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22.01.11 / China als unsichtbarer Dritter / Sudan: Schwierige Verhandlungen vor Unabhängigkeit des Südens – Staatsname »Kusch«?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

China als unsichtbarer Dritter
Sudan: Schwierige Verhandlungen vor Unabhängigkeit des Südens – Staatsname »Kusch«?

Die Volksabstimmung im Südsudan konnte plangemäß vom 9. bis 15. Januar durchgeführt werden, und mit einer Beteiligung von rund 90 Prozent ist das für die Gültigkeit des Referendums nötige Quorum von 60 Prozent klar gegeben. Außer in der Grenzregion Abyei kam es zu keinen größeren Zwischenfällen.

Die Auszählung wird erst im Februar vorliegen, doch niemand bezweifelt, dass sich die Südsudanesen mit überwältigender Mehrheit für die Unabhängigkeit entschieden haben. Darauf hatte bereits die Rückwanderung von Nordsudanesen in den Norden und Südsudanesen in den Süden hingedeutet. Die Zentralregierung hat zwar zugesagt, das Votum zu respektieren, doch vor der tatsächlichen Unabhängigkeit des Südens gibt es noch schwierige Verhandlungen, die sich bis Juli hinziehen und durch Zwischenfälle sabotiert werden könnten. Denn die Grenzziehung zwischen Nord und Süd ist umstritten und höchst brisant: Es geht um Bodenschätze, genauer gesagt um die Aufteilung der Einkünfte daraus, und um den Status der Region Abyei, in der „arabische“ Nomaden mit sesshaften Viehzüchtern eines Dinka-Stammes in blutiger Fehde liegen.

Erdöl hatte bisher den mit Abstand größten Anteil an den sudanesischen Exporten und war dementsprechend auch die weitaus wichtigste Einnahmequelle des Staates. Aber das Öl kam zu gut vier Fünfteln aus dem Südsudan. Der Südsudan wiederum ist als Binnenland nun bei Ausfuhr aller für den Weltmarkt interessanten Waren von Transitländern abhängig, und alles Öl – vorerst die einzige nennenswerte Einkommensquelle des Südsudan – wurde bisher über Port Sudan am Roten Meer verschifft.

Westliche Interessenten haben zwar Pläne für eine Pipeline an den Atlantik. Aber da gäbe es mindestens zwei andere unsichere Transitländer, und vor allem würde es den chinesischen Interessen zuwiderlaufen. Denn China ist nicht nur der weitaus wichtigste Wirtschaftspartner des Sudan, sondern bezieht selbst bis zu einem Zehntel seiner Ölimporte von dort. Bei den Gesprächen zwischen Norden und Süden wird also China als unsichtbarer Dritter mit am Verhandlungstisch sitzen und viel wirksamer als irgendwelche Vermittler auf Kompromisse drängen. Denn solange die eigenen Interessen gewahrt sind, ist den Chinesen egal, wer im Norden oder Süden regiert.

Wirtschaft und Infrastruktur werden die Hauptprobleme des neuen Staates sein. Doch nach dem Wegfall des Feindbildes Nordsudan stehen außer der Grenzfrage zunächst noch andere „identitätsstiftende Maßnahmen“ auf der Tagesordnung. Klar ist, dass der bisherige Regionalpräsident Salva Kiir Mayardit Staatsoberhaupt und Juba Hauptstadt wird. Auch eine Hymne soll es bereits geben. Wie in anderen afrikanischen Mehrvölkerstaaten wird sich als Verwaltungssprache wohl die der ehemaligen Kolonialmacht, also Englisch, durchsetzen. Und als Staatsname wird „Kusch“ favorisiert, in Anlehnung an das antike Reich der Kuschiter. Das lag zwar gut tausend Kilometer weiter nördlich, und seine Bewohner waren Nubier, die mit den Völkern des Südsudan nichts gemein hatten. Aber sich auf den Glanz imaginärer Vorfahren und Reiche zu berufen, ist ja kein Einzelfall, und es gibt sogar Bezüge zur Bibel, in der ein Kusch als Enkel Noahs erwähnt wird.

Für den Restsudan hat Präsident Omar Al-Baschir eine noch striktere Anwendung der Scharia angekündigt. Die Abtrennung des teilweise christlichen Südens – mit Unterstützung durch den Westen – wird aber nicht nur im Sudan zur Radikalisierung der Islamisten beitragen. So wie ja auch der in Den Haag gegen Baschir erlassene Haftbefehl wegen Völkermords als Einmischung des Westens gesehen wird und Baschirs Stellung eher gefestigt hat.

Uno-Kreise und Potentaten in aller Welt sehen es als „gefährlichen Präzedenzfall“, dass von Kolonialmächten oder Weltkriegssiegern gezogene Grenzen nun per Referendum geändert werden. Und im Streit um das Nilwasser zählt der Südsudan jetzt zu den Oberliegern, die ihren Druck auf die Unterlieger Ägypten und Sudan verstärken werden. Dass der in Bau befindliche Jonglei-Kanal fertiggestellt wird, ist daher mehr als fraglich: Er sollte die Sümpfe umgehen, in denen die Hälfte der Wasser des Weißen Nils verdunstet, den Schiffsverkehr erleichtern und außerdem Wasser in Trockengebiete des Nordens umleiten.          RGK


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