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15.01.11 / »Wir sind eine Märtyrerkirche« / Obwohl sie stets Angriffen ausgesetzt sind, weichen die Kopten nicht aus Ägypten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-11 vom 15. Januar 2011

»Wir sind eine Märtyrerkirche«
Obwohl sie stets Angriffen ausgesetzt sind, weichen die Kopten nicht aus Ägypten

Nur wenige Tage nach dem blutigen Attentat von Alexandria in der Silvesternacht vor der dortigen Allerheiligenkirche haben koptische Christen unter strikten Sicherheitsvorkehrungen ihr Weihnachtsfest gefeiert.

Die koptischen Christen in Ägypten haben in den letzten Wochen Furchtlosigkeit gezeigt angesichts des von islamischen Fanatikern angerichteten Blutbades. „Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn“, zitierte ein Priester die Worte des Apostels Paulus aus dem Römerbrief 14, Vers 8. „Wovor sollten wir Angst haben?“ Die Christenheit in Ägypten widersteht seit über 1350 Jahren der islamischen Benachteiligung und Unterdrückung, davor überlebte sie brutale Verfolgungswellen im römischen Reich. Anders als die Christenheit im Irak, Palästina oder in der Türkei, die früher oder später weitgehend verdrängt oder assimiliert wurde, gaben die koptischen Christen weder Heimat noch Glauben auf. Sie sind der Rest der einst blühenden christlichen Kirche in Nordafrika, die im weiten Gebiet vom heutigen Marokko über Algerien, Tunesien bis einschließlich Libyen im siebten Jahrhundert unter islamische Herrschaft geriet und nach langsamem Niedergang vermutlich im Hochmittelalter außer in Ägypten unterging.

Die Opfer der Standhaftigkeit der Kopten waren allerdings hoch. „Sie nehmen uns immer unsere Kinder“, klagte die 44-jährige koptische Christin Munira angesichts von 23 Toten am Neujahrstag. Schon seit jeher bezeichnen sich die Kopten als „Märtyrerkirche“. Im Land am Nil, wo einst das Volk der Israeliten und die Heilige Familie Zuflucht fanden, ist das Christsein bis heute lebensgefährlich. Im späten dritten Jahrhundert verfolgte der römische Kaiser Diokletian die Christenheit, zerstörte alle Kirchen und ließ fast alle Priester und Bischöfe ermorden. Nach der islamisch-arabischen Eroberung 639/40 wurden die Christen zu Bürgern zweiter Klasse. Von ihnen wurden, wie vom Koran vorgeschrieben, Extra-Steuern erhoben; von vielen Posten und Geschäftsfeldern sind sie seitdem ausgeschlossen. Als Folge dieser Politik ist das koptische Viertel in Kairo heute einer der ärmsten Stadtteile der ägyptischen Hauptstadt. Es stinkt hier im wörtlichen Sinne zum Himmel. Das liegt daran, dass die ägyptische Müllabfuhr – zum Zweck der Mülltrennung, wie es offiziell heißt – den Unrat direkt auf die Straßen der Christen kippt.

Die Kopten werden auch heute immer wieder zum Ziel blutiger Übergriffe. Allein 61 religiös motivierte Gewalttaten gegen Kopten, deren Name sich vom griechischen Wort für „Ägypter“ herleitet, zählt die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ seit 2008. Viele davon wurden von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten letztlich nicht verfolgt. Auch das Attentat auf die koptische Gemeinde von Nag Hammadi im Januar 2010, bei dem sechs Menschen getötet wurden, wurde nie richtig aufgeklärt.

Dies scheint nach dem jüngsten Anschlag anders zu sein. Die weltweiten Proteste – allen voran Papst Benedikt in seiner Neujahrsansprache – zeigten ebenso Wirkung wie die Demonstrationen der Kopten in den folgenden Tagen, denen sich auch Muslime anschlossen. Präsident Mubarak rief Christen wie Muslime dazu auf, geschlossen gegen den Terror zu kämpfen und dem „Terrorismus den Arm abzuhacken“. Hauptmotiv dieser martialischen Worte, denen in der Vergangenheit meist keine Taten gefolgt sind, ist aber wohl die Sorge um den ägyptischen Tourismus. Jeder Anschlag gefährdet die wichtigste Devisenquelle des Landes.

Selbst führende Mitglieder der radikalen Muslimbruderschaft lehnen den Terror strikt ab und warfen den Behörden sogar vor, die Drohungen von noch radikaleren Islamisten nicht ernst genommen zu haben. Tatsächlich hatte der Al-Kaida-Ableger „Islamischer Staat Irak“, der auch für das Blutbad unter Christen in Bagdad am 31. Oktober 2010 verantwortlich zeichnete, eine „Todesliste“ veröffentlicht. Davon berichtet am 30. Dezember, einen Tag vor dem Attentat, auch die katholische Zeitung „Die Tagespost“. Stutzig machen überdies Berichte, dass ägyptische Behörden eine Stunde vor dem Attentat ihre Sicherheitskräfte abgezogen haben sollen.

Die Regierungen von Saudi-Arabien, Kuwait und Katar äußerten in offiziellen Stellungsnahmen Abscheu über das Attentat. Offenbar fürchten diese Länder, dass der islamistische Terror aus Irak und Afghanistan bald auch ihre Länder erreicht. Auch in Deutschland distanzierten sich Islam-Verbände von den Anschlägen und bezeichneten sie als Beleidigung Gottes. Hinrich E. Bues


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