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05.03.11 / Und keiner geht hin / In Sachsen-Anhalt herrscht Landtagswahlkampf, doch das interessiert selbst die Landeskinder wenig

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-11 vom 05. März 2011

Und keiner geht hin
In Sachsen-Anhalt herrscht Landtagswahlkampf, doch das interessiert selbst die Landeskinder wenig

Am 20. März wird in  Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Das Bundesland steht an einem politischen Wendepunkt. Denn bei der Wahl geht es um die Fortführung der schwarz-roten Koalition oder den Beginn einer im Land erstmaligen rot-roten Koalition.

Die Entscheidung, wie es in dem Bundesland zwischen Harz, Elbe und Saale weitergeht, ist so ungewiss wie der derzeitige Frühlingsbeginn. Wenn am 20. März die Wähler aufgerufen sind, einen neuen Landtag zu wählen, haben sie die Möglichkeit, zwischen 13 Parteien auszuwählen. Jegliche Couleur ist vertreten: die Großen, also CDU, SPD, FDP, Linke und Grüne, Parteien, die in Kreistagen Erfahrungen haben, wie beispielsweise die Tierschutzpartei; auch Parteien, die am politischen Farbrand stehen wie die NPD oder die MLPD. Und solche, die auf große Erfolge hoffen, wie die Piratenpartei oder die Sarrazistische Partei. Die Anzahl der Parteien ist zwar geringer als bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2006. Das Interesse an der Landespolitik allerdings auch. Das lässt auf eine noch niedrige Wahlbeteiligung der 2,3 Millionen  Sachsen-Anhalter schließen als sonst. Vor fünf Jahren lag sie bei gerade mal 44 Prozent.

Welche Konstellationen sind denkbar? Favorit ist – wenn man den Worten der CDU und auch der SPD Glauben schenken darf – die Weiterführung der Großen Koalition. Noch-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer sagt dazu: „Für das Land wäre es das Beste, wenn die jetzige Koalition weitergeführt würde.“ Denn in der Wirtschaftspolitik hat sich die schwarz-rote Regierung in den letzten fünf Jahren als erfolgreich erwiesen. Dazu gehört der Verkauf des Flughafens Cochstedt bei Aschersleben, die Rück-holung abgewanderter Sachsen-Anhalter und der Ausbau der erfolgreichen Branchen Windenergie und Chemieindustrie. Für die Weiterführung dieses Kurses steht sowohl personell als auch politisch Reiner Haseloff. Denn er hat als Wirtschaftsminister die Erfolge unter anderem herbeigeführt. Und als Spitzenkandidat der CDU möchte er in die Staatskanzlei einziehen. Die jüngste MDR-Umfrage gibt ihm Aufwind. Die CDU würde mit 32 Prozent die meisten Stimmen erhalten, die SPD 23 Prozent. Die Linke 26 Prozent.

Und das zeigt die zweite mögliche politische Konstellation an: eine rot-rote Landesregierung in Magdeburg. Das wäre für Sachsen-Anhalt das erste Mal, dass die Linke direkt an der Regierung beteiligt wäre. Allerdings nicht das erste Mal, dass die Linke – die Nachfolger der SED – regierungswichtige Aufgaben inne hätte. Denn 1994 gab es unter Reinhard Höppner (SPD) eine Minderheitsregierung unter der Tolerierung der damaligen PDS. Wulf Gallert, der Fraktionschef der Linken, rechnet mit einer Mehrheit der Linken und strebt bei einer rot-roten Koalition den Posten des Ministerpräsidenten an. Sollte die SPD mehr Prozente als die Linke erreichen, will sie in einem rot-roten Bund den Ministerpräsidenten stellen. Dieser würde dann Jens Bullerjahn heißen – der Spitzenkandidat der SPD. Die FDP und Grüne liegen laut Umfragen mit fünf beziehungsweise sieben Prozent so weit hinten, dass sie im Koalitionsge-rangel keine Rolle spielen.

Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt geht es also um mehr als „nur“ die politische Zukunft des Landes. Es geht um die Rolle der SPD, die sich beide Regierungsoptionen offen hält. Das führt dazu, dass ihr vorgehalten wird, einen „Kuschelwahlkampf“ zu führen.

Es geht auch um die wirtschaftliche Zukunft des Landes und damit um die wichtigen Themen Arbeitslosigkeit, Bevölkerungs- und Bildungspolitik. Wenn die Linke das Zepter in die Hand bekäme, wäre ein wirtschaftlicher Rückgang im Land sehr wahrscheinlich. Mit Dauerforderungen nach gleichem Lebensstandard in Ost und West ist die Linke im Lande sehr erfolgreich, politisch aber wenig tragfähig. Denn Sachsen-Anhalt ist im Länderfinanzausgleich ein Nehmerland und kann sich das dauernde Rufen nach mehr Geld politisch kaum leisten. Eine rot-rote Regierung wird höchstwahrscheinlich die Steuern erhöhen und einen Mindestlohn einführen. Das schreckt Unternehmer ab.

Es geht auch um das Bild Sachsen-Anhalts innerhalb Deutschlands. In Magdeburg gab es noch nie eine Landesregierung, die länger als fünf Jahre am Stück regiert hat. Politische Kontinuität würde dem Bundesland, das noch immer an einer überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit leidet, guttun.

Und schließlich geht es um die Person des neuen Ministerpräsidenten. Der seit 2002 regierende Wolfgang Böhmer (CDU) stellt sich nicht mehr zur Wiederwahl. Am 27. Januar ist der Gynäkologe und ehemalige Chefarzt des Paul-Gerhardt-Stiftes Wittenberg 75 Jahre alt geworden. Als politisch Unbekannter zum Ministerpräsident gewählt, hat er sich im Lauf der Jahre Ansehen, das Bild eines kantigen Landesvaters und politische Leitlinien erarbeitet. Ein „Parteisoldat“ war er nie, vielmehr gilt er als kritisch und direkt im Umgang mit seiner Partei. Im Land hat der Begriff „schuhriegeln“ eine direkte Verbindung zu Böhmer bekommen, der dieses mit der CDU getan hat. Bekannt ist er für seine Geradlinigkeit in Bezug auf Politiker und Ehrlichkeit: „Ich denke, eine ehrliche Niederlage ist besser als ein durch Täuschung erreichter Sieg.“ Eine politische Unabhängigkeit in diesem Maße wird wohl keiner seiner Nachfolger haben. Egal, ob er Bullerjahn, Haseloff oder Gallert heißen wird.  Victoria v. Gottberg


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