19.04.2024

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08.01.11 / Hasen-Silvester 1944

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-11 vom 08. Januar 2011

Hasen-Silvester 1944
von Horst Redetzky

In Ostpreußen war Hasensilvester immer am 14. Januar. Danach begann die Schonzeit, die bis Ende September dauerte. Wegen meines Fronteinsatzes hatte ich noch nie an einer solchen Jagd teilgenommen. Als ich zufällig am 12. Januar 1944 aus dem Lazarett in Magdeburg zur Führerreserve nach Allenstein verlegt wurde, setzte ich darum alles auf eine Karte. Ich musste nur den Umweg über Brittanien-Tilsit wagen und einen Tag anhängen. Beides war natürlich ein Dienstvergehen. Aber ich hatte Glück. Die „Kettenhunde“ (Militärpolizei) kontrollierten auf dieser Nebenstrecke nur die Mannschaften.

Der 14. Januar war ein sonniger, frostklarer Wintertag. Vater brachte mich mit dem Schlitten zum Treffpunkt an der neuen Gendarmerie in Nausseden. Dort, wo der Deich an der Straße nach Elchwinkel endet. Er musste wieder heimfahren, weil er seinen Jagdschein im Jahre 1942 wegen einer Gefängnisstrafe verloren hatte. Auch meine Mutter und mein kleiner Bruder wurden damals der Fraternisierung mit den belgischen Kriegsgefangenen verdächtigt.

Zur Jagdgesellschaft gehörten mehrere Förster, ältere Bauern, Parteigrößen und einige Urlauber, die Jäger waren. Die Einladung zur Jagd war von der Försterei Ackmenischen (Dünen) und von Herrn Penschuck aus Katrinigkeiten (Schornigen) ausgegangen. Meine besondere Aufmerksamkeit galt dem Ortsgruppenleiter B., der mit einem weiteren Parteigenossen versucht hatte, die Nausseder Jagd meines nun „unwürdigen“ Vaters an sich zu reißen. Das wollte ich ihnen heute auf meine Weise – wenn möglich – heimzahlen. Auf jeden Fall wollte ich mit einer besseren Strecke glänzen und ihnen so die Freude vermiesen. Zufällig oder gewollt unterstützte mich der Jagdherr bei meinem Vorhaben durch gute Stände bei den Vorstehtreiben. Ich fand nichts dabei, dass man mich auf Grund meiner 22 Lenze und der dreimaligen Verwundung in Russland ein wenig bevorzugte.

Das erste Treiben im Forst grenzte an unsere Nausseder Jagd, deren Pächter ich nach Vaters Ausbootung trotz aller Intrigen schon mit 21 Jahren geworden war. Gleich nach dem Anblasen zum Drücken begann ein munteres Schießen. Bei dem klaren Frostwetter hielt es die Hasen nicht lange in ihren Sassen. Zufällig zwang der Zaun eines Saat-Kamps das Wild direkt vor meine Flinte. Schon nach dem ersten Treiben konnte ich daher vor allen anderen zwei Hasen und sogar einen Fuchs vermelden. – Weitere Waldtreiben fanden dann an der Kiesstraße Ackmenischken-Ibenhorst statt. Hier lag in den Jagen tiefer Schnee. Dadurch wurden die Hasen langsamer. Als ich immer wieder neben meine „guten Freunde“ postiert wurde, schoss ich ihnen – gegen jede Anstandsregel – auf zu weite Entfernungen die Hasen vor der Nase weg. Das konnte ihnen nicht gefallen. Leider war der Mann Frontsoldat!

Die Treiben bei Penschuck waren weniger ergiebig. Aber es lepperte sich zusammen. Am Abend lagen neun Hasen und der Fuchs von mir auf der beachtenswerten Strecke. Das gönnte ich den Parteibonzen. Und sicher war es auch eine Genugtuung für meinen Vater, der mich abholte. Daß mein Vetter Albrecht (Gasthaus Mitzkat-Herdenau) mit elf Kreaturen Jagdkönig wurde, setzte meinem Vergnügen noch die Krone auf. Als Mutter am Abend nach dem Rehbraten noch eine Flasche Johannisbeerwein auftischte, verzichtete ich: „Ich muss morgen ganz früh nach Allenstein, sonst fällt meine Extra-Tour auf. Wir trinken sie beim nächsten Urlaub.“ Wir haben sie getrunken, aber erst im April 1949! In Ostfriesland. Dazwischen lag die Flucht meiner Eltern quer durch Deutschland und bei mir eine weitere Verwundung und fünf Jahre russische Gefangenschaft. Der Wein hatte die Flucht unbeschadet überstanden. Jetzt zählte aber nur das glückliche Wiedersehen. Hasensilvester, das war einmal!

Foto: Nur noch wenige Tage bis zum 15. Januar, dann beginnt die neunmonatige Schonzeit für Meister Lampe: Feldhase (Lepus europaeus) duckt sich in eine Mulde.


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