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19.02.11 / Chaos im Kreistag von Lüchow-Dannenberg / Atomares Endlager im Salzstock Gorleben noch möglich – Norbert Röttgen stellte sich Abgeordneten und wurde beschimpft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Chaos im Kreistag von Lüchow-Dannenberg
Atomares Endlager im Salzstock Gorleben noch möglich – Norbert Röttgen stellte sich Abgeordneten und wurde beschimpft

Immer wenn ein Zug mit radioaktivem Abfall gefüllten Castor-Behältern nach Gorleben rollt, blickt die Republik zum Landkreis Lüchow-Dannenberg. Hier, in Ost-Niedersachsen, an der Elbe liegt Gorleben. Auf dem Gemeindegebiet befindet sich in einem großen Waldgebiet das atomare Zwischenlager für die Castoren und hier wird auch schon seit Jahren in einem Salzstock ein Bergwerk gebaut und erkundet, das bei Eignung als Endlager für den Jahrtausende strahlenden Kernenergieabfall dienen soll. Das Bergwerk wäre schon lange fertig erkundet, wenn nicht Rot-Grün unter Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2000 einen zehnjährigen Erkundungsstopp für Gorleben durchgesetzt hätte. Die schwarz-gelbe Regierung Merkel/Westerwelle wird nun nach Ablauf des Moratoriums den Salzstock Gorleben im Hinblick auf seine Eignung als „Endlagerstätte“ weiter erkunden.

Dagegen erhebt sich massiver örtlicher Protest. Meinungsbildner beim Protest sind die rot-grün-bunte Kreistagsmehrheit, verstärkt durch zwei FDP-Kreistagsabgeordnete, die Umweltschutzverbände, die bäuerliche Notgemeinschaft und die Mehrheit der vor Ort tätigen evangelischen Pastoren. Am 14. Februar war Bundesumweltminister Norbert Röttgen bei einer öffentlichen Kreistagssitzung des Kreistages Lüchow-Dannenberg zu Gast, um sein Konzept für die weitere Erkundung des Salzstockes vorzustellen und um für einen ständigen umfassenden Dialog seines Hauses mit den Menschen vor Ort zu werben.

Hitzacker, 14. Februar: Pünktlich um 9.40 Uhr betritt Umweltminister Röttgen den Sitzungssaal der öffentlichen Kreistagssitzung des Landkreises Lüchow-Dannenberg in Hitzacker. Schon vor dem Gebäude hatte er sich mühsam durch ein Spalier von aufgefahrenen Traktoren und Transparenten haltenden Landwirten Zugang zum Gebäude verschafft. Röttgen weiß, was ihn hier erwartet. Unter „Buh“- und „Pfui“-Rufen sowie Pfeiflärm geht er zum Podium. Der Kreistagsvorsitzende begrüßt den Minister artig. Zunächst spricht der Landrat. Er nennt für den vom Minister angekündigten umfassenden Dialog mit allen politischen Gruppierungen und Menschen im Landkreis Bedingungen. Dabei blickt er weit in die Vergangenheit zurück. Landrat Schulz verhehlt nicht, dass er der Gruppe der Gorlebengegner zuzurechnen ist. Dann spricht der Minister. Der Kreistag hat dem Gast 15 Minuten Redezeit zur Vorstellung seines Dialogkonzeptes zugebilligt. Dies, obwohl der Kreistag die Einladung an Röttgen ausgesprochen hat. Seine Rede wird ständig von starken Unmutsäußerungen gestört. Zeitweise hat der Minister Mühe, sich Gehör zu verschaffen. Der Kreistagsvorsitzende gibt sich Mühe, kommt aber gegen den Lärm auch nicht an und wirkt etwas hilflos.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende erhält vom Sitzungsleiter als Erster das Wort. Er ist in dieser Funktion das erste Mal im Einsatz. Ein wenig spürt man seine Aufregung. Ihm gelingt ein befriedigender Auftritt, obwohl ein Teil seiner Rede wegen der ständigen Störung der Zuhörer untergeht. Dann spricht der SPD-Fraktionsvorsitzende. Rhetorisch geschickt – er ist ehemaliger Landtagsabgeordneter – bezweifelt er die Glaubwürdigkeit des Ministers und geht auf das Dialogkonzept des Ministeriums nicht ein. Der Saal ist ganz still und der Redner erhält viel Zustimmung. Nacheinander sprechen dann zwölf Kreistagsabgeordnete, vier davon gehören zur CDU-Fraktion. Obwohl die CDU mit Abstand die stärkste Fraktion stellt – 18 Kreistagsabgeordnete –, erlaubt die mit der bunten Mehrheit in Kraft gesetzte Geschäftsordnung diese unausgewogene Rednerliste. Alle Redner der bunten Gruppe beenden ihren Redebeitrag mit einem flammenden Appell an den Minister, Gorleben wegen Nicht-Eignung sofort aufzugeben. Tatsächlich aber ist der Beweis der Nichteignung bisher wegen unvollständiger Erkundung des Salzstockes nicht erbracht. Der Minister nimmt zu den einzelnen Redebeiträgen kurz Stellung.

Die CDU-Redner weisen nachdrücklich darauf hin, dass in den politischen Gremien der betroffenen Kommunen – Gemeinde Gorleben, Gemeinde Gartow und Samtgemeinde Gartow – die CDU seit Jahren die absolute Mehrheit innehat. Die Gremien, darunter auch SPD-Abgeordnete, befürworten die weitere Erkundung des Salzstockes. Die Redebeiträge der CDU-Redner werden ständig erheblich gestört.

Resümee: Erstmalig hat ein Mitglied der Bundesregierung vor dem Kreistag in Lüchow-Dannenberg eine umfassende Einbeziehung und Mitbestimmung der Menschen vor Ort bei allen weiteren Erkundungsarbeiten im Salzstock Gorleben zugesagt. Der Minister hat sich für die Ergebnisoffenheit der Untersuchung verbürgt. Er will ein Gremium mit Entscheidungsfunktion installieren, das zu 50 Prozent mit Mitgliedern aus der Region besetzt sein wird. Er wird auch einen nationalen Expertenrat „Endlager“ nach dem Vorbild der Schweiz ins Leben rufen. Der schon bestehende Internet-Dialog „Endlager“ wird ausgeweitet. Der Minister versprach, alle kritischen Fragen zur Nichteignung des Salzstockes umfassend zu beantworten.

In der Tat, diese Bürgerbeteiligung bei der Gorleben-Problematik wäre neu. Röttgen ist zu wünschen, dass sein angebotener Dialog zumindest von Teilen der Kreistagsmehrheit angenommen wird. Wilhelm v. Gottberg


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