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05.03.11 / Der dressierte Diskurs / Diskussionsrunden im Fernsehen sind oft dicht an der Manipulation – Ein Erlebnisbericht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Der dressierte Diskurs
Diskussionsrunden im Fernsehen sind oft dicht an der Manipulation – Ein Erlebnisbericht

Ist es Show oder Realität? Die 100 Zuschauer, die live bei der Talkrunde von „Markus Lanz“ im ZDF dabei sind, merken schnell, dass die Fernsehmacher klare Vorstellungen haben. Auf der Einladung steht: „Bitte tragen Sie farbenfrohe, sportlich-elegante (keine kleinkarierte) Oberbekleidung und keine Kopfbedeckung.“ Verschleierte Muslima oder Ordensschwestern wären bei Markus Lanz also nicht willkommen.

Die längere Wartezeit bis zum Beginn der Aufzeichnung überbrückt ein Animateur. Er erläutert einige Benimmregeln (kein Mitschreiben erlaubt, keine Tonaufzeichnungen); dann bringt er den versammelten Zuschauern das Klatschen bei. „Wenn Markus reinkommt, bitte stark klatschen; wenn er abwinkt, noch stärker weiterklatschen; so, das üben wir jetzt drei Mal.“ Da die Kameras bei den Übungen mitlaufen, hat die Regie schon mehrere Klatsch-Szenen und O-Töne im Kasten. Weil die Sendung erst einen Tag später über den Bildschirm flimmert, besitzen also die Fernsehmacher alle Freiheiten, die Sendung zu schneiden oder auch zu verfälschen.

Während der Aufzeichnung bleibt der Animateur übrigens nicht untätig. Ausgerüstet mit einem verstärkenden Mikrofon, betätigt er sich an passenden Stellen als Claqueur. Er sitzt in der obersten vierten Reihe, außer Sichtweite der Kameras. So kann er das Publikum unmerklich und effektiv steuern.

Das Begrüßungsritual für den 41-jährigen Markus Lanz klappt dementsprechend gut. Um mit dem Publikum warm zu werden, versucht er sich in lockeren Bemerkungen, wirkt aber etwas verkrampft. Er trage einen Sender im Ohr, berichtet er. Er empfange ständig Weisungen von der Regie; man solle sich über seine vermeintlichen Selbstgespräche nicht wundern. Nicht Markus Lanz, sondern die Regie scheint hier also die Zügel fest in der Hand zu haben.

Das merkt man auch bei der Auswahl der „Gäste“. Hier soll es bei der mitternächtlich ausgestrahlten Show im Dienste einer höheren Quote um Komik, Krawall und Katholiken gehen. Das völlige Durcheinander von Werten ist Programm. Zu Gast sind Dschungel-Camper und Alt-Kommunarde Rainer Langhans mit „Haremsdame“, der Komiker Karl Dall, die „Ex-Dschungel-Schlange“ und Kabarettistin Desiree Nick und zwei Katholiken, der homosexuelle Theologe David Berger und die konservative Publizistin Gabriele Kuby.

Sicher ist auf alle Fälle, dass das unsägliche „Dschungel-Camp“ von RTL beim öffentlich-rechtlichen ZDF ein Nachspiel feiern soll. So kann die hohe Quote vielleicht abfärben, hoffen die Fernsehmacher. Wie schon eine Stunde zuvor bei „Maybritt Illner“, wo Mathieu Carrière das eklige Dschungelcamp als „Bildungsfernsehen“ und „Offenbarung“ loben darf, ergeht sich nun auch Rainer Langhans über das Dschungelleben. 60000 Euro habe er für seinen Auftritt kassiert, aber die gezeigte Sendung bei RTL habe nichts mit der wirklichen Situation im Busch zu tun gehabt, kritisiert er freimütig die Regie von RTL.

Karl Dall, der Komiker mit dem Hängeauge, glänzt derweil mit derben Zwischenfragen und selbstironischen Witzen. Die Scherze des 70-jährigen Komikers kreisen fast immer um Sex, Alkohol und sonstige menschliche Schwächen. Geradezu wertkonservativ wirkt er allerdings in dieser Runde, weil er als einziger auf ein immerhin 40-jähriges Eheleben verweisen kann. Der ebenfalls 70-jährige Langhans offenbart mit seinem „Harem“ von vier Frauen andere Vorstellungen. Das sei mehr eine geistige Gemeinschaft; man habe dem Sex schon länger abgeschworen und wohne zudem in getrennten Wohnungen, berichtet die „Haremsdame“.

Der katholischen Publizistin Gabriele Kuby ist in dieser Sendung als einziger vorbehalten, eine konservative Moral zu vertreten. Ausdrücklich lehnte es die Regie im Vorfeld ab, eine zweite Person von konservativem Kaliber in die Sendung einzuladen. So befindet sich  Kuby als „Moralapostel“ auf völlig verlorenem Posten. Unterbrochen vom Gejohle des Publikums, höhnischen Kommentaren von Desiree Nick, dem gesteuerten Klatschen des Publikums kommt sie nur mühsam zu Wort. Das ist ganz im Sinne der Regie, die zugleich Berger und Nick ausführlich Gelegenheit gibt, für ihre neu erschienenen Bücher kostenlose Werbung im ZDF zu machen. Hinrich E. Bues


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