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19.02.11 / Wegen Zigaretten nach Sibrien / Königsberger erinnert sich an die Zeit allein in der Stadt nach 1945

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Wegen Zigaretten nach Sibrien
Königsberger erinnert sich an die Zeit allein in der Stadt nach 1945

Königsberg war gefallen. Am 9. April 1945 hatte General Lasch kapituliert. Die Zivilbevölkerung hatte schwer gelitten. Drei Jahre später setzt der Roman „Von der Welt vergessen“ von Hans Joachim Kroschewskys ein. Nur noch wenige Deutsche wohnen in der ostpreußischen Hauptstadt, sie führen einen täglichen Kampf ums Überleben. Zwei von ihnen sind Achim und seine Mutter Frieda. Letztere versuchts mit dem Handel von Zigaretten auf dem schwarzen Markt Geld für sich und ihren Jungen zu erwirtschaften. Dort gibt es außerdem Kleidung, Alkohol und Lebensmittel.

Dabei fällt sie der Sowjetmiliz zum Opfer. Ganze fünf Schachteln Zigaretten werden ihr zum Verhängnis. In einem Prozess der Willkürjustiz wird sie zu fünf Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt. Schon auf dem Transport dorthin sterben einige Frauen, Achims Mutter überlebt. Eine BDM-Führerin aus Königsberg fällt später unter eine Amnestie und wird vorzeitig entlassen. Achims Mutter hat nicht so viel Glück. Sie muss weiter Sklavenarbeit verrichten. Immerhin überlebt sie und kehrt 1954 nach Deutschland zurück.

Ihr Junge bleibt auch am Leben. Er erweist sich als viel cleverer als seine Mutter. Früh lernt er Not, Elend, Gewalt, Entbehrungen, Ängste und Qualen kennen. Die Miliz, russische Jugendbanden, aber auch neidische deutsche Nachbarn „umschifft“ er mühelos. Er hat eine Gruppe deutscher Jugendlicher um sich versammelt, die Altmetalle sammeln. Als Achim in einem Hotel zahllose nicht demontierte Kupferhähne entdeckt, sind er und seine Schicksalsgefährten „gemachte Leute“. Sie haben einstweilen keine Sorgen mehr. Derweil suchen die Russen nach dem Wasserhahndieb. Schließlich prahlt und protzt ein Russe auf dem schwarzen Markt mit sehr viel Geld. Die Miliz glaubt, damit den Täter gefunden zu haben. Die Jungen atmen auf. Trotz aller Widrigkeiten gewinnt der Leser den Eindruck, die Jungen hätten diese Zeit auch als eine Art spielerisches Abenteuer empfunden.

Achims Mitbewohner, ein missgünstiger Mann mit seiner Familie, versucht sich in einem Kleinkrieg gegen den Jungen und scheitert grandios. Achim hat stets genug zu essen, die anderen hungern häufig. Das Ziel von allen ist durchzuhalten, bis ihre registrierten Namen für einen Umsiedlertransport aufgerufen werden. Schließlich ist es soweit. In einem Güterzug geht es westwärts. In Storkow südlich von Berlin endet die Fahrt. Achims Vater holt seinen Sohn ab. Er ist nun DDR-Bürger geworden. Auch das Leiden von Achims Mutter hatte irgendwann ein Ende.

Joachim Kroschewskys ist nicht ein professioneller Schriftsteller, aber sein Schreibstil ist lebendig und wird nicht langweilig, weil er authentisch ist. Bei jeder Seite, die man umblättert, fragt man sich besorgt, wie es weitergeht. Achim und seine Mutter stehen stellvertretend für unzählige andere Schicksale von Heimatvertriebenen und nach Sibirien verschleppten Frauen und Männern. Hans Lody

Hans Joachim Kroschewski: „Von der Welt vergessen“, Wagner Verlag, Gelnhausen 2010, broschiert, 324 Seiten 15,90 Euro


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