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22.01.11 / Der gläserne Hamburger / Die Staatsbibliothek der Hansestadt hat alte Adressbücher ins Internet gestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

Der gläserne Hamburger
Die Staatsbibliothek der Hansestadt hat alte Adressbücher ins Internet gestellt

Eine Fundgrube nicht nur für Historiker sind die von der Hamburger Staats- und Universitätsbiliothek ins Internet gestellten Adressbücher aus drei Jahrhunderten.

Hätte es damals bereits Datenschützer gegeben, sie wären entsetzt gewesen. Googles „Street View“ wirkt geradezu harmlos im Vergleich zu den alten Adressbüchern, die jetzt von der Hamburger Staatsbibliothek frei zugänglich ins Netz gestellt wurden. Von 1698 bis 1966 erschienen in der Hansestadt bis auf wenige Ausnahmen jährlich Bücher, in denen alle relevanten Personen aufgelistet wurden. Pastoren, Juristen, Professoren und natürlich Kaufleute fanden dort alphabetisch gegliedert Aufnahme. Akribisch vermerkt wurden nicht nur Namen und Adressen, sondern auch Berufe, ja sogar die Bankverbindungen.

Der Aufwand, all diese Daten zu erfassen, ist heute kaum vorstellbar, schließlich gab es in den Anfangszeiten kein Telefon oder ähnliche Verbindungen. Die Mitarbeiter des Verlags „Hamburger Nachrichten“ mussten, ähnlich wie die demnächst zu erwartenden „Volkszähler“, von Tür zu Tür laufen und die Bewohner befragen. „Spätestens seit dem 19. Jahrhundert hatten die Adressbücher drei Funktionen“, erläutert Projektleiter Ulrich Hagenah. „Sie dokumentierten die Einwohnerschaft der Stadt, dienten wirtschaftlichen Interessen, da die Berufe und Geschäftsfelder mit angegeben waren, und sie boten auch Fremden wichtige Informationen. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass es stets einen umfangreichen Teil mit Angaben zu öffentlichen Einrichtungen gab.“ So lagen die Adressbücher denn auch in Hotel-Rezeptionen aus, damit die Hamburg-Touristen von einst sich informieren konnten. Neben Hinweisen auf Theater, Museen und Bibliotheken sind auch zahlreiche Anzeigen zu finden, in denen Produzenten ihre Ware feilbieten oder Ausflugsziele in die nahe Umgebung angepriesen werden.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg private Telefonanschlüsse sich immer mehr durchsetzten, übernahmen Telefonbücher die Funktion der Adressbücher. Doch Hagenah betont: „Das Interessante an den Adressbüchern ist die Fülle von Informationen nicht nur zu Personen und Firmen, sondern auch zu Straßen, deren Verlauf manchmal sogar skizziert wird.“

Ganze vier Jahre lang haben Mitarbeiter der Hamburger Staatsbibliothek die Adressbücher in den eigenen Beständen, im Staatsarchiv und in 15 anderen Bibliotheken gesichtet, sie katalogisiert und eingescannt. Ein Großteil der Bände (bis 1955) steht jetzt im Netz, der Rest soll folgen. Mit wenigen Klicks kann man den eigenen Vorfahren auf die Spur kommen, aber auch neugierig nachfragen, wo welche Prominenten gelebt haben. Der Pommer Philipp Otto Runge, dem die Kunsthalle noch bis 13. März eine große Ausstellung widmet, wohnte 1804 mit seiner Familie in der Bohnenstraße 1,  in der „schönsten Gegend der Stadt, bei der Börse und Börsenhalle, recht in dem allergrößten Spektakel der freien Reichsstadt Hamburg“, wie er seiner Frau nach Dresden schrieb. Bruder Daniel hatte 1793 mit den Kaufleuten Speckter und Hülsenbeck eine Handelsgesellschaft gegründet, die am Rödingsmarkt 49 ihren Sitz hatte. Auch der Danziger Kaufmann Heinrich Floris Schopenhauer, der Vater des Philosophen Arthur, betrieb in Hamburg Geschäfte. Während er in der Straße Kohlhöfen lebte, befand sich „das Comtoir in der Kleinen Reichenstraße 34“, später im Neuen Wandrahm 92.

Mehr ist zu erfahren über den Dichter Heinrich Heine, der von 1815 bis 1831 in Hamburg lebte und als Heinrich Harry Heine in den Großen Bleichen Wechselgeschäfte betrieb. Der Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark, der in der Heinrich-Hertz-Straße 9 lebte und ein Konto bei der Vereinsbank hatte, bot „werktäglich Sprechstunden in der Kunsthalle von 10 bis 8 Uhr“ (abends) an. Der Königsberger Heinrich Spiero, der 1905 die Hamburger Kunstgesellschaft ins Leben rief und seinen Hamburger Bürgereid ablegte, war Teilhaber der Spedition Joseph Spiero in Berlin und verfügte über ein Postscheckkonto (Nr. 2356). Alexander von Humboldt besuchte 1790/91 die Hansestadt und wohnte in dieser Zeit bei Professor Johann Georg Büsch in der Fuhlentwiete (Neustadt).

Wer Vergnügen daran hat, sich auf die Spuren Prominenter zu begeben, der kommt bei diesen Adressbüchern auf seine Kosten, er braucht allerdings ein wenig Geduld. Denn trotz eingehender Einweisung in die Möglichkeiten der Suche gelingt nicht immer sofort ein Volltreffer.          Silke Osman

http://landesbibliothek.subuni-hamburg.de/adressbuecher


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