geklärt worden und sie freut sich sehr darüber − aber auf zwei Zuschriften muss ich doch noch näher eingehen. Da ist die von Herrn Rudolf Matern aus Kiel, der sich auch noch an einige Aufsehen erregende Vorfälle erinnert, die sich in unserer Zeit am Schloss zugetragen hatten, auf die ich leider hier nicht näher eingehen kann, und der ein Bild von der Kanttafel beilegte, das wir heute bringen, denn es kamen einige Bitten um Veröffentlichung einer Abbildung. Passt auch zu der Zuschrift von Frau Eve-Marie Ludwig aus Hamburg, die uns mitteilt, dass sich auch heute dort eine Nachbildung der Kanttafel befindet. Man hat einen Teil der Schlossmauer wieder errichtet, und als Frau Ludwig bei einem Besuch ihrer Heimatstadt die Tafel sah – die da hängt, wo einmal das Kaiser Wilhelm-Denkmal stand –  dachte sie: Fast der alte Platz!

Die Glocke aus Friedland, die heute in der Kirche von Langenhagen bei Hannover hängt, hat Herrn Dipl. Ing. Manfred Müller aus Wolfsburg angeregt, ausführlich über die Glocken der Evangelischen Kirche von Friedland zu schreiben, und wir erhalten damit authentisches Material aus erster Hand. Denn Herr Müller kann sich auf den „Führer durch die Evangelische Kirche in Friedland a. d. Alle“ beziehen, den der Friedländer Paul Zimmermann im Jahr 1928 im Verlag von Otto Dembeck, Friedland, herausgab. Er schreibt dazu: „Im Juli 2010 bin ich mit meiner Familie durch den russischen Teil von Ostpreußen gefahren. Wir waren auch in Friedland, wo mein Onkel Friedrich Bast und meine Tante Anna geb. Grenz verw. Müller eine Hofstelle hatten. Selbstverständlich waren wir auch auf dem Turm der Evangelischen Kirche und haben von dort die wunderschöne Aussicht genossen. Im hölzernen Glockenstuhl konnten wir eine alte Glocke aus dem Jahr 1729 entdecken.“ Zu der Glocke in Langenhagen legt Herr Müller eine Kopie der betreffenden Stelle aus dem Kirchenführer bei. Demnach besaß die Kirche ursprünglich drei Glocken. Wir zitieren wörtlich: „Die beiden größten wurden 1722 von Ohlsson in Lübeck umgegossen. Sie erhielten unter dem Haupt die alten Inschriften, auf dem Mantel die Neuen. Die größte Glocke: In di ere gotis marien unde des liben Sancti Johannes im jar MCCCCXCV (1495). Hinzugefügt: Das Vaterland in Not und Leid, Herr, lass mich künden bessre Zeit. Die mittlere: discedite a me maligni in ignem aeternum anno MCCCCLII (1452). (Gehet weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer). Hinzugefügt: Ich rufe zu Gott. Er hilft in Not und Tod. Die kleinste Glocke ist alt. Inschrift unter dem Haupt: o rex glorie Christe veni cum pace. Amen MCCCCLXX (1470). (O Christe, König der ehren, komme mit deinem Frieden). Darunter folgender Spruch: Wenn ich die Ohren fülle, so fülle du, Gott, das Herz. Sonst ist mein Ruf zum Grab und Wort des Lebens gewiss vergebens. MDCCXLN (1749).“ Soweit der Auszug aus dem Kirchenführer. Es handelt sich also bei der in Langenhagen hängenden Glocke um die kleinste der Friedländer Glocken, wie der Spruch beweist. Zwischen den angegebenen Jahreszahlen gibt es allerdings eine Differenz, denn in der Langenhagener Kirchenchronik wird sie mit 1746 angegeben. Herr Müller fragt nun, ob und wie ich diese Abweichung erklären kann. Ich kann nur vermuten, dass diese durch eine ungenaue Deutung oder fehlerhafte Angabe der Inschrift entstanden ist, was anscheinend auch bei der noch heute im Turm der Friedländer Kirche hängenden Glocke der Fall ist. Herr Müller gibt diese mit 1729 an, die Umgießung erfolgte aber laut Kirchenführer 1722. Ich finde das auch nicht so gravierend, viel wichtiger ist doch, dass hier ein Kapitel deutscher Kirchengeschichte aufgezeigt wird, das bis in die Ordenszeit zurückreicht. Und es ist tröstlich, dass noch heute eine von ihnen im Kirchturm von Friedland hängt, also seit über 550 Jahren!

Herr Müller besuchte auf seiner Heimatreise auch das Gotteshaus, in dem er am 28. Juli 1939 getauft wurde: den Königsberger Dom. Er besitzt noch ein Foto von der Taufe sowie die Taufurkunde mit Domsiegel. Das veranlasste einen russischen Journalis-ten zu einem Interview mit dem Königsberger, das mit einem Foto von Manfred Müller, das ihn auf Spurensuche in seiner Heimatstadt zeigt, fünfspaltig in einer Königsberger Zeitung erschien.

Das ist nur eine erste Selektierung der vielen Zuschriften mit Grüßen, Glückwünschen, Danksagungen und neuen Fragen. Es gibt also viel zu tun − auch im neuen Jahr!

Foto: Inschrift der Kant-Tafel: Immanuel Kant. *1724, †1804. Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.


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