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12.02.11 / Grenzen geraten in Bewegung / Referendum im Südsudan könnte auch für andere Regionen Afrikas Konsequenzen haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-11 vom 12. Februar 2011

Grenzen geraten in Bewegung
Referendum im Südsudan könnte auch für andere Regionen Afrikas Konsequenzen haben

Die Unabhängigkeit des Südsudans könnte einen Präzedenzfall schaffen für ganz Afrika und ... eine neue Welle der Unabhängigkeit auslösen, die die von der Konferenz von Berlin 1884/85 künstlich gezogenen Grenzen des kolonialen Afrikas wieder in Bewegung bringen könnte“, erklärte Pater Sean O’Leary, der Direktor des Denis Hurley Peace Institute (DHPI), der die Volksabstimmung im Südsudan im Rahmen einer ökumenischen Beobachtergruppe überwachte.

Wenn vor der Afrikahalle in Addis Abeba, dem Sitz der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), der Vorgängerin der Afrikanischen Union (AU), in der Vergangenheit eine neue Flagge aufgezogen wurde, dann symbolisierte das immer, dass ein weiterer Mitgliedsstaat von seiner Kolonialmacht unabhängig geworden war. Einer der Grundsätze, an dem die OAU um des kontinentalen Friedens willen strikt festhielt, war nämlich, dass die bestehenden, auf der Berliner Afrika-Konferenz gezogenen Grenzen aus der Kolonialzeit nicht verändert werden durften. Erst mit der Unabhängigkeit des von Äthiopien abgespaltenen Staates Eritrea 1993 wurde mit dem Prinzip der Unveränderbarkeit der kolonialen Grenzen in Afrika erstmals gebrochen.

Mit der durch das Referendum im Südsudan nun in Reichweite gerückten Unabhängigkeit dieses Landes könnte das Prinzip der Unveränderlichkeit der kolonialen Grenzen in Afrika endgültig obsolet werden. Separatistische Bestrebungen sind schon jetzt in einer Reihe von Staaten unübersehbar. Die meisten dieser Länder liegen im Bereich der Sahel-Zone am Südrand der Sahara-Wüste, wo die islamisch geprägten Völker Nordafrikas auf die einst von ihnen versklavten schwarzen Völker West- und Zentralafrikas treffen, die während der Kolonialepoche zum Teil christianisiert wurden.

Nicht immer sind es allerdings nur schwarze, nichtmuslimische Völker, die wie im Südsudan sich von der Vorherrschaft islamischer oder islamistischer Regierungen befreien wollen. In den beiden schwarzafrikanischen Staaten Mali und Niger in Westafrika kämpfen die islamischen Nomadenstämme der Tuareg schon seit 1961 in drei Perioden einen Bürgerkrieg gegen die schwarzen aber ebenfalls islamischen Regierungen ihrer Länder. Das Berbervolk der Tuareg in Westafrika gehört wie die Mauren in Mauretanien zu den bereits seit dem Beginn des Islams islamisierten Völkern Nordafrikas, viele Jahrhunderte waren sie mit den Arabern verantwortlich für die Versklavung und Zwangsislamisierung unzähliger Schwarzafrikaner, die nach der Unabhängigkeit Malis und Nigers 1960 ihre Herren geworden sind. Gegen ihre ehemaligen Sklaven, deren Herrschaft sie bis heute ablehnen, führen sie einen jahrzehntelangen Wüstenkrieg, der zwischenzeitlich durch deutsche Vermittlung gelöst schien.

In zahlreichen Staaten Schwarzafrikas wie Togo, Tschad, Angola und der Zentralafrikanischen Republik brodelt es, es gibt akute oder latente Bürgerkriege vor allem noch in der Kongoregion mit ihren riesigen Rohstoffreserven. Auch die Elfenbeinküste ist nach Jahren des Bürgerkrieges und einem Waffenstillstand nach einem unklaren Wahlergebnis noch nicht befriedet. Nur etwa jeder dritte schwarzafrikanische Staat kann derzeit als mehr oder weniger politisch stabil eingeschätzt werden. Der Hauptgrund für die Destabilisierung Schwarzafrikas ist der Wegfall des Kalten Krieges, der bis 1990 in den einzelnen Ländern jeden aufkeimenden Widerstand oder Stammeskonflikte gewaltsam erstickte. Jedes Land Afrikas, ob es wollte oder nicht, musste, nach der Logik dieses Konfliktes, eindeutig politisch Position beziehen, entweder pro-westlich oder pro-östlich. Nach dem Zerfall des Ostblocks brachen die unterdrückten Konflikte mit aller Macht aus. Die Auseinandersetzungen der manchmal seit Jahrhunderten miteinander rivalisierenden Stämme und Völker werden jetzt nachgeholt.

In vielen Ländern vor allem Ostafrikas haben China und Indien die Rolle der einstigen Supermächte Sowjetunion und USA übernommen und benehmen sich wie Kolonialherren. Chinesische und indische Agrounternehmer haben große Gebiete Ostafrikas bereits unter ihre Kontrolle gebracht und produzieren dort, an der oft notleidenden einheimischen Bevölkerung vorbei landwirtschaftliche Produkte für den Weltmarkt. Immer weniger afrikanische Staaten können sich infolge Überschuldung durch widersinnige Prestigeobjekte, die Vernachlässigung der Landwirtschaft und Bevorzugung der Städte sowie übertriebene Militärausgaben selbst ernähren. Die Bevölkerung wächst schneller als die Agrarproduktion. Auch dies ist ein Nährboden für Separatismus. Bodo Bost


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