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05.02.11 / Erdogan setzt auf Konfrontation / Schleppende Aussöhnung zwischen Türken und Armeniern: Kulturkampf um ein Denkmal

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Erdogan setzt auf Konfrontation
Schleppende Aussöhnung zwischen Türken und Armeniern: Kulturkampf um ein Denkmal

Im Oktober 2009 hatten die Außenminister der Türkei und Armeniens in Zürich unter großem internationalen Beifall Protokolle zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen unterzeichnet, die von den Parlamenten beider Länder ratifiziert werden sollten. Mit den Protokollen wollten die beiden Länder außerdem die seit 16 Jahren geschlossene Grenze wieder öffnen und die Massaker an den christlichen Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs durch eine Expertenkommission untersuchen lassen. Passiert ist jedoch seitdem nichts: Die Grenze bleibt weiter geschlossen. In beiden Ländern stießen die Protokolle auf massiven internen Widerstand von Nationalisten, der in Armenien von der sehr starken armenischen Diaspora ausging. Das mit der Türkei verbündete Nachbarland Aserbaidschan hat nachträglich verlangt, dass zunächst der Streit über die von Armenien und Aserbaidschan beanspruchte Region Berg-Kara-bach gelöst werden müsse. Das Gebiet steht seit einem Krieg in den 90er Jahren unter armenischer Kontrolle, gehört aber völkerrechtlich zu Aserbaidschan.

Im April 2010 hat zunächst der armenische Präsident Sargssjan das Ratifizierungsverfahren ausgesetzt und später auch die Türkei. Sargssjan ließ bekannt geben, dass das Verfahren erst wieder aufgenommen werde, wenn die Türkei keine neuen Bedingungen mehr stelle. Eriwan hatte dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan auch politische Brandstiftung vorgeworfen, weil dieser 100000 illegal in der Türkei lebenden Armeniern mit Ausweisung gedroht hatte. Erdogan hatte damit auf Resolutionen in den USA und in Schweden reagiert, nach denen der Mord an Hunderttausenden Armeniern im Ersten Weltkrieg als Genozid einzustufen sei.

Bereits 2004 hatte Naif Alibeyoglu, der damalige Bürgermeister von Kars in Nordostanatolien, einer Grenzstadt an der türkisch-armenischen Grenze, entschieden, ein „Denkmal der Menschlichkeit“ in Auftrag zu geben, das der Opfer der „Geschehnisse“ zwischen Türken und Armeniern gedenken sollte. Die einstige Hauptstadt des armenischen Bagratidengeschlechts Ghars, die seit 1514 Bestandteil des Osmanischen Reiches war, war 1828 unter russische Vorherrschaft gekommen. 1921 musste die Sowjetunion zugunsten der Türkei verzichten.

Das „Denkmal für die Menschlichkeit“ sollte per Laser beleuchtet werden und auch von armenischem Territorium aus gut sichtbar sein und den Willen der Türken nach Versöhnung dokumentieren. „In unserer Region, die sehr viel unter Hass, Krieg und Inhumanität gelitten hat, soll ein Licht der Versöhnung aufgehen“, sagte der Bürgermeister damals. Die Bauarbeiten zu dem Denkmal wurden aber bereits 2008 gestoppt. Laut dem Kultur- und Naturschutzamt der Provinz Erzurum seien auf dem Gelände des Denkmals „Kulturschätze“ gefunden worden. Die Opposition gegen dieses Denkmal überwog von vornherein. Von Anfang an wurde das Monument vom nationalistischen Lager der Türkei als „Kapitulation“ vor den Armeniern interpretiert.

Am 8. Januar bezeichnete der türkische Ministerpräsident Erdogan bei einem Besuch in Kars das Werk als „Monstrum“ und empfahl, es abreißen zu lassen. Dem neuen Bürgermeister – Altbürgermeister Alibeyoglu hatte sein Amt aus Enttäuschung abgegeben – riet er Medienberichten zufolge, stattdessen einen „schönen Park“ zu errichten. Die türkische Opposition kritisierte den Regierungschef und warnte vor dem Abriss. Doch an der Stelle des Denkmals soll nun tatsächlich ein Park entstehen. Aksoys Skulptur hat aber nicht nur ihre – durchaus diskutable – ästhetische Seite, sondern eine politische Botschaft: eine Mahnung zu Frieden und Aussöhnung zwischen der Türkei und Armenien. Das „Denkmal der Menschlichkeit“ durch einen „schönen Park“ ersetzen zu lassen, wie Erdogan es anregte, ist bezeichnend für die Versöhnungsbereitschaft der türkischen Regierung mit den Armeniern. Ein fast fertiges Denkmal in einem Augenblick abzureißen, in dem ein Ausgleich mit Armenien greifbar nahe ist, käme einem symbolischen Desaster gleich.

Viele Kommentatoren glauben, dass Erdogan mit diesem Schritt andere Ziele verfolgt. Im Sommer finden in der Türkei Parlamentswahlen statt. Erdogan möchte mit dieser Aktion bei der nationalistischen Wählerschaft Punkte sammeln.       Bodo Bost


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