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29.01.11 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-11 vom 29. Januar 2011

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,
liebe Familienfreunde,

an diesen kalten, grauen Wintertagen, die für uns Vertriebene so erinnerungsschwer sind, dominieren auch in den Briefen an unsere Ostpreußische Familie die Fragen, die selbst die Zeit nicht lösen oder löschen konnte. Sie werden uns noch lange und immer wieder beschäftigen, und das ist gut so. Aber hin und wieder soll man eine kleine Atempause einlegen, und dazu kommt mir der Brief von Frau Gisela Hannig aus Friedrichshafen gerade recht, denn sie berichtet von einem Familienereignis, das heute selten ist: Die Eheleute Gisela und Norbert konnten das Fest der Eisernen Hochzeit feiern. Wie diese Ehe sich auch in härtesten Zeiten bewährte, schildert Frau Hannig in Form einer kleinen Geschichte, die im alten Ostpreußen beginnt, als der Krieg sich schon seiner Endphase näherte. „Für die PAZ“, so schreibt sie. „Als Dank für jahrzehntelange, hervorragende Berichterstattung und Heimatverbundenheit wie aktuelle Hinweise!“ Da machen wir ihr gerne Platz in unserer Kolumne, und ich bin mir gewiss, dass viele Leserinnen und Leser ihre Freude an diesen humorvollen Aufzeichnungen haben, die 1944 in Ostpreußen beginnen. Als Gisela aus Heiligenbeil der Familie ihren aus Balga stammenden Auserwählten vorstellte. Und der war bei der Luftwaffe.

„,Mein Gott, ein Flieger!‘, war damals der besorgte Ausruf meines Großvaters, der in der Umgebung als Original bekannt war. ,Ein Flieger, das ist so ein Mensch – heute hier und morgen dort und überhaupt – der hat doch kein Land, nicht mal ein Pferd! Das ist wie bei den Beamten. Da singst du am 1. des Monats ,Großer Gott, wir loben Dich …‘, am 10. dann ,Jesus, meine Zuversicht‘, und am 20. ,Aus tiefer Not schrei ich zu Dir!‘ Doch der Jagdflieger schrieb aus dem Kurland-Kessel: ,Und wenn der ganze Schnee verbrennt, geheiratet wird doch!‘ Er teilte aber auch mit, dass sie dort im Kessel viel von Trockengemüse leben mussten. Das wiederum veranlasste mich umgehend zu den verwandten Bauern zu radeln, um zu hamstern. Immerhin brachte ich eine Buttercremetorte zusammen, die ich dem Kurierflieger von Heiligenbeil nach Kurland mitgeben konnte. Die Verpackung war das größte Problem, doch in Pergamentpapier zwischen zwei Leitzordnern klappte auch das. Nun hatte ich wirklich kein großes Dankeschön erwartet, aber als ich nach drei Wochen noch keine Empfangsbestätigung erhalten hatte, wagte ich am Rand eines Feldpostbriefes anzufragen, ob die Torte denn gut geschmeckt hätte. Sehr bald stellte sich nach Befragung der Besatzung jener Kuriermaschine heraus, dass sie wegen des schlechten Wetters erst zwei Tage später starten konnten. ,Ach, du meinst die Torte, die haben wir schon in Heiligenbeil gegessen!‘

Wenige Wochen später dann das böse Ende der Flucht aus der Heimat mit Kranz und Schleier im Rucksack. ,Mein Flieger‘ hatte auf den ersten Düsenjäger Me 262 im Reich umgeschult und schrieb in einem Brief: ,Um mich brauchst Du keine Angst zu haben, denn wenn die Flak auf mich schießen sollte, nehme ich das Geschoss unter den Arm und fliege weiter.‘ Die hohe Fluggeschwindigkeit war aber auch für den Piloten gewöhnungsbedürftig, denn plötzlich befand er sich von Augsburg aus südwärts fliegend über der Schweiz und löste dort Fliegeralarm aus, wie uns ein Major der Schweizer Armee aus Luzern später auf einer Urlaubsreise nach St. Petersburg berichtete – eine Flasche Krimsekt war fällig! Als endlich die Fliegerei wieder für uns Deutsche erlaubt wurde, trafen sich die ,alten Hasen‘ spontan beim ersten Umschulungslehrgang, CR-1 in Landsberg/Lech. Nun funktionierte alles nur noch in englischer Sprache und sogar in Damenkreisen wurde gefragt: ,Fliegt Ihr Mann auch Düse?‘ Für viele gab es ein kameradschaftliches Wiedersehen, aber schmerzliche Verluste durch Abstürze waren auch zu verkraften. Inzwischen hatten wir Gelegenheit, alle Choräle, die der Großvater prophezeit hatte, zu singen und sind nun wieder bei dem Ersten angelangt: ,Großer Gott, wir loben Dich‘ an unserem Eisernen Hochzeitstag mit drei Kindern, vier Enkeln und zwei Urenkeln.“

An dem sie auch allen Verwandten und Freunden Dank sagten „für jahrzehntelange Liebe und Freundschaft, Hilfe in Notlagen, Zuneigung und Entgegenkommen“. Und wenn sich auch die Erinnerungen von Gisela Hannig so leicht und heiter lesen – man spürt einen tief empfundenen Dank für die Gnade des Schick­sals, die diesem ostpreußischen Ehepaar zu Teil wurde, das eisern zusammenhielt bis zur Eisernen Hochzeit. Und dass es auch weiterhin so bleiben möge, das wünschen wir Gisela und Norbert Hannig von Herzen.

Machen wir heiter weiter – mit einem Kartenspiel, das einige ältere Leserinnen und Leser kennen dürften, wenn sie aus Ostpreußen stammen. Nach ihm fragt Herr Ulrich Arndt aus Monschau, denn er erinnert sich gerne an dieses Gesellschaftsspiel, das in fröhlicher Runde gespielt wurde. Aber es musste schon ein großer Kreis sein, und der fand sich vor allem bei Familienfeiern um seine Mutter Vera Arndt geborene Schulz aus Mathildenhof im Ermland. „Es war immer sehr unterhaltsam“, so schreibt Herr Arndt. „Zu Weih­nachten haben wir uns wieder im Kreis der Familie an dieses Spiel erinnert, weil man es mit sehr vielen Teilnehmern spielen konnte: Karten mit Pfennigen belegen, einer hielt die Bank. Genaueres weiß ich leider nicht mehr. Im Internet habe ich vergebens nach den Spielregeln gesucht.“ Das glaube ich gerne, denn Herr Arndt nennt das Spiel „Gottes Segen bei Cohnen“, und darunter wird er es kaum finden – außer bei uns Ostpreußen. Der richtige Name lautete „Gottes Segen bei Cohn“, und war nichts anderes als die gute, alte Kartenlotterie. Man benötigte dazu zwei Kartenspiele. Es ging tatsächlich um Pfennige, die man auf verschiedene Karten setzte, die der Bankinhaber verdeckt auflegte bis auf zwei, für die es Freikarten gab. Die Spieler, deren Karten nach Aufdeckung mit denen der Bank identisch waren, erhielten kleine, stetig steigende Beträge. Den Höhepunkt bot das „große Los“, das zwei Dittchen einbrachte, sich aber zumeist als Niete erwies, wenn die Teilnehmerzahl begrenzt war. So spielten wir es jedenfalls bei uns zu Hause in Königsberg, es gibt aber verschiedene Varianten, wie ich bereits vor Jahrzehnten feststellen konnte, als ich aufgrund eines Leserwunsches danach fragte. Deshalb glaube ich, dass sich auch heute noch jemand aus unserm Familienkreis an die genauen Regeln des Spiels „Gottes Segen bei Cohn“ erinnert. (Ulrich Arndt, Am Knöpp 22 in 52156 Monschau-Konzen.)

„Ach, noch ein Apfelchen“, pflegte mein Vater zu sagen, wenn die Reste des Gänsebratens vom Esstisch abgeräumt werden sollten. Falls überhaupt noch ein wenig von dieser köstlichen majo­randuftenden Apfelfüllung übrig geblieben war. Ja, das Apfelchen! Es versüßte den langen, kalten Winter ferner Kindertage, als noch keine exotischen Früchte die Regale füllten, als Apfelmus, Apfelflinsen, Apfelklöße und Apfelkuchen aller Art – was wäre unsere ostpreußische Küche ohne Äpfel gewesen? Es waren winterharte Sorten mit herrlich aromatischen Früchten. Am liebsten hatte ich die Kurzstielchen, sie waren so süß und saftig – welch eine Freude, als ich nach der Flucht in einem alten Obstgarten in der Lüneburger Heide diese kleinen Äpfel entdeckte. Ja, Heimat kann man auch schmecken! Eigentlich wäre dies ein guter Übergang zu einem Rezeptwunsch, aber es geht um die Dokumentation alter Obstsorten. Der BUND Lemgo bringt auf seinen Internetseiten Verzeichnisse aus alten Obstsortenbüchern und regionalen Veröffentlichungen. Ziel ist es, dazu beizutragen, Recherchen über die Entstehung von Obst­sorten zu vereinfachen. Im Rahmen dieser Dokumentation sucht der BUND nun nach Informationen über Obstsorten aus Ostpreußen. Besonderes Interesse besteht dabei an den Auflagen des Werkes „Verzeichnis der für die Provinz Ostpreußen geeigneten Obstsorten“ von Wohlfromm. Der BUND Lemgo besitzt bereits die Auflagen 05, 07, 09, 10, 12 und 14, alle übrigen Veröffentlichungen fehlen. In den einzelnen Auflagen – jeweils rund 30 bis 40 Seiten DIN A5 – werden zum Teil immer wieder neue Obstsorten vorgestellt. „Vielleicht haben Sie in Ihren Reihen einen Obstliebhaber, der über weitere Ausgaben verfügt“, fragt Herr Hennebrüder vom BUND Lemgo und wäre uns für eine Vermittlung dankbar. Die erfolgt ja nun hier und heute mit der Hoffnung, dass wir die Frage nicht in einen leeren Raum stellen und der Bund auf Zuschriften aus unserem Leserkreis rechnen kann. Das vom BUND ins Internet gestellte Gesamtverzeichnis wird für jedermann kostenfrei zugänglich sein. (BUND Lemgo, Öffentlichkeitsarbeit Herr Willi Hennebrüder, Liebigstraße 92a in 32657 Lemgo, E-Mail: kontakt@bund-lemgo.de)

Einen Wunsch hat auch Frau Hedwig Lipowski aus Olpe, und er dürfte nicht so leicht zu erfüllen sein, handelt es sich doch um ihr Konfirmationsbild aus dem Jahr 1938. Gerade der Verlust solcher Bilddokumente ist schmerzlich – ich weiß es aus Erfahrung, denn ich selber besitze auch keine Aufnahme von meiner Konfirmation, die am Palmsonntag 1932 in der Altrossgärter Kirche in Königsberg stattfand. Damit erging es mir wie so vielen Flüchtlingen, die in der Hast des Aufbruchs nur wenig Gepäck mitnehmen konnten, das auf dem Fluchtweg dann oft noch verloren ging. Hedwig – damals Werner – und ihre Familie konnten nicht einmal die geringste Habe retten, denn im Januar 1945 wurde ihr Anwesen in Ruhwalde-Abbau, Kreis Osterode durch die sowjetischen Truppen völlig eingeäschert. Die Familie Werner wurde auseinander gerissen, die älteste Tochter Gertrud geriet in dänische Internierung und kam 1947 in das schwedische Sundswall, wo die 89-Jährige noch heute in einem Seniorenheim lebt. Hedwig blieb auch nach der russischen Okkupation mit ihren Eltern in der Heimat und kam erst 1957 als verheiratete Mutter von drei Kindern nach Westfalen.

Seit Jahren sucht Hedwig Lipowski nach dem Gruppenfoto, das anlässlich ihrer Konfirmation durch Pfarrer Klatt in der evangelischen Kirche Marienfelde, Kreis Osterode aufgenommen wurde. Vor langen Jahren hat sie schon einmal unsere Ostpreußische Familie bemüht, auch auf Heimattreffen immer wieder nach Mitkonfirmanden gesucht, leider vergeblich. Deshalb noch einmal eine Veröffentlichung, mit der Frau Lipowski nicht nur nach dem Foto, sondern auch nach ehemaligen Mitkonfirmanden/innen sucht. Einige Namen sind ihr noch vertraut: Aus Marienfelde Frieda Naß, Ilse Kalwa, Hilde Sgoda und Golombiewski, aus Kerndorf Abromowski und Breda sowie Walter Eichel aus Ketzwalde und Gertrud Sonnak aus Hasenberg. Aus ihrem engeren Heimatkreis Ruhwalde sind es die Namen Stenhoff und Kowallek. Die Werner-Schwestern Ilse und Gertud würden sich über jedes Lebenszeichen freuen. (Hedwig Lipowski, Englhardtstraße 22 in 57462 Olpe, Telefon 02761/65437.)

Eure Ruth Geede


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