28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.02.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-11 vom 05. Februar 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Unerträglich / Warum alte Freunde keine Freunde sind, wo wir den Politmüll endlagern, und wie uns Westerwelle mit der Realität beschmutzt

Die Politiker reden von einer „Sternstunde“ der Demokratie, vom Erwachen der arabischen Völker und tun so, als könnten sie sich kaum einkriegen vor Begeisterung: Ja, isses nich’ doll? Nein, ist es nicht!

Das Ende einer Diktatur ist nämlich vor allem erst mal eines: peinlich, peinlich für nahezu alle Beteiligten. Bis eben noch wurden die Kissen auf Husni Mubaraks Sofa nicht mehr kalt, weil ein großer Staatsmann nach dem anderen neben dem „Garanten für Frieden und Stabilität im Nahen Osten“ fotografiert werden wollte. Diese Woche nun hagelte es aus den Mündern der Sofahocker glühende Appelle, der Nil-Despot möge die „seit vielen Jahren überfälligen Reformen endlich in Angriff nehmen“.

Als diese Zeilen entstehen, ist  nicht raus, ob der Ägypter noch auf seinem Stuhl sitzt, wenn Sie dies lesen. Lange gibt man ihm jedenfalls nicht mehr, was die wiederum peinliche Frage aufwirft: Wohin mit dem Mann? Das ist nicht nur eine politische, sondern auch eine logistische Herausforderung. Solche Leute fliehen nicht allein, sondern mit einer vielköpfigen Entourage aus Verwandten und besonders verdienten Günstlingen – sämtlich schwer beladen mit allerhand Diebesgut.

Die Frau des bereits Mitte Januar entflohenen tunesischen Diktators Ben Ali, Madame Leila, ließ ja angeblich 1500 Kilo Gold aus der Staatsbank mitgehen. Das muss alles geschleppt werden. Spaß macht soviel Gold allerdings  nur, wenn man es auch ausgeben kann. Gar nicht so einfach wie es klingt: Ben Alis Familie war schon vor ihm nach Frankreich „emigriert“, um sich dort im Vergnügungspark „Euro-Disney“ von der Last der Verantwortung zu erholen. Papa sollte später nachkommen, sobald er die letzten Konten in der undankbaren Heimat besenrein gefegt hat.

Der Plan schlug fehl: Frankreichs Regierung, die Ben Ali und seine Lieben (und Teuren) bislang mit Freundlichkeiten nur so überschüttet hatte, wollte auf einmal nichts mehr wissen von der Blase und drängte sie hastig und schwitzend, die Kurve zu kratzen und gen Saudi-Arabien abzuhauen. Dort wären sie fast noch dem alten Tyrannen-Kollegen Idi Amin begegnet, wenn den nicht 2003 der Bluthochdruck dahingerafft hätte. Warum stellen die Saudis ihr Land eigentlich freiwillig als Politmüll-Endlagerstätte zur Verfügung? Als nette Geste gegen­über Amerikanern und Europäern vielleicht? Wie bereits beschrieben legen wir ja keinen gesteigerten Wert darauf, dass unsere „verlässlichen Partner“ bei uns unterkriechen, wenn sie zu Hause rausgeflogen sind. Aber sind die Saudis nett? Eher nicht, wenn man an die zahllosen islamistischen Gruppen und Einrichtungen in aller Welt denkt, die von Riad finanziert werden.

Es muss etwas anderes sein, und wir ahnen es: Sobald dereinst das schwarze Gold versiegt, steht es schlecht um die ölige Privilegienwirtschaft der Wüstenkönige. Wenn das Schmiermittel alle ist, dürfte ihr Räderwerk der Korruption mit einem großen Knall auseinanderfliegen. Dann heißt es womöglich schleunigst „Land gewinnen“. Und wir reden hier nicht von einem überschaubaren orientalischen Klan. Dann suchen Zehntausende luxusverwöhnter Prinzen ein neues Wirts­tier.

Ausgerechnet Husni Mubarak weiß, welchen Ärger solche Leute machen können: Als Saddam Hussein 1991 Kuweit überrannte, lud der ägyptische Staatschef die verjagten Golfanrainer großherzig ein, bei ihm am Nil zu überwintern, bis die ungläubigen Amis ihr Land wieder freigekämpft haben.

Die Flüchtlinge kamen und sahen ein bettelarmes Land. Doch sie dachten gar nicht daran, von ihrem ausschweifenden Lebenswandel mit Rücksicht auf die Ägypter auch nur ein wenig abzurücken, was ihren Gastgebern gewaltig auf den Senkel ging. Schon bald gab es handfeste Scherereien zwischen Einheimischen und Kuweitis. Mubarak machte drei Kreuze (drei Halbmonde? ... egal), als die geliebten arabischen Brüder wieder heimfahren konnten. Wenn also das schon kaum klappte, wie geht es dann in einem Land her, in das über Nacht ein paar zehntausend saudische Prinzen einfallen, für die Bescheidenheit eine Ausdruck niederer Gesinnung ist? Die müssten verteilt werden auf mehrere Länder. Daher haben die Saudis guten Grund, sich solidarisch zu zeigen mit sämtlichen Schmuddelkindern der Weltpolitik, damit die überlebenden Despoten später die Wüstenfürsten als Brüder im Ungeist aufnehmen mögen.

Trotzdem kann kein noch so schöner Exilpalast die heimische Goldgrube ersetzen. Leila gefällt es gar nicht auf der arabischen Halbinsel. Sie weigert sich, das dort absolut obligatorische Kopftuch zu tragen, also muss sie zu Hause bleiben. Da ist es zwar auch ganz nett, aber was bringt das Gold und sonstige Geld, wenn man nur aus dem Katalog einkaufen kann? Ja, das harte Brot der Emigration!

Leila will aber kein hartes Brot, sie mag es lieber weich und voller Saft, und Spaß soll es machen, kurz: Madame möchte ins spritzige Argentinien. Wieso ausgerechnet Argentinien? Keine Ahnung, vielleicht geht es ihr auch nur um Lateinamerika so ganz allgemein. Leilas Sippe hat in Jahrzehnten eine anerkannte Kompetenz im Drogengeschäft erworben. Was das angeht, bietet der Kontinent  solide Entfaltungsmöglichkeiten. Womöglich haben Leilas Leute da sogar schon „Freunde“.

Doch zurück nach Ägypten: Im Netz kursiert die Behauptung, die USA hätten schon seit 2008 auf Mubaraks Sturz gesetzt und es sei daher gar nicht auszuschließen, dass Washingtons Agenten die Proteste eigenhändig befeuert haben. Das sei einem Kabel der Kairoer US-Botschaft zu entnehmen, das, wie üblich, über Wikileaks an die Öffentlichkeit gelangt sei.

Die ägyptische Rebellion als Fernzündung der CIA! Leute, ist das nicht spannend? Aber wie! Bleibt bloß die Frage, warum die Amis das gemacht haben sollen. Steht ja ziemlich ohne Hosen da, der Obama: Ein bisschen so wie Maggie Thatcher, die noch 1987 „die Fackel der Freiheit“ in den Osten Europas tragen wollte. Als die Völker des Ostblocks sich selber eine anzündeten und die Deutschen die Berliner Mauer durchstachen, war kein westlicher Regierungschef so tief erschüttert wie ausgerechnet die Fackelträgerin. Nun sieht auch die US-Führung nach all ihren flammenden Freiheitsreden und ihrem Gekungel mit Mubarak aus wie einer, der von seinen eigenen Worten überrollt wird. Wie ein Heuchler also. Wir hassen Heuchler. Nur eines hassen wir an Politikern noch mehr als ihre Heuchelei, nämlich: Wenn sie uns die Wahrheit sagen.

Guido Westerwelle bekommt das zu spüren. Der Außenminister hatte auf die Frage, wann Berlin denn endlich klare Position beziehen wolle im ägyptischen Drama, geantwortet:  „Wir wissen noch nicht, wohin sich die Lage in Ägypten entwickelt, da können wir uns doch nicht auf die eine oder andere Seite stellen.“ Mit anderen Worten: Ein guter Draht zu den neuen Mächtigen ist Berlin wichtiger als die Freundschaft mit einflusslosen Idealisten.

Unerträglich, nicht wahr? Indem er uns das so kaltschnäuzig um die Ohren haut, zwingt er uns nämlich, selber Farbe zu bekennen: Sind uns Demokratie und Menschenrechte in XY-Land wirklich wichtiger als die Zufuhr von Rohstoffen oder der Absatz unserer Produkte? Um unseren Wohlstand zu bewahren, müssen wir eben auch mit weniger vorzeigbaren Regimen herumpartnern. Oder wären wir bereit, unsere Mobiltelefone abzuschaffen, weil wir die „seltenen Metalle“, die für deren Produktion unersetzlich sind und die derzeit leider fast sämtlich aus China kommen, nicht haben wollen – wegen der Diktatur dort?

Das sind Fragen, die man einem feinsinnigen Mitteleuropäer nicht stellt, sonst wird er sehr ärgerlich. Wes­terwelle hat sie uns hinterhältig unter die Weste gejubelt, indem er uns erklärte, dass gute Beziehungen nicht nur Geschmackssache sind, sondern auch kalten Interessen folgen. So etwas hören wir nicht gern. Schließlich wollen wir uns nicht die Hände beschmutzen mit „Realität“.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren