29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
12.02.11 / Qualifizierte Lohndrücker gesucht? / Die Wirtschaft fordert Fachkräfte aus dem Ausland, doch offenbar spielt deren Herkunft eine wichtige Rolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Qualifizierte Lohndrücker gesucht?
Die Wirtschaft fordert Fachkräfte aus dem Ausland, doch offenbar spielt deren Herkunft eine wichtige Rolle

Wirtschaft und Politik betonen immer wieder, dass Deutschland aufgrund der demografischen Ent- wicklung und der guten Konjunktur Fachkräfte aus dem Ausland brauche. Doch merkwürdigerweise blicken sie dabei immer in die Ferne, statt direkt in die europäischen Nachbarländer zu schauen.

„Kommen Sie nach Deutschland“, so die in Deutsch geschriebene Überschrift eines Artikels in der größten spanischen Tageszeitung „El País“. Und nicht nur sie beschäftigte sich Anfang dieses Monats mit der möglichen Auswanderung von spanischen Hochschulabsolventen nach Deutschland. Anlass war keineswegs nur der Spanienbesuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, sondern auch eine Meldung, die Mitte Januar im „Spiegel“ erschienen war, hatte die Aufmerksamkeit der „El País“-Redaktion und wenige Tage später zahlreicher anderer spanischer Medien erlangt: „Fachkräftemangel: Union will junge Europäer anwerben“, hatte das Hamburger Nachrichtenmagazin vermeldet. „Es gibt im Süden und Osten Europas viele arbeitslose Jugendliche, die dringend einen Job suchen“, wurde darin der Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs zitiert. „Es ist besser, Arbeitskräfte aus Europa zu holen, als erneut das Zuwanderungsgesetz für Migranten aus anderen Weltregionen zu ändern“, setzte der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger nach.

Diese Äußerungen fanden in Spanien sofort Gehör. Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 42,8 Prozent hat man dort ein drängendes Problem. Viele der jungen Leute sind sogar gut ausgebildet, haben einen Studienabschluss in der Tasche, doch es gibt keine Jobs. Aber Berufspraxis ist dringend notwendig. Da wäre ein Job, zumindest auf Zeit, in Deutschland durchaus interessant. Zwar gibt es die bekannten Sprachprobleme, aber die wären zu bewältigen und so lieferten spanische Medien Reportagen über Spanier, die in Deutschland ihr Glück versucht haben.

Zwar warnen Kritiker vor einem Verlust der Qualifizierten, sollte es zu Massenauswanderungen wie in den 60er Jahren nach Deutschland kommen, doch grundsätzlich werden die Möglichkeiten, die Deutschland den Spaniern bieten könnte, positiv gesehen.

Merkwürdigerweise ist die Resonanz in Deutschland auf die in Spanien lebhaft geführte Debatte gleich Null. Dabei würde dies doch eine schnelle und durchaus attraktive Lösung des von der Wirtschaft seit geraumer Zeit beklagten Facharbeitermangels darstellen. Laut „El País“ soll es bereits Gespräche zwischen den beiden Arbeitsministerien geben, doch beim deutschen Arbeitministerium weiß man von nichts. Bereits als die PAZ im Dezember 2010 aus eigenem Antrieb anfragte, warum, so es denn den von der Wirtschaft beklagten Fachkräftemangel gäbe, Politik und Wirtschaft nicht in den europäischen Nachbarländern mit hoher Jugendarbeitslosigkeit Fachkräfte anwerben würden, hieß es nur, sie könnten doch wegen der EU-Freizügigkeit jederzeit kommen, wenn sie wollten. Und auf den Hinweis, dass das vermutlich nicht jedem bewusst sei und dass Politik und Wirtschaft die Anwerbung durch Werbemaßnahmen und Sprachkurse des Goethe-Instituts direkt an den Universitäten flankieren könnten, hieß es nur, wer solle das bezahlen.

Da stellt sich nicht nur dem CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger die Frage, ob die Klage über den Fachkräftemangel der deutschen Wirtschaft denn wirklich so ernst gemeint sei, wie immer behauptet. Denn wenn sie ein ernsthaftes Interesse an Fachkräften hätte, dann wäre sie doch auch bereit, alles dafür zu tun, um diese Leute anzuwerben. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Wirtschaft wirklich so erpicht darauf ist“, so der seit 1994 im Bundestag sitzende Politiker. Er ist überzeugt, dass es mindestens eine Million Bewerber unter den etwas über drei Millionen Arbeitslosen gibt, die ohne weitere Qualifikation auf offene Stellen passen würden.

Doch von Seiten der Wirtschaft und auch des Wirtschaftsministeriums wird immer wieder betont, dass sich in Deutschland Fachkräften aus dem ferneren Ausland öffnen solle. Aber mit Gastarbeitern aus Ländern außerhalb Europas hat man in Deutschland schlechte Erfahrungen gemacht. Noch heute ist man trotz intensiver, kostenträchtiger Bemühungen weit davon entfernt, Immigranten aus der Türkei oder anderen muslimischen Ländern auch nur annähernd in die deutsche Gesellschaft integriert zu haben, wie die aktuelle Debatte um die Thesen des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazins bewiesen hat.

Doch das schöne Sprichwort „Warum in die Ferne schweifen, wenn die Lösung liegt so nah“ gilt nicht nur für die Widersprüchlichkeiten bei der Anwerbung der angeblich benötigten Fachkräfte, es gilt auch für deren Auflösung. Ein Blick in die Gehaltstabellen zeigt nämlich: Ein deutscher Maschinenbauingenieur verdient als Berufseinsteiger etwa 50000 Euro brutto, sein spanischer Kollege freut sich bereits über 30000 Euro. Trotzdem ist anzunehmen, dass sich sein aus Marokko extra angeworbener Berufsgenosse schon bei weit weniger glücklich schätzen würde.

In Spanien weiß man jedoch nicht, dass die Begeisterung auf deutscher Seite über spanische Fachkräfte bei Politik und Wirtschaft verhalten ist. Laut „El País“ steht die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Kontakt mit der spanischen Arbeitsverwaltung. Doch das konnte man bei der BA auf PAZ-Anfrage nicht bestätigen. Aber es gäbe ja das Eures-Netzwerk aller europäischen Arbeitsverwaltungen, wo offene Stellen gemeldet würden. Allerdings konzentriert sich die BA derzeit auch zu Recht auf eine andere Region in Europa: Im Mai fallen die Beschränkungen für Arbeitnehmer aus Osteuropa. Bevor man nicht weiß, welche Auswirkungen diese neue EU-Freizügigkeit auf den deutschen Arbeitsmarkt hat, wird man sich in Nürnberg kaum um weitere Arbeitsmigranten bemühen.          Rebecca Bellano


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren