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22.01.11 / Die Benesch-Dekrete gelten weiter / Neues Urteil im Fall Waldes & Co. – Tschechisches Verfassungsgericht stoppt Wiedergutmachung für jüdische Unternehmerfamilie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-11 vom 22. Januar 2011

Die Benesch-Dekrete gelten weiter
Neues Urteil im Fall Waldes & Co. – Tschechisches Verfassungsgericht stoppt Wiedergutmachung für jüdische Unternehmerfamilie

Über 65 Jahre nach ihrer Veröffentlichung richten die Benesch-Dekrete weiterhin Unheil an. Sogar NS-Unrecht wird mit diesen Dekreten in der Tschechischen Republik heute übertüncht.

Das Prager Unternehmen Waldes & Co. war in der Tschechoslowakei der Nachkriegszeit ein Begriff. Seine Erfindung und sein berühmtestes Erzeugnis, der nach dem legendären Diamanten Koh-i-Noor benannte Patentdruck­knopf, wurde weltbekannt. Bereits 1902 gründete Heinrich Waldes mit dem Mechaniker Hynek Puc das Unternehmen zur Herstellung kleiner Metallwaren. Die Firma florierte vor allem dank des Unternehmungsgeistes und der Begabung Waldes’. Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte sie Hunderte von Mitarbeitern und hatte Filialen in Dresden, Warschau, Paris, New York und später in Barcelona. Anfang der 20er Jahre brachte Waldes Reißverschlüsse auf den Markt, und schnell registrierte das Unternehmen weltweit Hunderte von Patenten und Schutzmarken. Wie der mährische Schuhkönig Tomasch Bata schenkte der Knopfkönig Waldes der Automatisierung und Rationalisierung sowie der sozialen Fürsorge große Aufmerksamkeit. Ein Firmenfonds half bei Mutterschaft, Geburt und Tod, zahlte für Heizmaterial, für Umzug sowie für Verbesserungsvorschläge, denn er, so Waldes, verdanke seinen Mitarbeitern viel.

Waldes war auch Mäzen von Sportlern und Künstlern, schuf eine bemerkenswerte Gemäldesammlung, engagierte sich für das Prager Kunstgewerbemuseum und gründete ein Knopfmuseum. Rechtzeitig vor der Errichtung des „Protektorats“ 1939 schickte er seine Familie in die USA. Im September 1939 kam der jüdische Unternehmer ins KZ Dachau, dann nach Buchenwald. Der Familie gelang es, ihn für mehrere Millionen freizukaufen. Waldes starb aber am 2. Juli 1940 auf der Schiffsfahrt in die USA an den Folgen der Lagerhaft. 2007 wurde er posthum mit dem Masaryk-Verdienstorden ausgezeichnet.

Waldes & Co. wurde bereits im September 1939 aufgrund der Anordnung des Reichsprotektors über das jüdische Eigentum unter NS-Treuhandverwaltung gestellt. Einziger Gesellschafter wurde das Großdeutsche Reich. Nach dem Krieg wurde das Unternehmen aufgrund der Benesch-Dekrete als deutsches Eigentum verstaatlicht. Die Entschädigungsansprüche der Erben wurden nicht berück­sichtigt, weil sie, so die Begründung, „unzuverlässige Personen“ seien, die sich „ohne Genehmigung der CSR-Behörden“ im Ausland aufhielten. Der jetzige rechtmäßige Erbe ist Georg Waldes, Sohn des Firmengründers und Inhaber der einstigen Filiale in den USA. Fünf Jahre nach dem Ende des Kommunismus wurde die Prager staatseigene Firma Koh-i-Noor, wie das ursprüngliche Unternehmen Waldes & Co. bereits von dem NS-Regime umbenannt worden war, privatisiert.

2007 entschied das Prager Stadtgericht, dass die Hälfte von Koh-i-Noor den Erben der Familie Waldes herauszugeben sei. Doch Ende 2010 hob das Verfassungsgericht in Brünn diese Entscheidung auf. Der Grund: Die Waldes-Fabrik, genauso wie ähnliche Objekte mit über 500 Beschäftigten, seien aufgrund des Benesch-Dekrets Nr. 100 bereits 1945 verstaatlicht worden und nicht erst nach dem kommunistischen Umsturz 1948, was die unüberschreitbare Restitutionsgrenze sei. Die erste Verstaatlichung in der NS-Zeit blieb unerwähnt. Dem Verfassungsgericht zufolge ist es allerdings bedauernswert, dass die Familie sowohl vom nationalsozialistischen als auch vom kommunistischen Regime verfolgt worden sei.

Nicht weniger bedauernswert ist, dass ein Rechtsstaat, für den sich die Tschechische Republik ausgibt, keine Gerechtigkeit walten lässt. Im Gegenteil: Unrecht ist dem tschechischen Staat von Anfang an immanent. Der Unwille der tschechischen Politik, die eigene Geschichte des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten, ist bekannt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts steht ebenso in krassem Widerspruch zu jedem Rechtsempfinden wie das rigide Beharren auf den rassistischen und menschenrechtswidrigen Benesch-Dekreten, die als Gespenster der Vergangenheit in einem Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts nichts zu suchen haben. Jeder Logik versperrt sich, dass ein frei gewähltes Parlament diese Unrechtsnormen 2002 als „unantastbar“ deklariert hat.    Milan Kubes

Abdruck mit freundlicher Erlaubnis der „Sudetendeutschen Zeitung/Volksbote“


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