20.04.2024

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08.01.11 / Oma Anna ist klasse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Oma Anna ist klasse
von Gabriele Lins

Dinas und Bernds Eltern wollen für drei Tage verreisen. Deshalb holen sie die Großmutter der Kinder aus deren Wohnung zu sich ins Haus, damit diese die schon leicht tüdelig scheinende alte Dame versorgen und beaufsichtigen können.

„Oma will zwar nicht, aber sie muss“, meint Frau Bogart zu ihren Kindern, „für die paar Tage gebe ich sie in eure Obhut. Passt auf, dass sie nicht all zu viel mit ihrer Vergesslichkeit anrichtet.“

Oma Anna packt denn auch gleich ihre wenigen Sachen in den Schrank des Kinderzimmers, das Dina für die paar Tage zur Verfügung gestellt hat.

„Oh weia“, ruft das Mädchen aus. Da liegen Omas zarte Blüschen auf den noch schmutzigen Gartenschuhen. Ihre Nachthemden baumeln statt der Kleider und Hosen von den Bügeln herunter, und die Sachen, die aufgehängt gehören, sind wahllos in die Fächer gestopft worden.

Auch sonst macht die alte Dame den Kindern allerhand Mühe, weil sie so eigensinnig ist. Zum Frühstück will sie Löwenzahnblätter aus dem Garten für ihre Schnitte, und als Bernd die gezackten Blättchen im Garten gepflückt und gewaschen hat, legt sie diese einzeln und langsam zählend auf ihr Honigbrot. Sie möchte Milch statt Tee, und wenn das gesunde Getränk dampfend vor ihr steht, wünscht sie doch lieber einen heißen süßen Kaffee. Die Kinder müssen öfter an sich halten, um nicht loszuschimpfen. Mittags möchte Oma Pizza mit Hähnchen statt der leckeren Erbsensuppe, die Frau Bogart vorgekocht und eingefroren hat. Und als die Post durch den Türschlitz gesteckt wird, wirft sie die Briefe ungeöffnet in den Papierkorb.

„Wenn Mama und Papa wiederkommen, können sie uns erst einmal in die Klapsmühle stecken“, stöhnt Dina. „Und Oma gleich mit“, fügt Bernd hinzu und legt den Kopf mutlos auf die Unterarme, „ich bin schon jetzt geschafft!“

„Diiinaaa, Beeernd“, ruft ihr betagter Pflegling auch schon mit großer Lautstärke, „ich will mit euch ,Mensch-ärgere-dich-nicht‘ spielen! Es ist doch Feiertag, und ihr braucht nicht in die Schule. Da könnt ihr mal ein bisschen Zeit für mich aufbringen. Oder vielleicht nicht?“

Ergeben legt der Junge das Spiel auf den Tisch und verteilt die bunten Kegel. „Aber nicht schummeln, Oma!“ „Ach, ich verliere eh immer“, lacht die alte Dame, „aber das sehr gerne. Ist doch viel interessanter als ewig zu gewinnen!“

Doch sie schummelt, was das Zeug hält, und gewinnt deshalb drei Mal. Sie strahlt über ihr noch glattes, rosiges Gesicht und zieht triumphierend den Gewinn, eine CD mit den neuesten Songs hervor, die die Kinder liebend gerne gehabt hätten. „Seit wann magst du denn Pop?“ fragt Dina. „Ihr wisst eben gar nix von mir!“ meint Frau Anna vorwurfsvoll.

Oma macht Musik. „Heute kommen ja eure Eltern wieder, denen spiel ich das Gedröhne auch noch vor!“ Sie schwingt Arme und Beine, wackelt mit den Hüften und summt laut mit. Ihre Augen strahlen ein seltsames Lächeln aus.

Da geht die Haustür auf und die Eltern stehen mit besorgten Gesichtern auf der Schwelle. „Na, ging alles gut, ihr Hübschen?“ Die Kinder nicken heftig. „Klar. Oma war – war zum Knutschen!“

Da lacht die alte Dame laut heraus, nimmt ihre Enkel in den Arm und sagt mit weicher Stimme: „Schwindelt doch nicht! Ich habe euch ganz schön zu schaffen gemacht, stimmt‘s! Wisst ihr, ich bin eigentlich noch gar nicht so tüdelig und eigensinnig, wie ich mich gegeben habe, wollte euch nur prüfen, wie ihr auf meine hirnverbrannten Wünsche reagiert, und ich muss sagen, ihr wart einsame Spitze! Und deshalb könnt ihr euch für die Ferien eine Reise von mir wünschen.

Selbst wenn ihr nach Griechenland wolltet, ich würde euch alles bezahlen, denn das habt ihr euch schwer verdient!“

Und nun schaltet sie die CD mit der Popmusik wieder an und schwingt und wackelt und summt, und die anderen machen es ihr nach.

„Bei den Bogarts ist heute was los“, sagen die Nachbarn und schütteln die Köpfe. „Oma ist klasse!“ rufen die Kinder aus vollem Herzen.


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