20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.11 / Schräg oder ernst / Offizielle Gedenktage weisen auf die verschiedensten Anlässe hin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Schräg oder ernst
Offizielle Gedenktage weisen auf die verschiedensten Anlässe hin

Langsam wird’s eng im Kalender: Hunderte Gedenk- und Feiertage buhlen um Beachtung, wetteifern um einen möglichst exklusiven Platz. Die florierende Gedenkkultur beinhaltet so unterschiedliche Dinge wie Bäume, Datenschutz, Hochhäuser, Menschenrechte oder Vegetarismus.

Die meisten Anlässe hat die UNO bestimmt, doch darf jede andere Organisation und sogar jede Privatperson Gedenktage schaffen. Die Frage ist nur, ob es jemand mitbekommt! Dann jedoch kann so ein Gedenktag eine erstaunliche Karriere hinlegen, wie beispielsweise der „Internationale Tag der Putzfrau“, der am 8. November begangen wird und der eine reine Erfindung der deutschen Krimi-Autorin Gesine Schulz ist. Fans schrieben diesen Tag aus Jux einfach mal in die Online-Enzyklopädie Wikipedia. Erst nach Monaten kam man ihnen auf die Schliche und entfernte den Tag wieder. Da hatten aber bereits mehrere überregionale Medien über besagten Tag berichtet, sogar die Gewerkschaften kämpften am 8. November energisch für die Rechte der Reinigungskräfte. Der Tag war etabliert – und wurde wieder eingefügt.

Die UNO erinnert im Rahmen ihrer Gedenktage an berühmte Persönlichkeiten und wichtige historische Ereignisse, deren Bedeutung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden soll. Zu diesem Zweck bringen die Mitgliedstaaten Vorschläge ein, die alle zwei Jahre durch die Generalkonferenz geprüft und verabschiedet werden. Für 2010 hatte man insgesamt 63 Gedenktage benannt, darunter drei Gedenktage in Deutschland: der 550. Geburtstag des Bildhauers Tilman Riemenschneider, der 200. Geburtstag des Komponisten Robert Schumann und der 150. Todestag des Philosophen Arthur Schopenhauer.

Besonders viele Gedenktage kommen aus den USA. Dort gibt es für fast jede Eissorte einen eigenen Termin im Kalender. Auch der „Tag des Schweinebratens“ am 7. März ist keine deutsche, sondern eine amerikanische Idee. Ironischerweise begeht man hierzulande zeitgleich den „Tag der gesunden Ernährung“.

Doch woher rührt dieser Gedenktags-Boom eigentlich? Viele Gedenktage wollen auf bestimmte Berufs- oder Bevölkerungsgruppen, Krankheiten oder Probleme aufmerksam machen – wie beispielsweise der Weltlehrertag, der Internationale Frauentag, der Welt-Aids-Tag oder der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung. Manche Gedenktage bringen dann allerdings Themen auf die Agenda, über die sonst wenig nachgedacht wird, wie der „Tag der Salami“, an dem man sich den Veranstaltern zufolge gerne auch als Dauerwurst verkleiden dürfe. Oder der „Darwin-Tag“, der Geburtstag des Evolutionsbiologen, an dem sich weltweit Wissenschaftler als Affen kostümieren und ein Bankett veranstalten, auf dem zähflüssige „Ursuppe“ serviert wird.

Nicht unschuldig an der Häufung der Gedenktage sind schließlich die Medien. Denn für Zeitungen, Zeitschriften, Fernseh- und Radiosender gilt meistens die Regel: kein Bericht ohne aktuellen Anlass! Das lernt jeder Redakteur spätestens, wenn er seinem Vorgesetzten vorschlägt, „einfach mal so“ etwas über dieses oder jenes Thema zu schreiben.

Fakt ist, dass es viele schräge Anlässe für Gedenk- und Feiertage gibt, gleichzeitig aber auch ernste Termine, die bisher nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdienen – so wie der Tag der Kinderhospizarbeit oder der Internationale Tag gegen Genitalverstümmelung. Übrigens hat man den Gedenktags-Boom mittlerweile mit einem eigenen Buch bedacht: „Es wird eng im Kalender – 365 kuriose Gedenk- und Feiertage“, das Timo Lokoschat im Carl Hanser Verlag herausgebracht hat. Corinna Weinert


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren