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05.02.11 / »Heiliger Krieg« im Kreml / Anschlag auf Flughafen stellt Medwedew und Putin vor schwere Prüfung − wer hat größere Kompetenz?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

»Heiliger Krieg« im Kreml
Anschlag auf Flughafen stellt Medwedew und Putin vor schwere Prüfung − wer hat größere Kompetenz?

Seit dem Terroranschlag auf Mos-kaus Flughafen „Domodedowo“ am 24. Januar wächst die Angst vor neuen Anschlägen. Die Menschen wollen Sicherheit, die das Regierungstandem auf unterschiedliche Weise gewährleisten will. Bei der Terrorbekämpfung hatte Putin bisher die Nase vorn. Ist der Umgang mit den aktuellen Vorkommnissen ein Indiz dafür, wer 2012 Präsident wird?

Moskau hat nach dem Terroranschlag auf seinen größten internationalen Flughafen „Domodedowo“  Schwierigkeiten, der Welt zu versichern, man habe die Situation unter Kontrolle. Bereits im vergangenen Jahr hatten Islamisten angekündigt, ihren „Heiligen Krieg“ in Russland zu führen. Der Anschlag schadet Russlands Ansehen im Ausland. Er wurde nur wenige Tage vor einem internationalen Wirtschaftsforum in Davos verübt, an dem Präsident Dmitrij Medwedew teilnehmen wollte, um über die Modernisierung seines Landes zu sprechen und für das Projekt „Skolkowo“, das russische „Silicon Valley“, zu werben. Der Anschlag hat das Vertrauen ausländischer Firmen in Russland aufs Neue erschüttert.

In Moskau wird Kritik am Geheimdienst laut. Unmittelbar nach den Ereignissen versprach Medwedew, es würden Köpfe rollen und zwar bei Polizei und Geheimdienst FSB. Viele fragen sich, wie viel der FSB wusste und warum er keine Vorsorge traf. Gerüchten zufolge wusste der FSB eine Woche vor der Bombenexplosion von einem geplanten Attentat. Dennoch führte die Polizei am Flughafen nur stichprobenartige Kontrollen durch. Anfang Februar schrieben russische Zeitungen über einen geplanten Bombenanschlag am Neujahrstag auf dem Manegeplatz vor dem Kreml, der nur durch Zufall verhindert wurde. Eine schwarze Witwe, die einer wahhabitischen Gruppe aus dem Gebiet Stawropol zugeordnet wurde, wollte sich in die Luft sprengen. Der Zünder ging aber zu früh los und die Frau starb in einer Mietwohnung. Die Demodedowo-Attentäter werden derselben Gruppe zurechnet. Im „Kommersant“ wird der Verdacht geäußert, dass es Mittäter bei der Polizei und dem privaten Flughafensicherheitsdienst gegeben habe. Die Metalldetektoren an Ein- und Ausgängen des Flughafens waren abgeschaltet, so dass die Täter ungehindert in den Ankunftsbereich gelangen konnten. Außer Zweifel steht, dass Kompetenzgerangel zwischen privaten Sicherheitsdiensten, Verkehrspolizei und FSB dazu geführt hat, dass „alle, also keiner“ für den Flughafenbereich, in dem der Anschlag verübt wurde, verantwortlich war.

Das Innenministerium gibt dem Geheimdienst die Hauptschuld, weil der für die Terrorbekämpfung ausgebildet ist. Der FSB kontert, der Präsident sei für die Auflösung der Spezialabteilung verantwortlich. 2008 hatte Medwedew dem FSB die Aufgaben zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Terrors entzogen und der Polizei übertragen.

Dass Extremisten ein Terroranschlag in Moskau gelungen ist, wirft nicht nur ein negatives Licht auf die Sicherheits-, sondern auch auf die Kaukasuspolitik Russlands. Hier tritt die unterschiedliche Herangehensweise des Regierungstandems besonders deutlich zutage.  Medwedew setzt im Kampf gegen  Korruption und Terror vor allem auf Wirtschaftsmaßnahmen, Putin installierte mit Ramsan Kadyrow einen starken Mann in Tschetschenien. Vor einem Jahr gründete Russland einen nordkaukasischen Föderationsbezirk, in dem sieben überwiegend muslimische Regionen − unter anderem Dagestan und Tschetschenien − zusammengefasst wurden. Als Gouverneur setzte Medwedew den Unternehmer Alexander Chloponin ein in der Hoffnung, dass Wirtschaftsfördermaßnahmen Extremisten den Wind aus den Segeln nehmen würden. Diese Rechnung ging nicht auf, denn hinter den jüngsten Anschlägen steckt Doku Umarow, der ein islamisches Emirat im Kaukasus anstrebt.

Putin bereitet eine härtere Gangart vor. Er schwor den Terroristen Rache und blieb damit seiner Tradition treu. Unterstützung erhielt er von Ramsan Kadyrow, der Ende Januar im Fernsehen sagte, in Russland gebe es nur einen „leader, der alles nur Mögliche, aber auch das Unmögliche macht: Wladimir Putin“. Es ist Putin, der sich unters Volk mischt, um zu beruhigen. Dafür lieben ihn die Menschen. Seit Dezember kommt es verstärkt zu Konflikten mit pogromartigen Auswüchsen zwischen russischen Nationalisten und „Schwarzen“, wie in Russland Kaukasier abfällig genannt werden. Die Angst vor Überfremdung ist bei den Russen groß, wie die zahlreichen Proteste gegen Moscheebauten in Wohngebieten beweisen. Eine vom Institut Levada durchgeführte Umfrage im Januar ergab, dass für 56 Prozent der Befragten Sicherheit und Ordnung wichtiger sind als Demokratie. Als Garant für Sicherheit und Wohlstand gilt immer noch Putin. Der tritt in letzter Zeit wieder verstärkt im Fernsehen und in der Öffentlichkeit in Erscheinung. Bei einer Übertragung des Weihnachtsgottesdienstes aus der Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau schalteten alle staatlichen Sender plötzlich nach Twer um, weil Putin in der Taufkirche seiner Mutter am Gottesdienst teilnahm. Statt der Messe folgten Großaufnahmen von Putin und ein Bericht über sein Leben.

Wird in Russland allmählich die Rückkehr des Systems Putin vorbereitet? Die Analogie zum Jahr 2000 ist unverkennbar. Damals brachte eine große Medienkampagne und der zweite Tschetschenienkrieg Putin an die Macht. Im Verlauf seiner achtjährigen Amtszeit erlangte Russland wirtschaftlichen Wohlstand und innere Sicherheit. Während in den Medien über Putins Rückkehr spekuliert wird, hält das Regierungstandem sich bedeckt. Möglicherweise wird auch keiner der beiden kandidieren. Für Überraschungen ist Russland immer gut.     Manuela Rosenthal-Kappi


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