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19.02.11 / Von Washington bald im Élysée-Palast? / IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ist der Traumkandidat der französischen Linken

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Von Washington bald im Élysée-Palast?
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ist der Traumkandidat der französischen Linken

In Frankreich hat der Vorwahlkampf um das Präsidentenamt begonnen. Aussichtsreichster Herausforderer von Nicolas Sarkozy wäre der Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, der laut Aussage seiner Frau kein zweites Mal für den IWF kandidieren wird.

Der mögliche Kandidat der Linken für die Präsidentenwahl 2012 arbeitet im zirka 6000 Kilometern Entfernung von Paris. Dominique Strauss-Kahn, genannt DSK und Mitglied der Sozialistischen Partei Frankreichs (PS), ist seit 2008 Direktor des IWF in Washington. Aber wer hätte Lust, eine mit  315200 US-Dollar im Jahr gut dotierte und angesehene Stellung zu verlassen, um mit weniger Lohn mühsam den französischen Staatskarren zu ziehen? Gut Informierte behaupten, dass der Klassenprimus Strauss-Kahn auch ein Lebemann ist. Seitensprünge mit Untergebenen, die im prüden Washington publik geworden sind, sprechen dafür. Strauss-Kahn, Vater von vier Kindern aus zwei früheren Ehen, hat sich bei seiner dritten Ehefrau, der ehemaligen Starjournalistin Anne Sinclair, öffentlich für diese „Verfehlungen“ entschuldigt, aber man traut dem 61-jährigen Politiker und Ökonomen zu, wie ein Sultan in seinem Palast leben zu wollen. Warum sollte sich der reiche DSK die Strapazen des höchsten Amtes im unregierbaren Frankreich überhaupt antun?

Dennoch wollen ihm seine Parteigenossen begreiflich machen, dass er der Einzige unter ihnen ist, der Chancen hat, Sarkozy (trotz dessen schlechter Umfragewerte) zu schlagen. Umfragen sehen DSK bei den sozialistischen Vorwahlen Ende 2011 an der Spitze. Zur Zeit würden ihm 41 Prozent der Anhänger der PS den Vorzug geben, um den Fehdehandschuh gegen Sarkozy aufzunehmen, während die anderen Koryphäen der Sozialisten, Martine Aubry, Ségolène Royal und François Hollande, karge 17, 14, respektive drei Prozent der Stimmen im eigenen Lager erhielten. Er ist vor allem der Einzige, der weit über die Grenzen des linken Potenzials und der „normalen Gegner“ des heutigen Staatsoberhaupts Stimmen sammeln würde. Zwar ist er bei den Extremlinken unbeliebt. Er verkörpert aus deren Sicht nicht die „linken Werte“. Sie bemängeln, dass er die IWF-Milliarden für Griechenland mit der Bedingung versehen hatte, dass „soziale Errungenschaften abgeschafft“ werden. Aber die Anhänger von Jean-Luc Melanchon (Parteichef der „Linken“) und Olivier Besancenot („Antikapitalistische Partei NPA“) würden bei der Präsidialwahl im Mai 2012 den sozialdemokratisch ausgerichteten, großbürgerlichen Straus-Kahn dennoch unterstützen, weil sie Sarkozy als einen Abklatsch des Rechtsaußen Le Pen betrachten. Also würde Strauss-Kahn fast alle Linken auf seiner Seite haben.

Was kann DSK besser als „Sarko“? Heute, im Strudel der Krise, werden die meisten wichtigen Entscheidungen auf internationalem Parkett gefällt. Der amtierende Präsident Sarkozy ist gewiss kein Sprachgenie. Dafür spricht Strauss-Kahn perfekt Englisch (er war Gastprofessor in Stanford) und ziemlich gut Deutsch, wie der Verfasser dieser Zeilen es während einer Fahrt mit ihm zusammen vor einigen Jahren feststellen konnte. Dort vertraute DSK ihm an, dass er als Kind eine deutsche Gouvernante hatte. Als Sohn einer reichen jüdischen Familie aus dem Elsass ist er wie Sarkozy im schicken Pariser Bezirk Neuilly geboren worden. Die Familie Strauss-Kahn war gut betucht, während Sarkozys geschiedene Mutter als kleine Anwältin am Hungertuch nagte. Wirtschaft, Jura, Handel und Politikwissenschaft hat DSK in Paris studiert, wo er sich als Volkswirt habilitierte und in den drei anderen Fächern die höchsten Diplome erwarb. Sarkozy war „nur“ Anwalt. Strauss-Kahn ist „auch“ Anwalt.

Ségolène Royal geht derzeit wieder in die Offensive gegen die wichtigsten linken Kandidaten, ihre Nebenbuhlerin Aubry, ihren Ex-Mann Hollande und vor allem gegen Strauss-Kahn. DSK sieht, wie die PS sich selbst zerfleischt und schweigt wie die „rätselhafte Sphinx“. Die Royal unterstrich vor wenigen Tagen, dass ein Mann wie er, der nicht unmittelbar in der französischen Politik aktiv ist, das Vertrauen der Sozialisten nicht haben könne. Sarkozy, mit dem DSK im Prinzip befreundet ist (beide Männer stimmen sich in Sachen Euro und Wirtschaft ab), war ein Meisterstück gelungen, als er seinen potenziellen Gegner zur Führung der IWF, also weit von Frankreich, verhalf. Die Stärke von DSK besteht darin, dass er nicht so links wie andere ist. Er hatte damals als Minister die Einführung der 35-Stunden-Arbeitswoche vorbereitet, aber dann das entsprechende Gesetz nicht mehr unterstützen wollen und er hat sich von der Kampagne der französischen Linken zur Erhaltung des Rentenbeginns mit 60 distanziert.        Jean-P. Picaper


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