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22.01.11 / »Exportartikel« Mensch / Seit langem versuchen Länder, Beschäftigungsprobleme auf Nachbarn abzuwälzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

»Exportartikel« Mensch
Seit langem versuchen Länder, Beschäftigungsprobleme auf Nachbarn abzuwälzen

Arbeitsmigration hat viele Folgen für alle Beteiligten. Oft diente und dient sie den Herkunftsländern zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit und Devisenmangel.

Als Walter Ulbricht 1961 seine „Ossis“ einmauern ließ, öffnete Tito seinen „Jugowitschen“ die Grenzen zur Welt – mit Erfolg: Die bedrohliche Arbeitslosigkeit wurde „exportiert“, 612000 „gastarbajteri“ vermieden nicht nur Beschäftigungsprobleme, sondern überwiesen bis 1986 jährlich 1,5 Milliarden D-Mark. Das entsprach etwa 40 Prozent der im Export erzielten Devisen des Landes und wurde ergänzt durch weitere Milliarden, die die Auswanderer in der Heimat auf „Devisenkonten“ deponierten oder in Firmengründungen steckten. Ende 1955 hatte Deutschland einen ersten Anwerbevertrag mit Italien geschlossen, bis 1965 folgten weitere mit Spanien, der Türkei und Marokko, zuletzt 1968 mit Jugoslawien, mit dem Bonn aber schon seit Jahren auch ohne Vertrag eng kooperiert hatte.

Jugoslawien zerfiel, auch Milliarden-Überweisungen bewahrten es nicht vor einem blutigen Bürgerkrieg, der statt Gastarbeitern 700000 Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo nach Deutschland brachte. Doch das Modell Arbeitslosenexport kopierte nach 1980 Polen – so massiv, dass der Westen mit harschem Visazwang den polnischen „Drang nach Westen“ stoppen musste. Inzwischen ist das Vergangenheit, und wenn Gjergj Dedaj, Vize-Arbeitsminister des Kosovo, heute die 70 Prozent Arbeitslosen seiner Region in der EU oder USA abladen möchte, stößt er auf Ablehnung. Der Westen hat aus den Erfahrungen Deutschlands gelernt, das zwar schon in den 70er Jahren die Anwerbung stoppte, aber dafür umso mehr Familiennachzug erlaubte. Das Land bekam so statt der „Rotation“ von Gastarbeitern Millionen zum Teil integrationsfeindlicher „Migrationshintergründler“, die die Kriminalitätsstatistiken auffüllen und die Sozialsysteme belasten.

Bei uns ist Arbeit knapper und qualifizierter geworden, Ungelernte aus Südeuropa oder Nordafrika sind kaum noch gefragt. Anderswo ist es anders, weswegen acht (von insgesamt 88) Millionen Philippinos im Ausland arbeiten und jährlich zwölf Milliarden Dollar nach Hause überweisen. Arbeitsmigranten sind auch Mexikos und Pakistans größter „Exportartikel“, ganz zu schweigen von aktuell etwa 130 Millionen Wanderarbeitern innerhalb Chinas, für die Peking alljährlich 24 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen muss, will es soziale Revolten vermeiden. Besser steht es um Arbeitskräfte aus Indien, Ägypten oder Jordanien, die mit guten Qualifikationen und Englischkenntnissen lukrative Jobs in den reichen Golfstaaten suchen.

Mitunter retten Arbeitsmigranten ihr Volk und Land – was Europa erkennen kann am Beispiel Moldawiens. Einst rumänisches Bessarabien, später Sowjetrepublik, wurde es seit 1991 von Russland mit Öl- und Gaswucher zum ärmsten Land Europas gemacht und durch militärischen Druck vom Mutterland Rumänien separiert. Seit 2004 ist Rumänien EU-Mitglied, Hilfen aus Brüssel stärken Moldawien gegen Russland. Dass das Land überhaupt noch besteht, verdankt es auch den über 600000 (von insgesamt 3,4 Millionen) Moldawiern, die im Ausland arbeiten, am liebsten in kulturell verwandten „lateinischen Ländern“ wie Rumänien und Italien, aber auch in Russland und Deutschland. Von 2005 bis 2010 haben sie über acht Milliarden Dollar heimgeschickt, 1,9 in „fetten“ Jahren wie 2008, nur 1,2 in Krisenjahren wie 2009. Laut Weltbank sind moldawische Arbeitsmigranten zu 60 Prozent unter 40 Jahren alt, meist für anspruchsvolle Jobs qualifiziert und sparsam: Etwa 1200 Euro im Monat verdienen sie, wovon sie 700 zurücklegen – „pentru zile negre“ (für schwarze Tage), aber auch in der Erwartung hellerer Tage daheim.    Wolf Oschlies


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