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19.02.11 / »Wir stehen am Scheideweg« / EU-Parlamentarier warnt davor, leichtfertig zu viel Einfluss nach Brüssel abzugeben

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

»Wir stehen am Scheideweg«
EU-Parlamentarier warnt davor, leichtfertig zu viel Einfluss nach Brüssel abzugeben

Der CSU-Politiker Markus Ferber (46) ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und gehört seit 1994 als Abgeordneter der Fraktion der Europäischen Volkspartei dem Europaparlament an. Dort ist er Vorsitzender der CSU-Europagruppe. Die Finanzpolitik gehört für ihn grundsätzlich auf den Prüfstand. Von der EU verlangt er ein klares Zeichen bei der Aufsicht über die Finanzmärkte. Das Interview führte Jan Heitmann.

PAZ: Bei der gegenwärtigen Euro-Krise handelt es sich nicht um ein nationales Problem. Befürworten Sie grundsätzlich ein gemeinsames und harmonisiertes Vorgehen der Euroländer?

Markus Ferber: Es handelt sich sowohl um eine nationale als auch europäische Krise. Auf nationaler Ebene haben wir die hohen Staatsverschuldungen – die griechischen Haushaltslöcher und die irische Bankenkrise sind nationale Probleme. Da wir eine gemeinsame Währung haben, wurde daraus auch ein europäisches Problem.

Ein gemeinsames Problem muss auch gemeinschaftlich bekämpft werden. Deswegen befürworte ich, um das weitere Auseinanderdriften der Politik der Staaten zu stoppen, grundsätzlich ein kollektives Vorgehen der Euroländer. Die Wirtschaftspolitik muss unter den Regierungen aller Nationalstaaten enger und stärker abgestimmt werden, um künftig im Kampf gegen die Krise schnell und effektiv handeln zu können. Ich fordere deshalb eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung untereinander.

PAZ: Sie kritisieren aber, dass der von Bundeskanzlerin Angela Merkel geplante „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ weder „Fisch noch Fleisch“ sei. In welcher Hinsicht müsste das Vorhaben konkreter werden?

Ferber: Es geht doch im Moment darum, Maßnahmen einzuleiten, die der Überschuldung und der Auseinanderentwicklung der Mitgliedsstaaten entgegenwirken. Die Instrumente, die bisher eingesetzt wurden – wie die strukturpolitischen Maßnahmen oder Stabilitätskriterien –, die zur ökonomischen Angleichung der Mitgliedsstaaten hätten führen sollen, haben nicht gegriffen. Im Gegenteil, sie führten dazu, dass sich die ökonomischen Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten eher noch vergrößerten. Zudem hat sich gezeigt, dass nicht in allen Euro-Ländern eine gemeinsame Stabilitätskultur vorhanden ist.

Jetzt stehen wir vor einem Scheideweg: Wählen wir ein Modell, bei dem jedes Land im Wettbewerb zu den anderen Staaten steht und eigenverantwortlich handelt oder entscheiden wir uns für eine komplette Vergemeinschaftung. Der Vorschlag der Bundeskanzlerin liegt irgendwo dazwischen. Deswegen sind die Vorhaben im „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ für mich halbherzig und weder Fisch noch Fleisch.

PAZ: Welche Auswirkungen wird die Anpassung der Strukturen auf die nationalen Kompetenzen haben?

Ferber: Der Maßnahmen-Katalog hätte gravierende Auswirkungen auf die nationalen Kompetenzen. Es würde auf eine schleichende Kompetenzübertragung nach Brüssel hinauslaufen. Wir würden ohne Zustimmung des Bundestages – also ohne demokratische Legitimation – immer mehr Kompetenzen abgeben und am Ende könnte es sogar zu einer Fiskalunion kommen.

PAZ: Demnach wäre der Begriff einer „Europäischen Wirtschaftsregierung“ also zutreffend?

Ferber: Nein, eben nicht. Denn die Europäische Wirtschaftsregierung wäre keine Regierung. Sie wäre nur ein weiteres Treffen der Staats- und Regierungschefs der 17 Eurostaaten, wo ein Gedankenaustausch stattfinden würde. Als Regierung kann dieses Gremium nicht bezeichnet werden, denn es fehlen ihr die Strukturen dafür – wie zum Beispiel einen Regierungschef, der für die 17+ sprechen würde. Außerdem brauchen wir dieses neue Gremium auch nicht. Eine stärkere wirtschaftspolitische Koordinierung untereinander muss gemeinsam von den Regierungen aller Nationalstaaten im Rat der Europäischen Union geleistet werden. Auf wirtschaftliche Fehlentwicklungen oder externe Schocks wie eine Finanz- und Wirtschaftskrise müssen die Staaten auch weiterhin flexibel und mit Rücksicht auf nationale Besonderheiten reagieren können. Deshalb ist eine Zentralisierung der Wirtschaftspolitik auf absehbare Zeit nicht realisierbar, geschweige denn für uns als Steuerzahler wünschenswert.

PAZ: Sie warnen davor, dass die geplante wirtschaftliche Koordinierung auch zur gegenseitigen Anerkennung von Handwerksabschlüssen führen würde. Welche negativen Auswirkungen befürchten Sie für Deutschland?

Ferber: Die geplante Koordinierung würde auch die gegenseitige Anerkennung der Bildungsabschlüsse zur Folge haben. Der deutsche Meisterbrief zum Beispiel ist außer in Deutschland nirgends in Europa in dieser Form bekannt. Wenn es zu einer Anpassung tatsächlich kommen sollte, würde ein erfolgreiches deutsches Modell wegharmonisiert werden.

PAZ: Sie fordern die rechtzeitige Befassung des Bundestages mit dieser Frage. Was verstehen Sie unter „rechtzeitig“?

Ferber: Der Bundestag muss sich noch vor dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs im März mit den Fragen befassen, ob und welche Bereiche dieses Vorschlags auf europäischer Ebene diskutiert werden sollen.


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