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15.01.11 / Auch Menschenrechte sind relativ / Deutsche Entwicklungshilfe akzeptiert, dass der Weg zu deren Einhaltung lang und steinig ist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-11 vom 15. Januar 2011

Auch Menschenrechte sind relativ
Deutsche Entwicklungshilfe akzeptiert, dass der Weg zu deren Einhaltung lang und steinig ist

Während Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy angesichts des Attentats auf die Kopten in Ägypten und der Entwicklung im Irak von einem „religiösem Säuberungsplan“ spricht, den Paris nicht tolerieren würde, versucht man in Berlin nach Beileidsbekundungen schnell wieder zum Tagesgeschäft überzugehen.

„Wir sollten unsere Entwicklungshilfe an der Frage ausrichten, ob in einem Land Christen vom Staat oder einer anderen Seite verfolgt werden“, empfahl schon wenige Stunden nach dem Anschlag auf Christen in Ägypten der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller. Und auch der menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, meinte, Deutschland müsse seine außen- und entwicklungspolitischen Vereinbarungen mehr an Bedingungen hinsichtlich der Menschenrechtslage knüpfen. Da auch der Bischof der in Deutschland lebenden Kopten, Anba Damian, kritisierte, dass seine Glaubensbrüder in Ägypten von der Entwicklungshilfe so gut wie ausgeschlossen seien, und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy gar von religiösen Säuberungen im Mittleren Osten sprach, die sein Land nicht hinnehmen wolle, stellte sich die Frage, inwieweit Deutschland bei seiner Entwicklungshilfe tatsächlich indirekt die antichristlichen Entwicklungen in der Region unterstützt.

Angesichts derart unverblümter Angriffe reagierte das von Dirk Niebel geführte Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sofort. Das Einhalten der Menschenrechte sei „schon immer das oberste Leitprinzip der deutschen Entwicklungshilfe“ gewesen. Die Bundesregierung habe bereits wegen Missachtung der Menschenrechte die Zusammenarbeit mit Staaten wie Sri Lanka oder Birma eingestellt. Seit August 2005 sei die bilaterale Zusammenarbeit mit dem radikal-islamischen Iran eingefroren. Es sei danach nur noch das Projekt „Erdbebenhilfe Bam“ aus humanitären Gründen durchgeführt worden. Dieses Vorhaben wurde 2008 abgeschlossen. Derzeit seien keine neuen entwicklungspolitischen Aktivitäten geplant. Allerdings sind im Falle des Iran vor allem dessen Atombombenpläne der Grund für die Einstellung der Zusammenarbeit gewesen und nicht dessen zahlreiche Missachtungen von Menschenrechten.

Zudem sieht man im Entwick-lungshilfeministerium die Einhaltung der Menschenrechte eher pragmatisch. Achtung, Schutz und Gewährleistung der Menschenrechte seien zwar das Fundament für die demokratische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung jedes Landes, hieß es auf PAZ-Anfrage, aber „aus der praktischen Entwicklungszusammenarbeit wissen wir, dass die Verwirklichung der Menschenrechte eine schwierige und langfristige Aufgabe ist. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt den Aufbau von Strukturen und Kapazitäten zur Verbesserung von Regierungsführung. Ziel ist, die Regierungen der Partnerländer bei der Anwendung menschenrechtlicher Prinzipien wie Selbstbestimmung, Nichtdiskriminierung, Chancengleichheit, Empowerment und Partizipation, Transparenz und Rechenschaftspflicht zu unterstützen. Menschenrechte und Diskriminierungen, soweit sie der Bundesregierung bekannt sind, werden im politischen Dialog mit den Partnerregierungen offen angesprochen.“

Dass der Dialog wirklich so offen ist, wie behauptet, darf bezweifelt werden. Wieso dürfen beispielsweise in der Türkei immer noch keine Kirchen gebaut werden und wieso werden die christlichen Aramäer im Land immer noch offen unterdrückt, obwohl die Türkei sogar EU-Beitrittskandidat ist? Und wieso wird in Kairo nicht einmal direkt nachgefragt, wie viel an der Behauptung der Kopten dran ist, dass aufgrund von religiöser Diskriminierung kein einziger Gouverneur, Staatssekretär, Universitätsrektor, Schulleiter oder Richter in Ägypten Christ ist?

Allerdings erscheint es wiederum unwahrscheinlich, dass Christen von der deutschen Entwick-lungshilfe gezielt ausgeschlossen würden. Da direkte Zahlungen an ausländische Regierungen offenbar kaum noch vorkommen, so zumindest Niebels Ministerium, dürfte eine direkte Diskriminierung von Christen durch muslimische Staatschefs bei der Verteilung von deutschen Geldern schwierig umzusetzen sein. Deutschland zahlt für die Jahre 2010 und 2011 190 Millionen Euro für zweckgebundene Projekte in Ägypten. Es unterstützt das Land bei der Reform des Wassersektors und hilft bei einem ressourcenschonenden Umgang mit Wasser, der Schaffung einer umfassenden Trinkwasserversorgung aller Bevölkerungsschichten, Effizienzsteigerung bei der landwirtschaftlichen Nutzung von Wasser und bei der Modernisierung einer Abwasserinfrastruktur. Außerdem berät Deutschland bei notwendigen Reformen auf dem Energiesektor, dem Umweltschutz sowie der Aus- und Weiterbildung. Da die neue Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit beziehungsweise ihre Vorgängeragenturen sich ihre Partner vor Ort selbst aussuchen, müsste die Bundesrepublik Deutschland schon selbst vor Ort gezielt mögliche christliche Partner diskriminieren, um diese von der deutschen Entwick-lungshilfe auszuschließen.

Wobei nicht nur an der Antwort des BMZ auf die PAZ-Anfrage auffällt, dass Religionsfreiheit zumindest explizit keine Erwähnung findet. So stellt das Ministerium auf seiner Internetseite jedes der Länder, mit denen es in der Entwicklungshilfe zusammenarbeitet, sehr übersichtlich und durchaus kritisch dar, doch das Thema Religionsfreiheit wird weder bei Ägypten noch Jemen oder Pakistan explizit erwähnt. Stattdessen ist viel von Armut, Pressefreiheit, Benachteiligung der Frau, Korruption, islamistischem Terror und mangelnder Bildung die Rede. Bei Syrien wird betont, dass die Menschenrechtslage unbefriedigend sei: „Zwar herrscht in Syrien traditionell eine große religiöse Toleranz, doch Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind stark eingeschränkt.“ Dass die religiöse Toleranz auch in Syrien nicht dem entspricht, was wir in Deutschland darunter verstehen, darüber geht das BMZ hinweg. Rebecca Bellano


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