18.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.02.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-11 vom 19. Februar 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Besonders gute Ideen / Wie Merkel im eigenen Netz zappelt, warum das früher alles Verbrecher waren, und wann wir plötzlich ganz pragmatisch werden

Von der Bundeskanzlerin wird viel Verhandlungsgeschick erwartet, wenn es auf dem EU-Gipfel im März um die Wurst geht. Merkel hat sich einen feingesponnenen Plan zurechtgelegt, mit dem sie die widerspenstigen EU-Partner auf ihre Seite locken will. Sie sagt ihnen: Über alles, was ich von euch will, werden wir mühsam verhandeln. Alles, was ihr von mir wollt, kriegt ihr hingegen sowieso. Konkret: Ob die EU-Partner die deutschen Forderungen nach mehr Sparsamkeit, einheitlichem Renteneintritt oder harmonisierter Körperschaftsteuer zustimmen oder nicht – es bleibt dabei, Deutschland wird „alles“ tun, um das Euro-System zu retten.

Warum also sollte man auf irgendeine der Berliner Forderungen eingehen? Senkt der Basarhändler den Preis, wenn er gehört hat, dass der Käufer „alles“ bezahlen wird, was er verlangt? Im Gegenteil: Er legt nach bis es quietscht. Der Euro-Rettungsschirm? Wird mal eben verdoppelt. Und wenn das nicht reicht? Dann wird „bei Bedarf“ eben noch mal drastisch draufgelegt. Hauptzahler: die Deutschen, schließlich gibt es zum Euro ja „keine Alternative“.

Lustvoll lassen die anderen EU-Länder die Kanzlerin im Netz ihrer selbstgeknüpften „Alternativlosigkeit“ zappeln. Erst recht jetzt, da ihr der allerletzte Trumpf entglitten ist: Axel Weber. Der Bundesbankchef war der D-Mark-stählerne Plagegeist der Euro-Weichmacher. Es hätte ihnen den gut subventionierten Schlaf geraubt, wenn Axel der Schreckliche je an die Spitze der Europäischen Zentralbank gelangt wäre.

Im Grunde war die Furcht von Anfang an umsonst. Unsere schlaue Kanzlerin dachte sich das vielmehr so: Ich mache denen mit dem Weber erst mal richtig Angst. Doch in letzter Minute lasse ich ihn dann fallen dafür, dass die anderen mir irgendwas geben, womit ich mich unter die Augen meiner Wähler trauen kann.

Pustekuchen: Weber fand sich in der Rolle des Bauernopfers fehlbesetzt und verließ beleidigt die Bühne. Nun steht Merkel splitternackt im Wind ihrer eigenen Euro-Rhetorik. Wenn sie Glück hat, reichen die Partner ihre Vorschläge wenigstens an irgendwelche EU-Ausschüsse „zur eingehenden Prüfung“ weiter. Aus reiner Höflichkeit. Dort werden sie dann frikassiert und in die „Ablage für besonders gute Ideen“ gesteckt, im Volksmund Mülleimer genannt.

Wer’s gehässig mag, nimmt das Debakel zum Anlass, mal ganz allgemein über die Qualität der deutschen Außenpolitik zu reden. Wir sind natürlich nicht gehässig und sehen zudem ein, dass das eigentlich zuständige Außenamt zurzeit Wichtigeres zu tun hat, als sich um Deutschlands auswärtige Angelegenheiten zu kümmern. Es geht um Raumgestaltung, genauer: um die Bilder an den Wänden unserer Auslandsvertretungen.

Pünktlich zu seinem 125-jährigen Jubiläum hat das Außenministerium bekanntlich ein kritisches Werk über seine eigene Geschichte in Auftrag gegeben, aus dem hervorgeht, dass dessen Autoren mit dem festen Willen zur Denunziation in ihre Arbeit hineingegangen sind. Nun lässt Guido Westerwelle den Worten Taten folgen und befiehlt, in den Botschaften und Konsulaten alle Bilder jener Diplomaten abzuhängen, die schon vor 1951 in deutschen Diensten standen. Das Geschichtsbewusstsein erblüht in seiner definitiven Endstufe.

Ebenso das Rechtsbewusstsein: Es soll zwar Ausnahmen geben dürfen. In gut begründeten Einzelfällen können historische Vertreter deutscher Interessen vom Bildersturm verschont werden, lässt der FDP-Chef wissen. Anders gesagt: Grundsätzlich ist jeder, der unser Land vor 1951 im Ausland vertreten hat, „nicht traditionswürdig“, also irgendwie schuldig. Alles andere soll man dem Minister erst mal beweisen. In Sankt Petersburg brüten nun die deutschen Konsularangestellten vor dem Porträt eines einstigen preußischen Gesandten beim Zaren und zermartern sich den Kopf darüber, ob jener Otto von Bismarck dem gestrengen Blick eines Guido Westerwelle moralisch standhielte.

Diplomaten der Bundesrepublik werden zwar nicht abgehängt, aber hinsichtlich möglicher Verstrickungen in das NS-Regime überprüft. Findet sich etwas, werden die Untaten in einem Text unter ihrem Bild vermerkt. Das Porträt wird gewissermaßen zum Pranger umfunktioniert. Wie praktisch.

Bislang war das beflissene Abhängen von in Ungnade Gefallenen ja eher eine Übung, die wir aus osteuropäischen Volksdemokratien kannten. Da konnte ein Halbgott der Partei über Nacht zum „feindlichen Element“ mutieren und wehe dem, der den Kerl dann noch an der Wand hatte! Bei Stalin wurden sogar Gruppenbilder ausgemistet, weshalb es  mit fortschreitender Herrschaftsdauer auf den Fotos um den Diktator immer leerer wurde. Allerdings ging da auch mal was schief: Auf einem Foto hat man vergessen, auch den Fuß eines Gelöschten zu tilgen. So gab es auf dem Bild fortan mehr Füße als biologisch geläufig.

Das dürften wir angesichts der modernen, computergestützten Bildbearbeitungsprogramme heute aber im Griff haben, also kann der Außenminister im nächsten Schritt auch die Gruppenbilder säubern. Die Pannen der Kollegen von der Lubjanka passieren unseren Fachleuten gewiss nicht.

Angestoßen hatte den kritischen Umgang mit der Geschichte des Außenamts dessen damaliger Chef Joschka Fischer. Er verweigerte dem 2004 verstorbenen Franz Krapf das sonst übliche „ehrende Gedenken“, weil Krapf Mitglied von NSDAP und SS gewesen sei. Zum Ende seiner Karriere in den 70ern war der Bayer deutscher Botschafter bei der Nato.

Verwicklungen in Verbrechen konnten ihm keine nachgewiesen werden, stattdessen ein enger Kontakt zum Widerstand. Egal: Krapf war NSDAP-Mitglied, das reichte Fischer. Kein ehemaliges NSDAP-Mitglied sollte fortan mehr geehrt werden. Basta. So einfach kann der Umgang mit Geschichte sein, wenn man die Steigerung von Gerechtigkeit in Selbstgerechtigkeit gefunden hat.

Wir hätten uns gar nicht weiter mit der Sache aufgehalten, wenn nicht die Nachricht in unser Weltgericht geplatzt wäre, dass sich in den Mitgliederlisten der Hitlerpartei auch die Namen der ehemaligen Chefdiplomaten Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher finden. Dem Vernehmen nach hat Guido Westerwelle die Konterfeis seiner beiden Vorgänger und Parteifreunde allerdings noch nicht mit einem „Text“ versehen lassen. Bei Walter Scheel stünde etwa dies: „Bundesaußenminister von 1969 bis 1974, hat sich W. S. als einer der Architekten der ,Neuen Ostpolitik‘ um die Aussöhnung mit unseren östlichen Nachbarn verdient gemacht und war NSDAP-Mitglied von 1942 bis 1945.“

Klingt ein wenig sperrig, nicht wahr? Vermutlich hat Westerwelle bei sich selbst eine der begehrten „Ausnahmegenehmigungen“ für die beiden Ex-FDP-Chefs erwirkt. Wenn einem der eigene Rigorismus zu nahe kommt, lässt sich immer eine „pragmatische Lösung“ finden.

Pragmatismus ist die Tugend derer, die vorn im Getümmel stehen und praktische Lösungen finden müssen. Je weiter der Abstand zum Getöse, desto wärmer die Etappe und desto schärfer die moralischen Urteile. Der Abstand kann räumlicher wie zeitlicher Natur sein. Konrad Adenauer stand als erster Bundeskanzler bis zum Hals im Schlammassel des 20. Jahrhunderts. Von ihm stammt der Satz, dass er kein schmutziges Wasser wegschütte, solange nicht genügend sauberes da sei.

Das sehen seine fortschrittlichen Ankläger naturgemäß ganz anders: Sie verfahren nach der Devise: Rühre so kräftig im Schmutzwasser der anderen, dass die Leute den Gestank deiner eigenen Kloake nicht bemerken. Von einer „kritischen Auseinandersetzung“ damit, wie sich heute noch gefeierte Größen der Nachkriegszeit mit dem Stalin-Regime eingelassen haben, werden wir daher auch künftig nichts zu hören bekommen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren