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29.01.11 / Fortschritt oder Fluch?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011

Fortschritt oder Fluch?

Wohl kaum eine andere Erfindung hat das Leben der Menschheit so nachhaltig verändert wie die des Automobils im Jahre 1886. Angefangen hatte es mit zwei Fahrzeugen, einem mit drei und einem mit vier Rädern. Nach 125 Jahren ist daraus ein weltweiter Bestand von über 965 Millionen Kraftfahrzeugen geworden. Und jedes Jahr kommen 40 Millionen neue Personenwagen und 20 Millionen Lkw hinzu.

Anders als die schienengebundene Eisenbahn, die vor wenigen Wochen in Deutschland 175. Geburtstag feierte, hat das Auto der Menschheit ein bis dahin ungeahntes Ausmaß an individueller Mobilität beschert. Unabhängig von Fahrplänen, festgelegten Schienenwegen und Bahnhofsstandorten kann der automobile Mensch sich fortbewegen, wann er will und wohin er will. Für den Menschen des 21. Jahrhunderts ist die „Freiheit auf Rädern“ schier unverzichtbar. Hinzu kommt, dass gerade in Deutschland die Autoindustrie als Garant für Fortschritt und Wohlstand gilt.

Aber auch diese „Medaille“ hat ihre Kehrseite. Die Schönheit historisch gewachsener Städte wird von der automobilen Blechlawine überrollt. Landschaften werden von Beton- und Asphaltbändern zerschnitten. Verkehrslärm und Abgase machen immer mehr Menschen krank. Und dass es 2010 auf Deutschlands Straßen „nur“ noch 3750 Verkehrstote gab, wird als „Erfolg“ gefeiert. Immerhin: 1970 waren es noch über 20000.

Ist das Auto also „böse“? Wäre es besser nicht erfunden worden? Nein – „böse“ ist allenfalls, wer nicht wahrhaben will, dass wir auch nach 125 Jahren weiter um die dem Menschen sinnvoll dienende Nutzung dieser genialen Erfindung ringen müssen.             H.J.M.

 

Zeitzeugen

Nicolaus August Otto – Der streitbare Gastwirtsohn aus dem Taunus, geboren 1832, hatte weder eine technische Ausbildung noch entsprechende berufliche Erfahrungen. Er verdiente sein Geld als „Handlungscommis auf Reisen“, verkaufte an der Haustür Kolonialwaren. In der Freizeit eignete er sich technische Kenntnisse an, las alles über Dampf- und Gasmotoren, gründete schließlich am Köln gegenüberliegenden Rheinufer die „Gasmotoren-Fabrik Deutz AG“. Ohne sich dessen bewusst zu sein, erfand er den Viertaktmotor. Der Autodidakt war ein genialer Tüftler und Erfinder, aber ein schlechter Geschäftsmann und eine „schwierige Natur“. Mit leitenden Mitarbeitern zerstritt er sich und musste mit ansehen, wie diese seine Ideen zur Erfindung des Autos nutzten. Otto starb 1891.

Gottlieb Daimler – Der 1834 geborene Schwabe genoss eine humanistische Schulbildung, wandte sich aber bald technischen Fächern zu. Eine Büchsenmacherlehre schloß er mit einer doppelläufigen Pistole als Gesellenstück ab, studierte in Stuttgart und Karlsruhe, unternahm ausgedehnte Bildungsreisen nach Frankreich und England. Von 1863 bis 1869 leitet er das „Bruderhaus Reutlingen“, eine Maschinenfabrik, die Vollwaisen, Arme und Behinderte beschäftigte. 1872 trat er in Ottos Gasmotoren-Fabrik ein, machte sich 1878 selbständig, um an der Konstruktion eines Motorwagens zu arbeiten. Daimler erlebte noch den Erfolg seiner Erfindung; er starb 1900.

Karl Benz – Der 1844 geborene Sohn eines Karlsruher Lokomotivführers finanzierte sein Ingenieurstudium mit dem Reparieren von Schwarzwalduhren. Als Konstrukteur arbeitete er in einer Waagenfabrik und einer Brückenbaufirma. 1871 machte er sich selbständig, freilich ohne Erfolg. Seine junge Frau Bertha bewahrte ihn mehrfach vor dem Konkurs. Sie war auch die treibende Kraft, in der Silvesternacht 1879 nicht zu feiern, sondern zu arbeiten. In dieser Nacht lief der Motor erstmals rund, der später das erste Auto antreiben sollte. Benz starb 1929, seine Frau überlebte ihn um 15 Jahre.

Wilhelm Maybach – Der 1846 geborene Handwerkersohn war nach dem Tod der Eltern mit zehn Jahren in das „Bruderhaus Reutlingen“ gekommen. Dort wurde Daimler auf den talentierten Jungen aufmerksam, förderte ihn, nahm ihn mit nach Deutz und später nach Cannstatt. Maybach war der Ingenieur, der Daimlers Ideen technisch umzusetzen vermochte. Die Freundschaft der beiden hielt bis zu Daimlers Tod. Dessen Nachfolger aber drängten ihn immer mehr ins Abseits. 1909 machte er sich selbständig. Maybach starb 1929.


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