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29.01.11 / Geldentwertung oder Transferunion / Rücksicht auf Schuldenstaaten: EZB unterlässt Zinserhöhung trotz steigender Inflation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011

Geldentwertung oder Transferunion
Rücksicht auf Schuldenstaaten: EZB unterlässt Zinserhöhung trotz steigender Inflation

Kurz bevor EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Währungskommissar Olli Rehn dieser Tage nach Berlin reisten, um dort für eine Erweiterung des Euro-Rettungsschirms zu werben, wurde bekannt, dass sich Irland schon länger selber hilft.

In einer juristischen Grauzone der Regelungen zur Europäischen Währungsunion hat die irische Zentralbank einen Weg gefunden, mit der sie auf eigene Rechnung de facto die Druckerpresse für neue Euros anwerfen kann. Das Instrument dazu nennt sich „Emergency liquidity assistance“  (ELA) – Soforthilfe zur Sicherstellung von Liquidität. Unabhängig von der Europäischen Zentralbank (EZB) wurden irischen Geschäftsbanken im Laufe des vergangenen Jahres diese Hilfen in Milliardenhöhe von der Central Bank of Ireland zur Verfügung gestellt. Die Möglichkeit, den Geschäftsbanken durch nationale Zentralbanken befristet Liquidität bereitzustellen, existiert bereits seit 1999. Diese Geldzufuhr für Ausnahmefälle hat die irische Zentralbank bis zum Einschreiten der EZB zu einer Dauereinrichtung gemacht.

Die Bilanzposition „Sonstige Aktiva“, hinter der die irische Zentralbank den Vorgang bisher verborgen hatte, wuchs von 13,7 Milliarden Euro im Januar 2010 auf 34,6 Milliarden im Oktober bis auf 44,6 Milliarden Euro Ende November. Erst als man im Dezember bei 51 Milliarden Euro angelangt war, gab es von der EZB ein Warnsignal, dass das Instrument der Soforthilfen zu sehr in Anspruch genommen werde.

Details über ihre „Sonstigen Aktiva“ gibt die Zentralbank nicht bekannt, irische Journalisten gehen davon aus, dass es sich bei den aufgeführten Beträgen fast ausschließlich um die Soforthilfen an Geschäftsbanken handelt. Die irischen Banken leiden an einem akuten Mangel an Liquidität, da Anleger massiv ihre Gelder abziehen. Dass die irische Zentralbank in einem derartigen Umfang auf das Instrument der Soforthilfen zurückgreift, heißt nichts anderes, als dass viele Banken des Landes über keinerlei Papiere mehr verfügen, die sich bei der EZB beleihen ließen. Portugal, Griechenland und Spanien werden die irische Kreativität auf diesem Gebiet sicherlich dankbar zur Kenntnis genommen haben, da sie mit den gleichen Problemen konfrontiert sind wie der „Keltische Tiger“. Die vier sogenannten „PIGS“-Staaten hatten im zweiten Quartal 2010 eine Gesamtverschuldung von 2,2 Billionen Dollar gegenüber der übrigen Welt. Allein Deutschland hat an sie Forderungen von 513 Milliarden Dollar, so die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Mit Ausnahme von Irland haben sie weder ein Geschäftsmodell noch weltmarktfähige Produkte. Spanien leistete sich in der Vergangenheit sogar das weltweit zweithöchste Leistungsbilanzdefizit nach den USA.

Um noch Abnehmer für ihre Staatsanleihen zu finden, müssen die überschuldeten „PIGS“-Staaten Anleger mit immer höheren Zinsen locken. Für Papiere mit zehnjähriger Laufzeit musste Portugal bei der letzten Anleihenauktion am 12. Januar eine Verzinsung von 6,72 Prozent bieten, um Abnehmer zu finden. Ein Niveau bis zu sieben Prozent gilt als noch tragbar. Doch diese Grenze haben irische und griechische Anleihen bereits überschritten. Sollte irgendwann zusätzlich zu den an Anleger zu zahlenden Risikoaufschlägen auch noch das allgemeine Zinsniveau steigen, wäre das nicht mehr zu verkraften. Nur die historisch niedrigen Leitzinsen haben die vier betroffenen Länder bisher vor einer Insolvenz gerettet. Eine Erhöhung der Leitzinsen im Euro-Raum könnte zur Inflationsbekämpfung mittelfristig allerdings erforderlich werden: Im Dezember überschritt die Teuerungsrate mit 2,2 Prozent den von der EZB als kritisch gesehenen Schwellenwert von zwei Prozent. Bis zum Jahresende wird mit vier Prozent gerechnet: Hauptgrund sind steigende Energie- und Lebensmittelpreise. Der Ölpreis steigt seit Ende Mai 2010 ununterbrochen. Rohöl der Marke Brent liegt mittlerweile wieder bei 90 Dollar je Fass, ein Preis von 100 Dollar wird bald erwartet. Auch bei Lebensmitteln wird mit massiv steigenden Preisen gerechnet: Der weltweite Preisindex für Lebensmittelpreise der Uno lag im Dezember auf einem Rekordhoch. Für Deutschland besteht zusätzlich die Gefahr, dass sich der derzeitige Wirtschaftsaufschwung im Laufe der Zeit überhitzt. Die EZB wird also wahrscheinlich schon bald vor der Entscheidung stehen, entweder höhere Inflationsraten zulassen zu müssen oder bei einer Leitzinserhöhung einen Kollaps der angeschlagenen Euro-Randstaaten zu riskieren. Genau diese Situation wird für Befürwortern höherer Transfers innerhalb der EU, wie zum Beispiel Jean-Claude Juncker, der ideale Einstiegspunkt sein, um erneut höhere Leistungen von den Nettozahlern einzufordern, egal in welcher Form: gemeinsame Eurobonds, Vergrößerung des Euro-Rettungsschirms oder Aufkauf von Staatsanleihen. Demnächst könnte also die Frage aus Brüssel lauten: Inflation oder Transferunion?  Norman Hanert


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