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05.02.11 / Experten befürchten »Idioten-Rallye« / Während institutionelle Anleger sich aus dem wackelnden Anleihemarkt zurückziehen, steigen Kleinanleger ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Experten befürchten »Idioten-Rallye«
Während institutionelle Anleger sich aus dem wackelnden Anleihemarkt zurückziehen, steigen Kleinanleger ein

Der Kunde ist König! Zwar haben die letzten Jahre gezeigt, dass das bei vielen Banken nicht das erste Unternehmensziel war: Davon zeugen zahlreiche Klagen falsch beratener Kunden und Medienberichte über Kreditinstitute, die bei der Beratung vor allem die eigene Rendite im Blick hatten. Doch derzeit machen es die Kunden den Spezialisten auch schwer, denn sie bestehen auf vermeintlich sichere Anleihen.

Die Deutschen sind stolze Mitarbeiter von Unternehmen und begeisterte Autokäufer, kaufen aber seltsamerweise nicht die Aktien der Unternehmen, von deren Produkten sie überzeugt sind“, wundert sich Friedrich von Metzler, Chef des traditionsreichen Bankhauses Metzler. Er und seine Kollegen verstehen nicht, warum sich immer mehr deutsche Privatanleger von Aktien allgemein, aber auch von denen deutscher Unternehmen, verabschieden. Während sich im vergangenen Jahr der Deutsche Aktien Index (Dax) von den Folgen der Weltwirtschaftskrise erholt hat, verabschiedeten sich laut Umfrage des Deutschen Aktieninstituts (DAI) fast eine halbe Million privater Aktionäre von dieser Anlageform. Rechnet man die Zahl der Einzelaktionäre und Fondsbesitzer zusammen, investieren derzeit nur noch etwa 8,2 Millionen Deutsche an der Börse, 2001 waren es 13 Millionen.

Natürlich lässt sich die Flucht der Anleger aus Aktien mit ihren schlechten Erfahrungen der Vergangenheit erklären. Erst die geplatzte Dotcom-Blase am Neuen Markt 2001, die Anlegern, die zum Teil gerade erst die Aktien als Anlageform entdeckt hatten, extreme Verluste beibrachte, und nun die Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise der nahen Vergangenheit. Die ungenügende Beratung vieler Banken tat ein Übriges, um die Freude an Aktien zu verhageln.

Doch nun tun sie etwas, was ein seriöser Finanzberater nicht zulassen darf: Sie wollen Anleihen. Am liebsten Staatsanleihen. Es gehen aber auch Fonds, die in Anleihen investieren, zu denen auch Unternehmensanleihen zählen können. In Anleihefonds für Privatanleger seien von Januar bis Oktober 2010 mehr als zwölf Milliarden Euro – doppelt so viel, wie in Aktienfonds – geflossen, berichtet der Branchenverband BVI.

Ausländische Investoren freut das Verhalten der Deutschen, die ihre Aktien verkaufen, denn der Dax stieg allein 2010 um über 1000 Punkte und soll 2011 weiter steigen. Daher kaufen sie die von privaten deutschen Anlegern zum Verkauf angebotenen Aktien auf. Vor zehn Jahren hielten ausländische Anleger ein Drittel der Dax-Aktien, heute ist es mehr als die Hälfte. Bei Bayer, Merck oder Deutscher Börse AG sind es sogar jeweils rund 80 Prozent.

Doch Anlage-Experten betrachten das Verhalten der deutschen Kleinanleger mit Sorge. Für sie ist es ein Zeichen dafür, dass die sogenannte „Idioten-Rallye“ begonnen hat. Denn während institutionelle Investoren wie Fonds und Versicherungen sich aus dem Jahre lang attraktiven Anleihemarkt verabschieden, steigen die Privatinvestoren ein. Ähnliches gab es schon bei der Dotcom-Blase und im kleineren Ausmaß sogar bei der Bankenkrise. Echte Experten sehen die sich anbahnenden Gefahren der Zukunft und steigen rechtzeitig aus, private Sparer sehen sich stattdessen vorwiegend die Renditen der Vergangenheit an und da waren Staatsanleihen ein sicheres, attraktives Geschäft. Mit Aktien wurde hingegen weitgehend Minus gemacht.

Hier trifft auch wieder die einfachen Bankberater eine Mitschuld, denn sie sind es ja, die den Kunden die Hochglanzprospekte zeigen, in denen die guten Renditen der Vergangenheit als Hauptverkaufsargument angeführt werden. Doch die Vergangenheit gibt wenig Aufschluss über die zukünftige Entwicklung.

Schon die Euro-Krise hält noch viele Überraschungen parat, die sich direkt auf die Rendite und auf die Sicherheit von Staatsanleihen auswirken werden. Offiziell heißt es natürlich, dass alles gut wird, doch selbst die überzeugtesten Europa-Politiker geben zu, dass Griechenland aufgrund seiner hohen Verschuldung von 140 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) massive Probleme bekommen wird, seine Staatsanleihen zu bedienen. Deswegen soll im März über die Idee beraten werden, dass Griechenland seine derzeit mit einem Kurs von rund 70 Prozent gehandelten Staatsanleihen, die das Land aber bei Fälligkeit mit 100 Prozent des Nennwertes zurückzahlen muss, vor Fälligkeit mit Abschlägen aufkauft. Das Geld hierfür soll Athen vom Euro-Rettungsschirm erhalten, der niedrigere Zinsen von Griechenland verlangt, als es der Markt jetzt tut. Mit einem Schlag wäre Griechenland also einen Teil seiner Schulden los und müsste weniger Zinsen zahlen.

Das Problem ist nur, dass das Interesse der Besitzer von griechischen Staatsanleihen gering sein dürfte, dafür, dass sie einen Teil ihres investierten Geldes sofort wiederbekommen, Verluste von 25 bis 30 Prozent der Ursprungssumme hinzunehmen. Abgesehen davon, dass die jährliche Verzinsung von um die zehn Prozent angesichts des derzeitigen Zinsniveaus attraktiv ist, haben vor allem Banken kein Interesse, durch die Annahme des Angebotes Verluste zu realisieren: Davon hatten sie in den letzten Jahren genug zu verkraften. Da die meisten Banken ihre kritischen Staatsanleihen in ihrer Bilanz im Anlagebuch haben, besteht auch kein Druck. Denn während Werte im Handelsbuch mit ihrem aktuellen Kurswert angegeben werden müssen, dürfen festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen im Anlagebuch, da sie ja bis Fälligkeit gehalten werden sollen, mit 100 Prozent angegeben werden. Würde das Angebot aus Athen angenommen, müssten sofort die Abschläge als Verlust ausgewiesen werden.

Doch wenn die Griechen nicht auch auf diesem Weg ihre Schulden reduzieren können, bleibt irgendwann nur die Insolvenz. Und die wird institutionelle wie private Anleger hart treffen. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Sturz Griechenlands das sein kann, was der Sturz der EM-TV-Aktie 2000 und die Pleite der Lehman-Bank 2008 waren: der Startschuss für eine neue Krise. Rebecca Bellano


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