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15.01.11 / Rot, groß und amorph

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-11 vom 15. Januar 2011

Rot, groß und amorph
von Konrad Badenheuer

Bis zur Entstehung der Grünen war die politische Linke in der Bundesrepublik Deutschland eine sehr übersichtliche Veranstaltung: Neben ein paar linken Spinnern bei K-Gruppen und Jusos gab es nur die SPD.

Die Zeiten haben sich geändert. Die Grünen haben sich vor fast 30 Jahren als zweite linke Partei etabliert, die SED/PDS/Linke etwa zehn Jahre später als dritte. Da auch die CDU heute konservatives Denken nur noch in Spuren vertritt, dagegen soziale Anliegen umso intensiver (Parteivize Jürgen Rüttgers nannte sich mit Stolz „Arbeiterführer“), könnte man schon fast von vier mehr oder weniger linken Parteien reden.

Doch damit nicht genug: In der SPD selbst nahm die Fragmentierung zu. Zu den beiden klassischen Flügeln, dem „rechten“ Seeheimer Kreis und den eigentlichen Linken, kamen 1998 als dritte Gruppe die sogenannten „Netzwerker“, eine zunächst rein informelle Gruppe vorwiegend junger Bundestagsabgeordneter. Inzwischen haben sie sogar eine eigene Internetseite und gewählte Sprecher.

Die Gründung des „Netzwerks“ war in einem zentralen Punkt eine ehrliche Sache: Während „Seeheimer“ und „Linke“ zwar immer auch um Posten stritten, gab es hier noch echte Glaubenskämpfe. Man diskutierte lange über den richtigen Weg in eine sozial gerechte Gesellschaft, tiefe Überzeugungen prägten den Diskurs. Die Netzwerker waren dagegen wirklich „Post-68er“. Nicht die richtige Antwort auf Sachfragen, sondern das persönliche Fortkommen stand im Zentrum des Sinnens und Trachtens. Das war ehrlich, aber für den Wähler nicht unbedingt attraktiv.

Der hatte allerdings, wenn er linke Überzeugungen vertrat, so viel Auswahl, dass der Schrumpfungsprozess der SPD ohnehin nicht überraschen konnte. Wem vor einer Generation als linker Demokrat nur die SPD blieb, hat heute vier Parteien zur Auswahl. Das sogenannte „linke Lager“ ist dadurch in der Summe größer geworden, die SPD kleiner.  Immer seltener werden die Phasen, in denen Union und FDP zusammen in bundesweiten Umfragen eine Mehrheit auf sich vereinigen, wobei man Teile der heutigen CDU-Unterstützer nach allen traditionell gültigen Maßstäben getrost als „Linke“ bezeichnen kann. Das so auf vielleicht 60 Prozent angeschwollene linke „Lager“ ist merkwürdig amorph. Gemeinsame Grundpositionen sind außer einer penetranten Präferenz für die Gleichheit gegenüber der Freiheit kaum zu erkennen.

Es ist noch nicht absehbar, wohin dieser langfristige Trend weg von eigenen Überzeugungen, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung, hin zum Wunsch nach materieller Umverteilung führen wird. Ohne Parteien mit programmatischem Profil wird das Land aber auf Dauer nicht zu regieren und zu gestalten sein. Es bliebe nur ein an Umfragen orientiertes Verwalten.


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